Ein Dekontaminationsplatz auf einer Straße
Nach einem Einsatz vor drei Wochen musste ein Haus auf dem Chemnitzer Kaßberg am Donnerstag erneut wegen gefährlicher Chemikalien evakuiert werden. Bildrechte: Harry Härtel/haertelpressch

Feuerwehreinsatz Nach Chemikalien-Fund können Mieter in Chemnitz zurück in ihre Wohnungen

15. Dezember 2023, 11:28 Uhr

Déjà-vu in Chemnitz: Drei Wochen nach einem Chemikalienfund in einer Wohnung auf dem Kaßberg hat es am Donnerstag und Freitag einen ähnlichen Einsatz in denselben Räumen gegeben. Polizisten hatten zuvor in der Wohnung in mehreren Verstecken neue Chemikalien entdeckt. Experten stuften sie als explosiv ein. Trotz Sprengungen der Substanzen gab die Polizei lange Zeit keine Entwarnung. Am Freitagvormittag durften die Anwohnenden in ihre Wohnungen zurück.

Nach der Evakuierung von drei Häusern auf dem Chemnitzer Kaßberg konnten die betroffenen Anwohner am späten Freitagvormittag zurück in ihre Wohnungen. Das teilte die Polizei mit. Der Polizeieinsatz wegen des Fundes gefährlicher Chemikalien konnte danach beendet werden. Nachdem bis Freitagmorgen die Wohnung und der Dachboden komplett beräumt wurden, ist im Laufe des Vormittags auch der Keller des Mehrfamilienhauses ausgeräumt worden. Dabei wurden nach Polizeiangaben keine weiteren Chemikalien entdeckt.

Fünf Kilogramm Ammoniumnitrat in Wohnung

In der Nacht waren in einem der Räume nochmals rund fünf Kilogramm einer explosionsgefährlichen Substanz aufgefunden worden. Dabei handelte es sich laut Polizei um Ammoniumnitrat. Noch vor dem Morgengrauen hätten die Spezialkräfte entschieden, die Substanzen abzutransportieren und auf das Gelände der sächsischen Bereitschaftspolizei im Ortsteil Hilbersdorf zu bringen. Dort wurde das Ammoniumnitrat gesprengt.

Was ist Ammoniumnitra? (zum Aufklappen)

  • -Ammoniumnitrat ist ein farbloser, kristalliner Stoff, ein Salz, das sich recht preisgünstig aus Ammoniak und Salpetersäure herstellen lässt.
  • Aus Ammoniumnitrat werden Düngemittel und Sprengstoff hergestellt.
  • In Deutschland etwa fällt die Verwendung des Stoffes unter das Sprengstoffgesetz. Damit darf der Stoff wegen seiner latenten Gefährlichkeit in Düngemitteln inzwischen in Deutschland nur noch gemischt mit harmlosen Stoffen wie Kalk verwendet werden.
  • Ammoniumnitrat ist ein mittelstarker Sprengstoff: Es detoniert rund viermal stärker als Schwarzpulver. Allerdings detoniert TNT rund 2,5 Mal stärker als Ammoniumnitrat. 2020 verursachte ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagertes Ammoniumnitrat im Hafen der libanesischen Stadt Beirut eine verheerende Explosion.
  • Ammoniumnitrat schmilzt bei knapp 170 Grad Celsius. Ab dieser Temperatur zerfällt es zu Wasser und Lachgas.
  • Bei Temperaturen über 300 Grad Celsius oder einer starken Initialzündung detoniert Ammoniumnitrat. Die Abbrandgeschwindigkeit bei der Detonation von Ammoniumnitrat liegt bei 2.500 Meter je Sekunde.

Zwei Sprengungen am späten Donnerstagabend

Nachdem am Donnerstag in einer Wohnung auf dem Kaßberg in Chemnitz erneut gefährliche Chemikalien gefunden wurden, führte die Polizei am Abend gezielte Sprengungen durch. Spezialisten des Landeskriminalamtes hätten in Abstimmung mit der Chemnitzer Feuerwehr entschieden, die Substanzen gezielt im Hinterhof des Mehrfamilienhauses in der Andréstraße zu sprengen. Die Sprengungen wurden den Angaben zufolge gegen 20 Uhr sowie 20:35 Uhr durchgeführt. Zuvor seien die Anwohner per Lautsprecher gewarnt worden.

ABC- Einsatz der Feuerwehr Chemnitz am Kaßberg
Obwohl in der Nacht gezielte Sprengungen durchgeführt wurden, durften die Mieter erst am Freitagvormittag zurück in ihre Wohnungen. Bildrechte: Harry Härtel/haertelpress

Chemikalien in Blumentöpfen und Schränken versteckt

Drei Wochen nach dem ersten Einsatz, bei dem ebenfalls Anwohner in Sicherheit gebracht und Chemikalien gesprengt wurden, sollte die Wohnung auf dem Kaßberg eigentlich nur final beräumt werden. Dabei entdeckten die Einsatzkräfte jedoch in mehreren Verstecken zunächst unklare Chemikalien, unter anderem unter Blumentöpfen oder "versteckten Schränken innerhalb von Schränken". Laut einem Polizeisprecher war auch viel Müll in der Wohnung, "fast wie bei einem Messie", was die Suche erschwert habe.

Polizei: Keine Hinweise auf geplante Anschläge

Spezialisten des Landeskriminalamtes Sachsen untersuchten die Stoffe. Dabei habe sich der Verdacht bestätigt, dass es sich um "explosionsgefährliche Chemikalien-Gemische" handelte. Wie genau diese zusammengesetzt waren, konnte die Polizei nicht ermitteln.

Der Hintergrund ist nach Polizeiangaben noch unklar, auch weil der Mieter, in dessen Wohnung die Chemikalien gefunden wurden, verstorben ist. "Er hat sich niemandem anvertraut und wir können den Mann nicht mehr befragen", so ein Polizeisprecher. Es gebe aber keinerlei Hinweise auf einen geplanten Anschlag oder terroristischen Hintergrund.

Toter in Wohnung gefunden

Mitte November war in der Wohnung auf dem Chemnitzer Kaßberg ein 70 Jahre alter Mann tot aufgefunden worden. Hinweise auf Fremdeinwirkung gab es laut Polizei nicht. Allerdings wurden große Mengen Chemikalien, darunter explosive Stoffe, gefunden. Das Haus sowie umliegende Häuser wurden damals bereits evakuiert. Die ersten Funde der explosiven Bestände der Chemikalien wurden im November in drei kontrollierten Sprengungen vernichtet.

MDR (ali/nki/sth)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 15. Dezember 2023 | 08:30 Uhr

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