Eine Kündigung für Arbeitsplatz oder Abonnement in deutscher Sprache
Zum 28. Februar 2023 war sechs Mietparteien eines Mehrfamilienhauses in Dresden gekündigt worden. Es sollte abgerissen und neu gebaut werden. Doch acht Monate später sieht die Lage anders aus. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / INSADCO

Wohnungsmarkt Wohnungen gekündigt: Streit um Unterkunft für Asylbewerber in Dresden

27. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Haus abreißen und danach größer bauen, denn die Sanierung wäre viel zu teuer - so argumentierte ein Immobilienbesitzer und kündigte sechs Mietparteien in Dresden die Wohnungen. Nach deren Auszug bot er das leere Haus der Stadt Dresden zur Anmietung für Asylsuchende an. Jetzt sagt der Vermieter, das sei nur zur Zwischennutzung gedacht. Der Mieterverein Dresden kann darüber nur mit dem Kopf schütteln und hat einen Tipp für die Ex-Mieter.

In Dresden ist sechs Mietparteien vom Hauseigentümer gekündigt worden. Die Begründung: Das Mehrfamilienhaus müsse wegen "fehlender angemessener wirtschaftlicher Verwertung" abgerissen werden. Auszugsfrist war spätestens Ende Februar 2023. Nun stellt sich heraus: Kurz danach hat der Berliner Immobilienbesitzer "ImmPrima" der Stadt Dresden das Haus zur Unterbringung von Asylbewerbern angeboten.

Sanieren und bezahlen Steuerzahler marodes Haus?

Lässt der Eigentümer seinen Besitz auf Kosten der Stadt und Steuerzahler sanieren, um in der Johannes-Brahms-Straße Asylbewerber unterzubringen? So lautet der Vorwurf in Medienberichten. Zuerst hatte das Magazin "Focus" darüber berichtet.

Dazu lässt der Vermieter über eine Kommunikationsberaterin mitteilen: "Da wir noch in der Planung für den Abriss und dem damit zusammenhängenden Neubau stecken, haben wir eine Zwischennutzung angestrebt. Allerdings wurde erst über ein Jahr nach der Kündigung mit den Gesprächen mit der Landeshauptstadt Dresden begonnen."

Nicht immer bringen Mieter Verständnis für Kündigungen auf. Die Folge sind Verzögerungen in der gesamten Projektumsetzung.

Sprecherin für den Vermieter "ImmPrima"

Dresden richtet sechs Wohnungen her

Die Stadt bestätigt die Gespräche im März und dass ihr sechs Wohnungen zur Anmietung angeboten wurden. Bei der Miete orientiert sie sich laut einem Sprecher "an der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß Mietspiegel". Der liege im Stadtteil im Durchschnitt bei acht bis neun Euro je Quadratmeter Kaltmiete. "Dresden zahlt daher eine Kaltmiete in Höhe von ca. neun Euro pro qm. Die Wohnungen werden derzeit hergerichtet." Wie viele Mieter danach einzögen, stehe noch nicht fest. Auch nicht, ob über die Festmietzeit nach 2024 hinaus die Mietverträge verlängert werden. "Hierzu stimmt sich die Landeshauptstadt Dresden mit dem Eigentümer zu gegebener Zeit erneut ab."

Im Schreiben an MDR SACHSEN hält der Vermieter weiter am Abriss des Hauses fest. Auch die sechs Mietparteien, denen gekündigt wurde, hätten angeblich länger im Haus wohnen bleiben können. "Eine längere Nutzung wäre grundsätzlich möglich gewesen. Keiner der Mieter ist allerdings mit einem derartigen Wunsch auf den Vermieter zugegangen."

Was ist mit dem angekündigten Abriss und Neubau?

In den Mieter-Kündigungen hatte der Eigentümer mitgeteilt, nach Abriss auf dem Grundstück neu und größer bauen zu wollen. Die AfD im Stadtrat Dresden fragte dazu die Stadtverwaltung an. Antwort: Gebäudeabrisse müssen nach Sächsischer Bauordnung nicht genehmigt werden. Aber: "Eine Anzeige zum Abriss liegt der Bauaufsicht nicht vor." Und weiter: "Aktuell liegen zum genannten Objekt keinerlei Bauvoranfragen, Bauanträge oder Anträge auf Genehmigungsfreistellung (Bauanzeigen) vor (Stand: 9. Oktober 2023)", antwortete Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP).

Mieterverein: Schadenersatz bei rechtswidriger Kündigung

Das Vorgehen des Berliner Vermieters provoziert beim Rechtsanwalt des Dresdner Mietervereins, Florian Bau, reichlich Kopfschütteln. Er kennt bislang keinen ähnlichen Fall in Dresden.

Mir ist kein ähnlicher Fall in Dresden bekannt. Auch nicht, dass so offensichtlich vorgegangen wurde.

Florian Bau Rechtsanwalt und Mietrechtsexperte

Der Jurist rät den ehemaligen Mietern, sich rechtlich beraten zu lassen. Wenn ein Gericht die Mietkündigung wegen Abriss und Neubau für rechtswidrig erklärt, stünde den Betroffenen Schadenersatz zu. "Der betrifft nicht nur die Umzugskosten, sondern auch die Differenz zwischen neuer und alter Wohnung. Das kann richtig, richtig teuer für den Vermieter werden", sagte Bau MDR SACHSEN. Erfahrungsgemäß würden Gerichte bei Mietkündigungen wegen angeblicher Baufälligkeit sehr mieterfreundlich entscheiden.

MDR (kk/kwo)

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