Beethoven-Konzert in der Lokomotiv-Halle 2 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Mo 27.05.2024 13:55Uhr 01:56 min

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Altmarkfestspiele "Ein beeindruckendes Erlebnis": Klassisches Konzert zwischen halbfertigen Loks

27. Mai 2024, 18:31 Uhr

Es war ein Experiment. Die 150 Jahre alte Werkshalle vom ehemaligen Stendaler RAW-Werk fungierte am Sonnabend als Konzertsaal. Beethovens 9. Symphonie wurde dort vorgetragen, wo im Alltag immer noch Lokomotiven gebaut und ausgebessert werden. Die Akustik wurde zwar vorher getestet, aber eben ohne Zuschauer. Erst in der mit 800 Besucherinnen und Besucher vollbesetzten Halle war klar, was für ein außergewöhnlichen Klangerlebnis dies bedeuten würde.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
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Enrico Exner ist Lackiermeister bei Alstom. Der 34-Jährige ist stolz darauf, dass eine so spektakuläre Veranstaltung an seinem Arbeitsplatz stattfindet. "Ich habe mit älteren Kollegen gesprochen, die teilweise seit über 40 Jahren dabei sind, die haben hier so etwas auch noch nicht erlebt", sagt Exner. Für ihn war es selbstverständlich, dass er sich eine Karte für das Konzert "Beethovens Neunte in Stahl und Klang" besorgen würde. Auch wenn das nicht die Musik ist, die er für gewöhnlich hört. Er ist mit seiner Freundin Vanessa Lehr dabei, genauso wie 798 andere Besucherinnen und Besucher in der seit langem ausverkauften Halle.

Beethoven-Konzert in der Lokomotiv-Halle
Alstom-Mitarbeiter Enrico Exner hat seine Freundin Vanessa Lehr mit zu dem Event gebracht. Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

Musik an ungewöhnlichen Orten

Es ist das Eröffnungskonzert der Altmarkfestpiele, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiern. "Wir wollen die Kultur aufs Land bringen", sagt der Initiator und Intendant Reinhard Seehafer. Der international weit herumgekommene Dirigent möchte ein breites Publikum ansprechen, von "Kita-Kindern über Jugendliche bis hin zu Senioren", sagt er. Daher gehört es auch zum Konzept, die Musik an ungewöhnliche Orte zu bringen.

So gehört die Rundballen-Arena in Wittenmoor in diesem Jahr genauso wieder zum Programm wie ein dreitägiges Jazz-Festival Mitte August im Kloster Jerichow. Außerdem gibt es Sommermusik in den Bismarck-Häusern der Altmark und ein Sonnenaufgangskonzert um fünf Uhr morgens auf der "Queen Arendsee".

Seit Wochen und Monaten hat Reinhard Seehafer an der fulminanten Eröffnung mit Beethovens 9. Symphonie gearbeitet. Der Festivalchef hat es sich nicht nehmen lassen, das Konzert selbst zu dirigieren. Mitwirkende sind das Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag und der Dudaryk Chor aus dem ukrainischen Liviv. Dazu kommen Solisten aus Polen, Griechenland, Südafrika und Finnland. Auch die Schauspielerin Friederike Becht ("Schneller als die Angst") ist mit einer Sprechrolle in dem Vorstück "Snörfrid" von Jean Sibelius dabei.

Schauspielerin Friederike Becht steht in weißem Kleid vor einem Orchester.
Schauspielerin Friederike Becht Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

200 Jahre alte Musik mit aktuellem Bezug

Das international besetzte Ensemble unterstreicht die Botschaft Beethovens zur Brüderlichkeit und Verständigung bei seiner 9. Symphonie, findet Festival-Schirmherr Oskar Prinz von Preußen. Da ist der aktuelle Bezug noch wichtiger, als die Tatsache, dass das Stück vor genau 200 Jahren in Wien uraufgeführt worden ist. Es ist die Vertonung der "Ode an die Freude" des Aufklärers Friedrich Schiller, die seit 1985 auch als offizielle Hymne der EU gilt.

Reinhard Seehafer findet den Ort der Aufführung in Stendal in einer Lok-Werkshalle mehr als passend. "Parallel zur Veröffentlichung von Beethovens Symphonie vor 200 Jahren wurde im gleichen Jahr in England die erste Lokomotive gebaut", sagt der Festival-Intendant.

Der Stendaler Alstom-Chef Jörg Neubauer spricht auch nicht nur von Werkshalle. "Das ist eine kathedralenartige Halle, die im Gründungsjahr 1873 entstanden ist und unter Denkmalschutz steht", sagt er. Um das Konzert zu ermöglichen, mussten im Mittelgang der Halle die Lokomotiven weggebracht werden und die Montage-Luken geschlossen werden. "Der Aufwand war noch überschaubar", sagt Neubauer. Für die Atmosphäre stehen dennoch einige Lokomotiven in der riesigen Halle.

Beethoven-Konzert in der Lokomotiv-Halle
Die Besucherinnen und Besucher verließen die ungewöhnliche Konzerthalle zufrieden. Bildrechte: MDR/ Bernd-Volker Brahms

"Beeindruckendes Erlebnis"

Dort, wo ansonsten immer noch großer Produktionslärm herrscht, Gehämmer und das Geräusch von Schweißereigeräten bestimmend sind, da erklangen nun klassische Töne von Beethoven. Und das Experiment ist geglückt. "Wir hatten eine tolle Akustik", sagt Reinhard Seehafer. Und auch viele Besucher sind angetan vom Klangerlebnis in Kombination mit dem Ambiente. "Gerade auch mit der untergehenden Sonne und dem Lichtspiel in der Halle war es ein beeindruckendes Erlebnis", sagt Alstom-Mitarbeiter Enrico Exner.

75 Minuten lang wird die bekannteste Symphonie Beethovens dargeboten. Die Besucherinnen und Besucher danken es mit Standing Ovations - einem minutenlangen Beifall. 

MDR (Bernd-Volker Brahms, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wir wir | 27. Mai 2024 | 09:30 Uhr

1 Kommentar

hilflos vor 8 Wochen

Na da haben sich ja alle gefreut, waren ergriffen und berührt. Besonderer Dank dem Dudaryk Chor aus der Ukraine. Quasi gab man den geladenen Gästen etwas zurück....

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