Queeres Leben CSD in Görlitz und Zgorzelec: 700 Menschen feiern Vielfalt
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28. September 2024, 21:26 Uhr
"Gleiches Recht für Alle": So lautete das Motto des dritten Christopher Street Days (CSD) in Görlitz und Zgorzelec. Mehrere hundert Menschen setzten sich am Sonnabend für Vielfalt, gleiche Rechte und ein sicheres Leben für alle queeren Menschen ein. Das Besondere an diesem CSD: Er führte auch über die Grenze in die polnische Nachbarstadt Zgorzelec. Trotz Gegendemonstration blieb es weitgehend friedlich. Wegen verfassungsfeindlicher Parolen ermittelt aber die Polizei.
In Görlitz und Zgorzelec haben am Sonnabend rund 700 Menschen den Christopher Street Day gefeiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des CSD zogen einem bunten Zug vom Bahnhof durch die Stadt über die Grenze nach Polen und zurück nach Görlitz. Endstation war der Elisabethplatz, wo es am Nachmittag eine Kundgebung und ein Fest gab. Die Menschen forderten beim CSD beiderseits der Grenze gleiche Rechte und ein sicheres Leben für alle queeren Menschen.
Wirtschaftsminister Dulig: "Es wird wieder eingeschüchtert"
Unter den Rednern war auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). "Wir stehen hier für unsere Normalität, für die Normalität, leben und lieben zu können, wie wir wollen", sagte er. Diese Normalität sei inzwischen wieder eine "politische Aufgabe" geworden, denn es habe sich etwas verändert in Deutschland und vor allem in Sachsen: "Es wird wieder eingeschüchtert, es wird Gewalt ausgeübt", sagte der Politiker. Damit solle ein Gefühl der Angst und der Bedrohung erreicht werden "von denjenigen, die uns vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben."
Bürgermeister von Görlitz und Zgorzelec unter Rednern
Auch der Görlitzer Kulturbürgermeister Benedikt Hummel (CDU) und Rafał Gronicz, der Bürgermeister von Zgorzelec hatten jeweils einen kurzen Auftritt auf der Abschlusskundgebung. "Herzlichen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, heute hier zu sein und dieses tolle, fröhliche, dieses bunte Görlitz zu sehen", sagte Hummel. Und Gronicz (Bürgerplattform) sagte zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern: "Ich freue mich, dass ihr die Kraft, den Mut und den Willen habt, zu zeigen, dass die Welt bunt und freundlich sein kann."
Transfrau Georgine Kellermann: CSD Görlitz verbindet zwei Kulturen
Auch die bekannte ehemalige WDR-Journalistin und Transfrau Georgine Kellermann nahm an der Demonstration teil. "Der CSD in Görlitz ist einer der wichtigsten in der Republik, weil er zwei Länder, zwei Städte, zwei Kulturen miteinander verbindet", sagte Kellermann MDR SACHSEN. "Ich hoffe, dass die Menschen, die uns sehen, merken: Bei denen ist die Laune auf jeden Fall besser als bei den anderen", sagte sie Bezug nehmend auf die Gegenproteste.
Demo gibt Einheimischen Mut
Der Görlitzer André Markov nahm zusammen mit seinem Ehemann an der Demo teil. Es sei toll, zu sehen, "wie viele Menschen hier für Diversität auf die Straße gehen", sagte er. Seit drei Jahren lebe er in Görlitz und aufgrund von Wahlergebnissen und rechten Montagsdemos habe er schon darüber nachgedacht, wegzuziehen. Durch den CSD fühle er sich nun aber bestätigt, "dass so viele Menschen anderer Meinung sind und ich nicht mehr mit dem Gedanken spielen muss", sagte er.
"Jeder hat das Recht, zu lieben, wen er möchte", sagte einer andere Teilnehmerin, die Görlitzerin Chiara Schellinger. "Das ist eine total tolle Stimmung hier und jeder möchte einfach nur Spaß haben".
Großes Polizeiaufgebot sicherte CSD ab
Wegen der Gegendemonstration und befürchteten Störungen war die Polizei mit zahlreichen Einsatzkräften der Polizeidirektion Görlitz sowie der Bereitschafts- und Bundespolizei vor Ort. In den sozialen Netzwerken hatten deutsche und polnische Rechtsextremisten dazu aufgerufen, den CSD zu stören.
In Zgorzelec, Polen, erschienen nur wenige Demonstranten zu einer Gegenkundgebung. Die Polizei sorgte für eine Trennung der beiden Gruppen. Auf der deutschen Seite beteiligten sich deutlich mehr Menschen an Gegenprotesten, nach Angaben der Polizei etwa 460. Ein direktes Aufeinandertreffen der beiden Versammlungen wurde verhindert. "Die beiden Aufzüge wurden zeitversetzt auf die Wegstrecke geschickt. Zuerst der CSD und dann der Gegenprotest", erläuterte ein Polizeisprecher.
Allerdings kamen sich beide Gruppen am Ende der beiden Demonstrationen an der Ecke Elisabethstraße, Joliot-Curie-Straße sehr nahe. Getrennt von Einsatzkräften der Polizei standen sich beide Lager längere Zeit gegenüber und riefen Parolen in Richtung der jeweils anderen Seite. Auf der Seite der CSD-Teilnehmer wurden Regenbogenflaggen geschwenkt, auf der Seite der Gegendemonstranten Reichsflaggen sowie Flaggen der Jungen Nationalisten, der Jugendorganisation der Partei "Die Heimat" (ehemals NPD).
Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts auf Volksverhetzung
Laut Polizeidirektion Görlitz kam es während der gesamten Veranstaltung zu keinen Ausschreitungen oder körperlichen Auseinandersetzungen. Allerdings stellten die Beamten bei Anreisenden der Gegendemo sieben Verstöße gegen das Versammlungsgesetz fest sowie zwei Verstöße wegen des Verwendens von verbotenen Kennzeichen auf der Kleidung sowie zwei Volksverhetzungen.
Auf der Gegendemo in Görlitz musste die Polizei nach eigenen Angaben mehrmals eingreifen und Anzeigen aufnehmen, unter anderem weil eine verfassungsfeindliche Parole gerufen wurde. Demnach leiteten die Beamten Strafverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie Volksverhetzung ein. Darüber hinaus stellten die Beamten mehrere Auflagenverstöße sowie die Verwendung einer verfassungswidrigen Geste fest. Die Identitäten der Betroffenen wurden aufgenommen. Für die Aftershow-Party des CSD ist die Polizei am Abend in der Stadt präsent.
Christopher Street Day Der Christopher Street Day findet jedes Jahr in vielen Städten in aller Welt statt und erinnert an Ereignisse am 28. Juni 1969: Polizisten stürmten damals die New Yorker Schwulen- und Lesbenbar "Stonewall Inn" in der Christopher Street und lösten dadurch mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus. Der CSD soll an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen erinnern.
MDR (vis/jw)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 28. September 2024 | 19:00 Uhr