Erneuter Prozess Doch kein Sex mit Gefangener: Freispruch für JVA-Beamten in Chemnitz

26. Juli 2023, 12:55 Uhr

Im vergangenen Jahr soll ein Justizbeamter im Chemnitzer Frauengefängnis eine Inhaftierte sexuell missbraucht haben. Doch der Vorwurf wurde vom angeblichen Opfer vor Gericht nicht wiederholt. Sie habe die Aussage gemacht, weil sie sich unter Druck gefühlt hatte.

Ein Justizbeamter ist vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Inhaftierten im Chemnitzer Gefängnis freigesprochen worden. Die Tatvorwürfe seien nicht nachzuweisen gewesen, begründete der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Chemnitz, Thomas Kaiser, die Entscheidung. Zuvor hatte das angebliche Opfer seine belastende Aussage zurückgezogen. Laut Anklage hatte der 53-Jährige im März 2022 die Gefangene aufgefordert, sich zu entkleiden und Oralsex mit ihm zu haben.

Angebliches Opfer zieht Aussage zurück

Zwischen dem Angeklagten und ihr habe sich im Verlauf der Haft eine freundschaftliche Beziehung entwickelt, sagte die 52-Jährige am Mittwoch im Zeugenstand. Mit der Zeit habe man sich über WhatsApp intimere Nachrichten geschrieben. Mehr als eine einmalige Umarmung und einen Wangenkuss habe es aber nie gegeben.

Sie habe sich von zwei Sicherheitsbediensteten unter Druck gesetzt gefühlt. Diese hatten von Gerüchten über eine angebliche Beziehung des Angeklagten mit der Inhaftierten gehört. Aus Angst, die wenige Wochen später anstehende Haftentlassung zu gefährden, habe sie die belastende Aussage gemacht, betonte die 52-Jährige. "Ich hatte das Gefühl, dass die Bediensteten mehr hören wollten und ich hatte Angst, dass mir sonst Vergünstigungen gestrichen werden."

JVA Chemnitz, Blick durch Gitter
Im Chemnitzer Frauengefängnis soll ein JVA-Beamter eine Inhaftierte sexuell missbraucht haben. Doch der Vorwurf wurde von der Frau zurückgenommen. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Dies glaubte das Gericht. "Erst als sie auf freiem Fuß, also in Sicherheit war, hat sie ihre Aussage korrigiert", betonte Richter Kaiser. Dass sie ihre vorherigen Angaben unter Druck und Angst gemacht hatte, sei nachvollziehbar.

Sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft hatten einen Freispruch beantragt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Der Rechtsanwalt des Angeklagten forderte im Anschluss an die Verhandlung, dass nun das Verhalten der beiden Sicherheitsleute aufgeklärt werden müsse. Schließlich seien die Folgen für seinen seit dem Vorwurf suspendierten Mandanten erheblich gewesen.

Der Angeklagte hatte den Gerichtsangaben zufolge die Kontakte mit der Frau sowie Umarmungen und Küsse vor Gericht zugegeben. Die anderen Vorwürfe habe er abgestritten. Der Mann war von Januar 2022 bis April 2022 als Sicherheitstechniker in der JVA Chemnitz tätig.

Sexuelle Vorfälle bereits vor zehn Jahren

Bereits 2013 war es im Frauengefängnis Chemnitz zwischen einem JVA-Beamten und einer Insassin zu sexuellem Kontakt gekommen. Die beiden trafen sich außerhalb der Gefängnismauern, um Sex zu haben. Die Frau war dabei schwanger geworden. Als Konsequenz kündigte das Justizministerium damals an, die Zahl der Männer in der Einrichtung schrittweise zu reduzieren. 73 der 136 Bediensteten in der JVA Chemnitz waren zu dieser Zeit Männer. Zum Stichtag 1. April 2023 haben laut Justizministerium 192 Bedienstete in der Chemnitzer JVA gearbeitet, davon 68 Männer.

MDR (phb/lam/kbe)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 26. Juli 2023 | 07:30 Uhr

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