Blick auf den Dresdner Zwinger über eine grüne Wiese hinweg.
Das belgische Königspaar besucht in Dresden die Gemäldegalerie Alte Meister. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Staatsbesuch Königspaar in Dresden: Belgische Kunstschätze in Dresdner Galerien

Andreas Höll, MDR Kulturdesk

07. Dezember 2023, 04:00 Uhr

Royaler Glanz in Elbflorenz: Die belgische Königin Mathilde und König Philippe sind am Donnerstag im Rahmen ihres Staatsbesuchs auch in Dresden zu Gast. Dort werden sie nicht nur die Frauenkirche und den historischen Weihnachtsmarkt, sondern auch die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden besuchen. Anlass genug für einen Rundgang durch die Galerien Alte und Neue Meister, um Kunstschätze aus dem Heimatland des Königspaars vorzustellen – von Jan van Eyck bis Luc Tuymans.

Belgische Kunst gibt es streng genommen erst ab der Staatsgründung 1830, doch auf dem heutigen Staatsgebiet Belgiens haben bereits in den Jahrhunderten zuvor legendäre Künstler gelebt und gearbeitet, die auch heute noch in aller Munde sind. Wie etwa der Maler Jan van Eyck, der im 15. Jahrhundert den berühmten Genter Altar geschaffen hat. Aber auch in der Dresdner Gemäldegalerie gibt es ein sakrales Meisterwerk des Künstlers, das Kunstgeschichte geschrieben hat.

Jan van Eycks Reisealtärchen für die private Andacht

Es ist das Triptychon der Maria mit Kind, dem Heiligen Georg und der Heiligen Katharina, das er 1437 vollendet hat. Charakteristisch für seine damals neuartige Kunst sind die miniaturhaften, äußerst realitätsnahen Schilderungen der Details sowie die leuchtende Farbigkeit. Obwohl es sich dabei um einen Altar im Kleinformat handelt, gehört er dennoch zu den Hauptwerken von Jan van Eyck.

Triptychon mit Maria und dem Kind, der heiligen Katharina und dem Erzengel Michael mit Stifter
Das Triptychon der Maria mit Kind, dem Heiligen Georg und der Heiligen Katharina gehört zu den Hauptwerken von Jan van Eyck. Bildrechte: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Uta Neidhardt, Oberkonservatorin der Galerie Alte Meister, hat diese Dresdner Ikone so gründlich erforscht, dass ihre Expertise längst auch in Belgien gefragt ist, wo sie als Mitglied einer internationalen Sachverständigenkommission die Konservatoren bei der Restaurierung des Genter Altars berät.

"Der Heilige Hieronymus" von Peter Paul Rubens

Ein weiterer Superstar aus dem Gebiet des heutigen Belgiens ist kein Geringerer als Peter Paul Rubens. Ihm ist in der Galerie Alte Meister ein eigener Saal gewidmet, zu dessen Höhepunkten auch sein um 1612/15 geschaffenes Gemälde von dem christlichen Einsiedler in der Wüste zählt, der einem verwundeten Löwen Hilfe leistet. Vorbild für die halbnackte Männerfigur war eine Hieronymus-Darstellung, die Rubens in Venedig gesehen hatte. Für den schlafenden Löwen orientierte er sich an antiken Vorbildern, griff dabei aber auch auf eigene Zeichnungen nach lebenden Tieren zurück. 

Gemälde Der Heilige Hieronymus, darauf zu sehen ist ein alter Mann, bekleidet mit einem roten Tuch, vor ihm liegt ein Löwe
"Der Heilige Hieronymus" von Peter Paul Rubens, dem Künstler ist in der Galerie Alte Meister in Dresden ein eigener Raum gewidmet. Bildrechte: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Eine Gasexplosion und die Folgen – Constantin Meunier

Zu den Dresdner Kunstschätzen des 19. Jahrhunderts zählt ohne Zweifel die eindrucksvolle Gipsskulptur des belgischen Bildhauers Constantin Meunier, die von 1888 bis 1890 entstand. Nach drei Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Maler hatte er erst im Alter von über 50 Jahren zur Bildhauerei, mit der ursprünglich begonnen hatte, zurückgefunden. Sein großes Verdienst war es dabei, dass er das Thema des arbeitenden Menschen in der zeitgenössischen Bildhauerei verortete, sagt Astrid Nielsen, Konservatorin der Skulpturensammlung im Albertinum.

Skulptur Das Grubengas
Die Gipsskulptur "Das Grubengas" von Constantin Meunier entstand zwischen 1888 und 1890. Bildrechte: SKD/Albertinum/SKS

Die Skulptur "Das Grubengas" gehört zu den frühen Werken, das von einer Gasexplosion im belgischen Steinkohlenrevier Borinage inspiriert wurde, bei dem mehr als 100 Arbeiter zu Tode kamen. Meunier begab sich selbst vor Ort, erlebte die Folgen der Katastrophe und schuf die Darstellung einer trauernden Mutter, die sich über den nackten, nur mit einem Lendentuch bedeckten Leichnam ihres Sohns beugt. So folgt er auch dem klassischen Motiv einer christlichen Beweinungsgruppe, die Schmerz und Trauer zum Ausdruck bringt.

Ein Fest der Malerei – James Ensors "Stillleben mit Rotkohl"

Zur selben Zeit wie Constantin Meunier schuf der belgische Maler James Ensor sein grandioses "Stilleben mit Rotkohl". Ausgehend von Realismus und Impressionismus spürte er den Lichtphänomenen nach und ließ sich auch dabei von den Gemüsestillleben der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts inspirieren. Mit vehementen Pinselstrichen feiert der Künstler in leuchtendem Grün und glimmendem dunklem Rot sein unverwechselbares Fest der Malerei.

Stillleben mit Rotkohl
James Ensors "Stilleben mit Rotkohl" ist ein Fest der Malerei. Bildrechte: SKD/Albertinum/Galerie Neue Meister

Erworben wurde diese Arbeit 1926 auf der Internationalen Kunstausstellung Dresden, als man versuchte, die internationale Isolierung im Gefolge der deutschen Kriegsschuldfrage zu durchbrechen. Um so bemerkenswerter, so die Oberkonservatorin der Staatlichen Kunstsammlungen Birgit Dalbajewa, dass dieser kapitale Kauf zu Zeiten der krisengeschüttelten Weimarer Republik überhaupt zustande kam.

Hitlers Helfer – Luc Tuymans‘ Gemälde "Der Architekt"

Die Zeitgeschichte ist, auf unterschiedlichste Art und Weise, vielen Erwerbungen eingeschrieben. Zum Beispiel auch bei dem 1997/1998 entstandenen Gemälde "Der Architekt" des renommierten belgischen Künstlers Luc Tuymans. Es ist eine reduzierte Winterlandschaft in Weißtönen. Im Mittelpunkt ein gestürzter Skifahrer, der im Schnee sitzt. Angeregt wurde dieses vieldeutige Bild von einem historischen Privatfoto, das Hitlers Leibarchitekt Albert Speer im Skiurlaub zeigt.

Ein Bild mit einem Skifahrer der gefallen ist
Luc Tuymans‘ Gemälde "Der Architekt" verweist auf die NS-Zeit. Bildrechte: Luc Tuymans/Elke Estel/Hans-Peter Klut

Zu dieser Zeit war er indessen als einer der engsten Vertrauten des "Führers" an der "Endlösung der Judenfrage" beteiligt, wie der Kurator Mathias Wagner von den Staatlichen Kunstsammlungen betont. Für den Museumsmann verkörpert das Bild deshalb auch jene "Banalität des Bösen", mit der Hannah Arendt so treffend das Wesen des Nationalsozialismus beschrieben hat.

Von der Gemäldegalerie zum Albertinum: Man kann eine faszinierende Zeitreise durch sechs Jahrhunderte machen, wenn man sich auf die Spuren der belgischen Kunstgeschichte begibt. Und zwar auch dann, wenn das belgische Königspaar längst wieder weg ist.

Quellen: MDR KULTUR (Andreas Höll)
Redaktionelle Bearbeitung: lig

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Bildrechte: Marcel Odenbach, Schenkung Sammlung Hoffmann, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Courtesy Marcel Odenbach & Galerie Gisela Capitain, Köln; Georg Herold, Schenkung Sammlung Hoffmann, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Janet Grau, Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Förderankauf der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, 2005, VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Oliver Killig

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 07. Dezember 2023 | 08:40 Uhr

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