Ein Gedenkstein und eine Gedenktafel unter Bäumen am Ort des ehemaligen KZ bei Penig.
Am Rande des Reitplatzes von Langenleuba-Oberhain erinnern ein Gedenkstein und eine Informationstafel an den Standort des KZ-Außenlagers Penig. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Geschichte Penig: Erinnerung an ein KZ, über das kein Gras wachsen soll

31. Oktober 2023, 16:34 Uhr

Auschwitz, Dachau, Buchenwald – es sind oft diese Namen, die bei der Beschäftigung mit Nazi-Konzentrationslagern vorkommen. Doch auch andernorts, an der heutigen Grenze zwischen Sachsen und Thüringen gelegen, wurden Arbeits- und Vernichtungslager errichtet. In Penig hat ein Verein die Geschichte des KZ-Außenlagers erforscht. Mit seiner Arbeit will der Verein die Schicksale von rund 700 Frauen sichtbar machen, die hier zur Zwangsarbeit gezwungen wurden.

Ein Gedenkstein am Rand des Reitplatzes von Langenleuba-Oberhain bei Penig erinnert an das KZ-Außenlager, das sich hier vor 78 Jahren befunden hat. Die schlichte Inschrift lautet: "Die Opfer mahnen - Außenstelle des KZ Buchenwald 1944 - 1945". Der Gedenkort ist gepflegt, erzählt aber nichts über die Geschichte der Opfer.

Verein will Opfern ihr Gesicht zurückgeben

Der Verein "Gesicht zeigen - Netzwerk für demokratisches Handeln" kümmert sich seit zehn Jahren genau darum. Mehr als 700 jüdische Frauen aus Ungarn waren hier eingepfercht und mussten 1945 im vier Kilometer entfernten "Max-Gehrt-Werk" Flugzeugkleinteile für die Junkers-Werke produzieren.

Nach Recherchen des Vereins überlebten 43 Mädchen und Frauen die unmenschliche Behandlung nicht. Vierzehn von ihnen, die im Lager verscharrt wurden, erhielten später eine Ruhestätte auf dem nahegelegenen Friedhof von Langenleuba-Oberhain. Dort haben die Vereinsmitglieder eine Gedenktafel mit den Namen der Ermordeten Frauen aufgestellt. Zehn konnten sie recherchieren.

Ein Gedenkstein und eine Gedenktafel für ermordete jüdische Frauen auf dem Friedhof Langenleuba-Oberhain.
Zehn der in Penig ermordeten jüdischen Frauen konnte durch Recherchen des Vereins ein kleines Stück Identität zurückgegeben werden. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Die Frauen sollten nicht namenlos bleiben, sagt Jan Sobe, einer der Vereinsgründer. "Ringo Gründel betreibt diese detaillierte Forschungsarbeit hauptsächlich. Unser Anliegen ist es dabei auch, gemäß unserer Namensgebung 'Gesicht zeigen', diesen Frauen ihr Gesicht wiederzugeben."

Jedes Schicksal erzählt von einem ganzen Leben

Man wolle mit der Forschungsarbeit zeigen, dass sie nicht nur Jüdinnen und Zwangsarbeiterinnen waren. "Wir wollen zeigen, dass diese Frauen ein Leben vor dem zweiten Weltkrieg hatten und die meisten von ihnen auch ein Leben danach. Sie hatten Eltern, Ehepartner, Kinder, sie haben Berufe erlernt."

Jan Sobe und Ringo Gründel von der Initiative "Gesicht zeigen" Penig.
Jan Sobe (links) betont, dass die aufwendige Recherche zu den Schicksalen der jüdischen Zwangsarbeiterinnen in den Händen von Ringo Gründel (rechts) gelegen hat. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Bisher sei es gelungen, 630 der 700 Frauen in Archiven, Stammbäumen und anderen Quellen ausfindig zu machen. Von einigen sind ganze Biografien bekannt, die der Verein auf seiner Webseite öffentlich zugänglich macht. Sobe will damit eine andere Art der Erinnerung möglich machen. "Wir haben den Eindruck, wenn es um den Holocaust geht, wird oftmals eine homogene Opfergruppe gezeigt." Man müsse aufpassen, die nationalsozialistische Ideologie nicht zu reproduzieren, indem man immer nur Bilder von kahlrasierten, abgemagerten Häftlingen in Häftlingskleidung zeige. "Da fällt es schwer, Emphatie aufzubauen. Daher ist es uns wichtig, sie als ganz normale Menschen zu zeigen."

Erinnerungsarbeit soll fortgeführt werden

"Wir wollen mit unserer Arbeit weiterhin ins öffentliche Bewusstsein rücken, dass es dieses Lager überhaupt gegeben hat", sagt Sobe. Damit zeige man auch, dass sich das nationalsozialistische Lagersystem nicht auf große Lager wie Buchenwald, Dachau oder Auschwitz beschränkt habe.

Eine Gedenktafel an einer Industriebrache in Penig mit einem alten Silo im Hintergrund.
Der Verein hat eine Informationstafel am Standort des mittlerweile abgerissenen "Max-Gehrt-Werkes" aufgestellt. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Nach der bereits veröffentlichten Broschüre zu den Schicksalen der Frauen und Informationstafeln am Standort des Lagers und der "Max-Gehrt-Werke" sind noch weitere Projekte geplant. "Wir hoffen, dass sich vielleicht neue Mitstreiter finden. Wir wollen eine Wanderausstellung entwickeln, die an öffentlichen Plätzen der Region gezeigt werden kann." Gleichzeitig könne er sich vorstellen, noch mehr Aufklärungs- und Bildungsarbeit zum Thema Rassismus anzubieten. "Das können dann Projekttage an Schulen oder Workshops sein." Auch über eine Neuauflage der mittlerweile vergriffenen Broschüre über das Lager bei Penig denke man nach.

MDR (tfr)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 01. November 2023 | 09:30 Uhr

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