
Pflanzenrebellen Auf Krautschau: Wo sich in Görlitz Schutt-Kresse und Zweizahn verstecken
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24. Mai 2024, 06:00 Uhr
Sie trotzen Autoreifen, Fußgängern oder Fahrrädern: Kleine Wildpflanzen, die sich in den Städten zwischen Pflastersteinen oder an Bordsteinen ansiedeln. Es gibt Hunderte von ihnen, man muss nur genau hinschauen. Die bundesweite Botanik-Aktion "Krautschau" der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung lädt dazu ein, diese verborgene Vielfalt unter unseren Füßen zu entdecken. Zum Beispiel in Görlitz.
Volker Otte kniet auf der Straße, sein Kopf liegt fast auf dem Pflasterstein. Er schaut sich mit seiner Lupe die Blätter eines kleinen Pflänzchens an. "Ja, das ist das Brunnenlebermoos", bestätigt der Biologe. Es wächst mitten in der Altstadt von Görlitz zwischen dem Straßenpflaster. Seine Kollegin Kristin Baber markiert es mit einem Kreidekreis und schreibt den Namen darunter. Die beiden arbeiten beim Senckenberg-Museum für Naturkunde und haben die Botanik-Aktion "Krautschau" für Görlitz organisiert.
500 Wildpflanzenarten in der Stadt
Rund zehn Leute begleiten sie auf ihrer Expedition durch die Stadt, um den sonst unbeachteten Wildpflanzen auf die Spur zu kommen. "An das letzte Tier, was man gesehen hat, erinnert man sich deutlich öfter. An die letzte Pflanze eher weniger" meint Kristin Baber. Die Pflanze nehme man zwar im Hintergrund als Grün wahr, aber ihre Art nicht. Dabei gebe es schätzungsweise rund 500 unterschiedliche Wildpflanzenarten in einer Stadt. Mit der Aktion wolle man das Bewusstsein dafür schärfen, was alles in der Stadt wächst, sagt Biologin Baber.
An das letzte Tier, was man gesehen hat, erinnert man sich deutlich öfter. An die letzte Pflanze eher weniger.
Teilnehmer von Vielfalt überrascht
Buchstäblich auf Schritt und Tritt entdecken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer neue Pflanzen unter ihren Füßen oder an alten Mauern: Das schöne Mauerzimbelkraut mit seinen kleinen blauen Blüten, die unscheinbare Schutt-Kresse oder das Sumpf-Ruhrkraut. Alles wird mit Kreide markiert und der Name dazugeschrieben.
Susanne Krause, die mit ihrem Mann und den beiden Kindern an der "Krautschau" teilnimmt, ist von der Pflanzenvielfalt überrascht: "Man schaut ja normalerweise gar nicht so auf die Straße, was dort alles wächst." Nach dem zweistündigen Spaziergang durch die Altstadt hat die kleine Gruppe fast 70 Wildpflanzen entdeckt.
Vorteil unterschiedlicher Strukturen
Für Volker Otte ist das keine Überraschung. In der Stadt gebe es nicht weniger Arten als in der freien Natur. "Städte sind besonders artenreich." Zumindest, wenn man auf Landschaften mit großen Feldern oder Kiefernplantagen schaue. Das seien großflächige Gebiete mit wenig Abwechslung. In der Stadt dagegen gebe es viele unterschiedliche Strukturen, Gesteine oder alte Mauern. Diese kleinen Ökosysteme seien die Voraussetzung für Artenvielfalt.
Pflanzen bringen Abkühlung
Die kleinen, zähen Pflanzenrebellen in den Pflasterfugen seien darüber hinaus auch wichtig für das Stadtklima, erklärt Kristin Baber. "Es bleibt durch die Feuchtigkeit, die sich durch die Pflanzen in den Pflasterritzen hält, kühler. Sie bringen durch die Verdunstung eine gewisse Abkühlung." Das könne durchaus ein paar Grad ausmachen, diesen Effekt hätten Studien bereits belegt. Deshalb sei es so wichtig, die kleinen Wildpflanzen einfach mal stehen zu lassen und genauer hinzuschauen.
Nächste Krautschau in Görlitz: 19. September 2024 | 16 Uhr
Treffpunkt: Parkplatz "Innenstadt/Chr.-Lüders-Straße"
Dauer: 2 Stunden
Die Krautschau-Exkursion ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 23. Mai 2024 | 16:30 Uhr
Maria A. vor 43 Wochen
Bei aller Verzückung über diese Pflanzenvielfalt - jeder Privatgrundstücksbesitzer plagt sich jedes Jahr mehr oder weniger verbissen ab, um auf Einfahrten und Gehwegflächen die Fugen wenigstens zeitweise unkrautfrei zu bekommen...