Mögliche Schließung des Werkes IG Metall: Waggonbau Niesky muss erhalten bleiben

07. Februar 2023, 12:53 Uhr

Der Waggonbau Niesky ist der letzte Produktionsstandort für Güterzüge in Deutschland. Doch das Unternehmen der slowakischen Tatravagonka-Gruppe hat offenbar kein Interesse mehr an dem Standort in der sächsischen Kleinstadt. Die IG Metall Ostsachen appelliert jetzt an die Politik, den Standort aus strategischen Gründen zu erhalten. Ist die Schließung noch aufzuhalten?

Peter Jurke wird am Nachmittag wieder vor einer Feuertonne stehen, zur Mahnwache am Werkstor des Waggonbauers Niesky. Der Betriebsratsvorsitzende und die Beschäftigten protestieren schon zum 13. Mal. Sie sehen das Waggonwerk in Gefahr.

Seit Monaten laufe Auftrag für Auftrag aus – ohne, dass sich Neues abzeichnen würde, bedauert Jurke: "Die Befürchtung ist ganz eindeutig, dass dieser Standort ausblutet. Dass im Prinzip die Projekte jetzt noch zu Ende gefertigt werden und dann wie auch immer der Standort geschlossen wird oder im schlimmsten Fall der Waggonbau Niesky von der Landkarte verschwinden könnte." Das wollen die Beschäftigten laut Jurle mit aller Macht verhindern.

Wichtige Rolle des Schienenfahrzeugbaus für Deutschland

Doch ob das gelingt, ist unklar. Den deutschen Waggonbauern geht es schon seit Jahren nur mäßig. Hersteller in Osteuropa und Asien fertigen Güterwagen, aber auch Züge und Straßenbahnen häufig billiger als die Deutschen.

Trotzdem sieht Eileen Müller von der IG Metall Ostsachsen für die Branche eine Zukunft. Auch für den Standort Niesky: "Der Waggonbau Niesky ist im Prinzip der letzte Güterwagenhersteller Deutschlands. Es ist am Ende eine politisch-strategische Entscheidung, ob man in Deutschland weiterhin Güterwagen herstellen möchte oder nicht", sagt Müller.

Müller argumentiert, Deutschland wolle mehr Güter auf die Schiene bringen. Dann sei es auch sinnvoll, entsprechende Waggons selbst herzustellen. Die Deutsche Bahn als Staatskonzern dürfe halt nur nicht immer beim billigsten Hersteller einkaufen: "Ich glaube, wir sollten anfangen, aus unseren Fehlern zu lernen. Bestes Beispiel ist die Solarindustrie, wo man auch gedacht hat: Eigentlich brauchen wir das in Deutschland nicht und jetzt rennen wir der Technologie hinterher. Gerade Güterwagen, Schienenfahrzeugbau ist für mich eine Schlüsselindustrie. Da sollten wir extrem darauf achten, dass wir die auch in Deutschland fertigen", findet Müller.

Keine Rückmeldung des Eigentümers

Die Beschäftigten in Niesky haben ein Zukunftskonzept geschrieben. Sie haben es dem Eigentümer Tatravagonka in die Slowakei geschickt. Doch seit Monaten bekommen sie nur Schweigen.

Inzwischen hat sich Sachsens Landesregierung eingeschaltet. Die Staatskanzlei schreibt, sie nutze alle Möglichkeiten, um zu einer Lösung zu kommen. Doch wird das helfen? Nieskys Bürgermeisterin Kathrin Uhlemann findet es richtig, hartnäckig zu bleiben. Zugleich, sagt sie, müsse man realistisch sein: "Möglicherweise so prioritär, wie wir das sehen, mögen es die Eigentümer aktuell eben nicht sehen. Deswegen plädiere ich dafür, dass wir auch frühzeitig darüber nachdenken, welche weiteren Entwicklungsoptionen wir hier verfolgen können."

Betriebsrat Jurke glaubt dagegen noch fest an den Wiederaufstieg des Waggonbaus. Er findet, eigentlich passe Niesky doch gut zu dem slowakischen Eigentümer Tatravagonka: "Wir reden hier immerhin von einem der Marktführer Europas und der Waggonbau Niesky könnte von seiner Größe wirklich die Spezialgüterwagen für diese Gruppe herstellen."

Allerdings müsste es dafür schnell Gespräche geben. Für einen Teil der Beschäftigten läuft im April die Kurzarbeit aus. Dutzende haben die Firma wegen fehlender Perspektive bereits freiwillig verlassen. Für eine Rettung läuft die Zeit davon.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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