
Kursangebot in Dresden Zurückhalten statt reinreden: Tipps für werdende Großeltern
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01. Juni 2024, 11:30 Uhr
Für junge Eltern gibt es massenweise Ratgeber, Literatur, Kurse, Chatgruppen, Foren - dazu noch die gut gemeinten Ratschläge der eigenen Eltern. Sie geben ihre Erfahrungen nur zu gern weiter, auch ungefragt. Doch sind die damaligen Methoden und Verhaltensweisen noch up to date? Viele junge Eltern bezweifeln das und Experten geben ihnen teilweise recht. Das Gesundheitsamt und die Volkshochschule in Dresden bieten deshalb erstmals einen Kurs für werdende Großeltern an.
- Elf Teilnehmer sind zum ersten Kurs für werdende Großeltern in die Volkshochschule Dresden gekommen.
- Den Teilnehmern werden spielerisch Verhaltensfehler gezeigt und neues Wissen vermittelt.
- Dank vieler Tipps fühlen sich die künftigen Großeltern gut vorbereitet.
Zur Premiere haben elf werdende Großeltern den Weg ins Volkshochschulgebäude in der Dresdner Innenstadt gefunden - nicht alle von allein. Solveig und Frank Wünsche zum Beispiel werden bald zum ersten Mal Großeltern. Sie wurden von Sohn und Schwiegertochter zur Kursteilnahme animiert. Lydia Lethaus und ihr Mann haben zwar schon ein Enkelkind, aber nun hat sich Zwillingsnachwuchs angekündigt. Deshalb wollen sie sich auf den aktuellen Stand bringen - auf Wunsch der Schwiegertochter.
Von angestupst bis heimlich
Werner Junghans und seine Frau sind dagegen ganz von allein auf den Kurs aufmerksam geworden. Den Enkeln haben sie nichts gesagt. Den Enkeln? Ja, die beiden Senioren werden schon Urgroßeltern. Als die Enkel zur Welt kamen, hätten sie nicht viel von ihnen gehabt, erzählt Werner Junghans. Er und seine Frau seien damals noch berufstätig gewesen. Jetzt aber haben sie als Rentner genug Zeit und wollen das Versäumte mit dem Urenkelkind nachholen.
Wie man es definitiv nicht machen sollte
Was ihnen und den werdenden Eltern diesen Genuss verderben könnte, zeigen die drei Kursleiterinnen zu Beginn in einem Rollenspiel. Kinderärztin Elke Siegert - selbst bereits Oma - und die Hebammen Ramona Blümel und Kristin May-Stolle spielen eine typische Alltagsszene: Oma besucht die junge Mutter und lässt ihrem Mitteilungsdrang freien Lauf: "Schläft der kleine Felix denn mit sechs Monaten durch? Du hast ja schon mit drei Monaten in deinem Bett gelegen und durchgeschlafen! Wie sieht es mit dem Stillen aus? Habt Ihr schon einen regelmäßigen Rhythmus gefunden? Und warum haltet Ihr das Kind denn immer in Bewegung? Das lernt ja gar nicht, allein einzuschlafen, wenn du es ständig trägst und schaukelst!"
Keine Vorschriften machen
So ein Verhalten kann junge Eltern ganz schön Nerven kosten und auch Abwehrreaktionen auslösen. Da ist Zurückhaltung angesagt, erklären die Kursleiterinnen. Und sie vermitteln den Teilnehmern auch gleich, dass ein fester Stillrhythmus nicht mehr zeitgemäß ist, nicht jedes Baby frühzeitig durchschläft, dass Kinder "Traglinge" sind, aber auch gern einmal von einem sicheren Liegeort aus ihre Umwelt beobachten.
Neue Kinder, neue Zeiten, neues Wissen
Die Zeiten haben sich geändert und auch die kleinen Kinder sind heute anders als früher, weiß Hebamme Ramona Blümel: Sie sind wacher und wissbegieriger, schlafen nicht mehr so viel. Die Auffassung, dass Schreien die Lunge kräftige und dazu beitrage, dass Kinder schneller selbstständig würden, gelte heutzutage als völlig überholt. Bei der Ernährung gebe es auch neue Erkenntnisse - Essen und Trinken wird deshalb anders gehandhabt als früher.
Und so bekommen die künftigen Großeltern Tipps und neues Wissen vermittelt, welche Hilfe ihre Kinder und Enkelkinder von ihnen erwarten und wie sie beiden am besten zur Seite stehen - oder besser noch: wie sie ein wenig im Hintergrund, aber stets hilfsbereit sein können. Ramona Blümel weiß, dass viele Eltern sagen: "Wir hätten gern mehr die Großeltern, aber weniger Tipps, sondern praktische Unterstützung."
Man lernt nie aus
Nach gut anderthalb Stunden dann das Fazit: Bald-Uropa Junghans ist restlos begeistert und staunt, wie groß die Unterschiede zu früher sind. Am liebsten würde er die Zeit zurückdrehen und mit dem Wissen von heute nochmal als Vater anfangen. Lydia Lethaus nimmt als Erkenntnis mit, dass die jungen Eltern nicht bedrängt werden wollen und vieles einfach selbst herausfinden müssen und sollen. Sie will sich im Gegensatz zum ersten Enkelkind diesmal zurückhalten, nach den Wünschen der Eltern richten und dann helfen, wenn sie beim Zwillingsnachwuchs an ihre Grenzen kommen und um Unterstützung bitten sollten. Frank Wünsche grübelt bereits, wie er den Spagat zwischen gar nichts sagen und den jungen Eltern reinreden hinbekommen soll.
Alle eint, dass sie viel gelernt haben, sich jetzt noch mehr auf das (Ur-)Großelternsein freuen und anderen den Kurs uneingeschränkt empfehlen. Der soll das nächste Mal im November stattfinden.
MDR (stt)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 29. Mai 2024 | 19:00 Uhr