Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibbe bei Gardelegen
Ein Friedhof nahe der Gedenkstätte Isenschnibbe bei Gardelegen erinnert an die über 1.000 Ofer des Massakers im April 1945. (Archivbild) Bildrechte: MDR/André Plaul

Politisch motivierte Straftat Tafeln von NS-Gedenkstätte Isenschnibbe gestohlen

21. Februar 2023, 13:50 Uhr

Die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe soll an das Massaker von Gardelegen erinnern, bei dem im April 1945 mehr als 1.000 KZ-Häftlinge bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Nun haben Unbekannte Informationstafeln vom Gelände gestohlen. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund.

Auf dem Gelände der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen im Altmarkkreis Salzwedel haben Unbekannte Widmungstafeln, Informationsständer und Tafeln gestohlen.

Wann genau dies geschah, ist unklar. Die Polizei gab an, dass der Tatzeitraum zwischen Freitagnachmittag und Montagmorgen liegt. Der Diebstahl werde als politisch motivierte Straftat eingestuft, hieß es.

Schwere Tafeln der Gedenkstätte Isenschnibbe gestohlen

Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibbe bei Gardelegen: Eine Tafel erinnert an die Todesmärsche
Auf dem Gelände erinnern verschiedene Tafeln an die Todesmärsche und das Massaker im April 1945. (Archivbild) Bildrechte: MDR/André Plaul

Wie Andreas Froese, der Leiter der Gedenkstätte, MDR SACHSEN-ANHALT sagte, müssen mehrere Täter ganz gezielt vorgegangen sein. Die schweren Tafeln – eine aus Bronze, zwei aus Stein – hätten ohne Werkzeug und Ausrüstung nicht von der Wand entfernt werden können. Bei allen Dingen, die verschwunden sind, handele es sich ausschließlich um Gegenstände, die an die Opfer des Massakers von 1945 in Gardelegen erinnern. Froese hat bei der Polizei Strafanzeige gestellt, die nun in alle Richtungen ermittelt.

Bei Untersuchungen auf dem Gelände konnte in der Nähe ein Informationsständer in einem Gebüsch entdeckt werden. Die Polizei Gardelegen bittet mögliche Zeugen, sich zu melden.

Die Gedenkstätte "Isenschnibber Feldscheune"

 Die Isenschnibber Feldscheune 1945.
Am Abend des 13. April 1945 wurden über 1.000 Häftlinge in die mit Stroh und Benzin präparierte Scheune gesperrt und das Gebäude anschließend in Brand gesetzt. Bildrechte: MDR/United States Holocaust Memorial Museum

Die Mahn- und Gedenkstätte erinnert an das dortige Massaker an KZ-Häftlingen im April 1945. Einen Tag vor Einmarsch der US-Armee hatten die Nazis mehr als 1.000 Häftlinge in eine Scheune gepfercht und diese angezündet. Flüchtende wurden erschossen. Die Menschen waren zuvor angesichts der heranrückenden amerikanischen Truppen aus Lagern im Harzgebiet und Norddeutschland nach Isenschnibbe getrieben worden. Etliche Kilometer mussten zu Fuß zurückgelegt werden, da Gleisanlagen bereits zerstört waren. Schon diese Todesmärsche forderten erste Opfer.

Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibbe bei Gardelegen
Die als "Militär-Friedhof" angelegte Anlage wird bis in die Gegenwart gepflegt. Bildrechte: MDR/André Plaul

Nach Eintreffen der US-amerikanischen Truppen in Gardelegen am 14. April 1945 sorgten diese dafür, dass die Spuren des Massenmords nicht verwischt werden und für die Nachwelt ein Mahnmal entsteht. So ließen sie unweit der Scheune einen Ehrenfriedhof anlegen, auf dem die Opfer beigesetzt wurden. Nur 305 der weißen Holzkreuze tragen einen Namen, mehr Menschen konnten nicht identifiziert werden. Die Armee verpflichtete die Bevölkerung der Stadt, die Gräber dauerhaft zu pflegen. Für jegliche Schändung der Anlage wurden "schwerste Strafen" in Aussicht gestellt.

Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibbe bei Gardelegen
Gedenkmauern und Tafeln erinnern am Originalschauplatz an die Tat. Bildrechte: MDR/André Plaul

Die Reste der Südwand der Isenschnibber Feldscheune wurden später zu einer Gedenkmauer aufgeschüttet. Diese wurde 1953 als Erinnerungsort eingeweiht. 2020, 75 Jahre nach der als "Massaker von Gardelegen" international bekannt gewordenen Tat, wurde am Eingang des Geländes ein Dokumentationszentrum eröffnet, das unter anderem eine Dauerausstellung beinhaltet.

MDR (Susann Meier, André Plaul)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Februar 2023 | 08:00 Uhr

10 Kommentare

Simone am 23.02.2023

@skywalker
Man hat es ihnen ja schon mehrfach gesagt.... welche Metalldiebe klauen Steintafen? Und ihren Seitenhieb auf Ausländer lassen sie gerne mal stecken.

Solche Gedenkstätten werden ebenso wie die Stolpersteine nicht von irgendwelchen Metalldieben verwüstet, sondern in der Regel von Neonazis die gerne etwas für ihre Vorbilder im Geiste tun wollen.

Gut, dass in unserem Land die Erinnerung an die Opfer wach gehalten wird und die Menschen sich an deren Leid erinnern. Die damaligen Herren über Leben und Tot hingegen genießen weder als Person noch für ihre Taten irgendeine Wertschätzung, im Gegenteil man verachtet sie.

Simone am 23.02.2023

Was denken sich diese Leute wenn sie eine Gedenkstätte verwüsten?
Dass sich dann niemand mehr an die Verbrechen der NAZIS erinnert?

Für mich war diese Straftat der Anlass mich eingehend mit dem Verbrechen zu beschäftigen, an das dort erinnert wird. Es ist beschämend, was während der NS-Zeit von angeblich so ganz normalen Deutschen für Verbrechen gegen die Menschlcihkeit begangen wurden. Wir müssen alle aufpassen, dass so eine menschenverachtende Ideologie nicht wieder in die Köpfe der Menschen eingeplanzt wird.Es gibt ja durchaus eine Partei in Deutschland, die da gerne die Ungleichheit von Menschen betont und in Bezug auf das Dritte Reich gerne eine 180° Erinnerungswende hätte. Nicht mit mir!

Lavendel am 22.02.2023

Ein weiterer trauriger Fall der das Negativimage von Ostdeutschland nicht nur in meinem Kopf verfestigt. Man kann durchaus sagen, dass es hier regelmäßig zur Schändung solcher Gedenkstätten kommt. Stellt sich die Frage, welchen Nutzen man sich wohl davon erhofft, wenn man die Erinnerung an die Verbrechen seiner ideologischen Vorgänger tilgen will und damit genau das Gegenteil erreicht?

Feige Kriminelle die in der Dunkelheit ihren Vandalismus ausleben. Mit Mut zur Wahrheit haben es diese Täter wohl kaum, sondern meiner Meinung nach eher mit 'mein Leben ist Scheiße und meine Wut braucht ein Ventil.'

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