Einblicke ins Forschungsprojekt Ausstellung über Kunsthandel in Dresden: Wie die DDR auf dem Kunstmarkt verdiente
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von Mario Süßenguth, MDR KULTUR
23. November 2023, 04:00 Uhr
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) geben aktuell Einblicke in ein umfassendes Forschungsprojekt. Seit ungefähr einem Jahr wird an der Institution der private Kunsthandel im Zeitraum von 1945 bis zum Ende der DDR untersucht. In Dresden gab es namhafte Verkaufsgalerien und auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt ein Mekka für Sammler aus Ost und West. Im Albertinum ist vom 23. November 2023 bis 3. März 2024 eine Kabinettschau mit Erinnerungen und Kunstwerken zu sehen.
- Ein Forschungsprojekt der SKD sammelt Informationen zum Kunsthandel nach 1945.
- Im Zentrum des Projektes steht der Einfluss des SED-Regimes auf den Kunstmarkt.
- Ein Ausstellung in Dresden zeigt nun verkaufte Kunstwerke und Stimmen aus dem DDR-Kunsthandel.
Gemälde von Otto Dix, Grafiken von Käthe Kollwitz, Schränke aus dem Barock, Meissner Porzellan oder Gold- und Silbermünzen – in Dresden lässt sich all dies schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder erwerben. Etwa bei privaten Kunsthändlern in kleinen, zunächst oft provisorischen Galerien wie in der Kunstausstellung Kühl, gegründet 1924. Kunsthändler Heinrich Kühl hatte sein zentrales Domizil beim Bombenangriff 1945 verloren (übrigens mitsamt großen Teilen des Frühwerks von Ernst Hassebrauk). Kurz darauf fand Galerist Kühl jedoch neue Räume in der Zittauer Straße.
"Im Mai 1945 lehnten zwei Kunstwerke an der Wand, von Otto Mueller und Hans Purrmann, welche kurz darauf von Museen angekauft wurden", erinnert sich Enkelin Sophia-Therese Schmidt-Kühl. Schon ab 1946 gab es hier wieder regelmäßig Verkaufsausstellungen.
Kunsthandel floriert nach dem Weltkrieg
In der Kunst- und Künstlermetropole Dresden ließ sich dabei auf etliche private Sammlungen zurückgreifen. "Teilweise existierten Künstlernachlässe oder es gab wiederum Künstlerfreunde, die Werke noch berühmterer Künstler besaßen, die dann aus den Nachlässen verkauft worden sind", berichtet Kunsthistorikerin Claudia Maria Müller, Leiterin des Forschungsprojekts "Privater Kunsthandel nach 1945 in Dresden".
Originalwerke von Gotthardt Kuehl, Erich Heckel oder Ernst Barlach ließen sich von privat für privat erwerben. Auch öffentliche DDR-Museen kauften Werke für ihre Sammlungen an.
DDR mischt ab 1973 mit
Mit Gründung der DDR 1949 hatte der Staat seine Hand stets mit im Spiel – insbesondere, wenn es um Verkäufe ins westliche Ausland ging. "Das lässt sich gut an den Rechnungen sehen", erzählt Projektleiterin Müller. "Zehn Prozent des Gesamtwertes bekam der Staatliche Kunsthandel für die Vermittlung, und dann hat er das für diese Summe ins Ausland verkauft, bekam dafür Devisen. Der hiesige Händler erhielt im Gegenzug lediglich DDR-Mark."
Die Wissenschaftlerin und Kuratorin Claudia Maria Müller arbeitet mit ihrer Recherche auch ein Stück Familiengeschichte auf. Großvater Alphons Müller betrieb bis zu seinem Tod 1972 eine private Kunsthandlung in Dresden. Der SED-Staat verhinderte eine Fortführung durch die Erben. Denn das Blatt hatte sich generell gewendet.
1973 gründete die DDR ihre Kunst- und Antiquitäten GmbH, die zum Imperium des Devisen-Beschaffers Alexander Schalck-Golodkowski gehörte. Um an wertvolle Stücke für den Weltmarkt zu kommen, waren den staatlichen Antik-Jägern viele Mittel recht. Besitzer von historischen Möbeln, barocken Porzellanfiguren oder bedeutenden Gemälden setzte der Staat unter Druck. Privathändler wurden angeblicher Steuerhinterziehung bezichtigt, so die Kunsthistorikerin.
Die Stasi und der Kunstmarkt
Nach und nach zerschlugen die DDR-Behörden den privaten Kunsthandel – abgesehen von wenigen Ausnahmen. "Es bestand in unserer Familie auch nach dem Tod des Großvaters immer die Angst, dass man die Antiquitäten aus unserem privaten Besitz beschlagnahmen könnte", erinnert sich Kuratorin Müller an die 70er- und 80er-Jahre in Dresden.
Die Staatssicherheit horchte und guckte fleißig mit, was für jene privaten Händler, die bis zum Ende der DDR durchhielten, zum bitteren Alltag gehörte. "Die Stasi entschied sich für die Duldung und die ständige Beobachtung der für sie interessanten Szene. Es ist letztlich der Persönlichkeit meines Vaters Johannes Kühl zu verdanken, dass er vor der Stasi standhaft geblieben ist“, erinnert sich Sophia-Therese Schmidt-Kühl. Sie führt die Kunstausstellung Kühl heute in dritter Generation.
Aufarbeitung mit Ausstellung in Dresden
Die aktuelle Ausstellung im Albertinum zeigt DDR-Erwerbungen aus privater Hand, etwa ein Dix-Selbstporträt oder eine Bronze von Auguste Rodin, und berichtet mit Text- und Fototafeln über Dresdner Kunsthändler wie die Kühls oder Alphons Müller. Auch Sammler wie Friedrich Pappermann kommen zu Wort. Und es tauchen prominente Namen in der Liste derer auf, die gerne nach Dresden reisten, weil es dort alte Kunst zu kaufen gab: Helene Weigel, Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl oder SED-Politiker Klaus Gysi gehörten zur erlesenen Kundschaft.
Das Forschungsprojekt, finanziert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, sucht aktuell weiter nach Fotos und Dokumenten zum privaten Dresdner Kunsthandel zwischen 1945 und 1990. Ausstellungskuratorin Claudia Maria Müller erhofft sich am Ende ein fundiertes Lexikon zum privaten Kunsthandel in der DDR und den zahlreichen Protagonisten.
Weitere Infos zur Ausstellung
"Privater Kunsthandel nach 1945 in Dresden. Einblicke ins Forschungsprojekt"
Kabinettschau der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Albertinum
23. November 2023 bis 3. März 2024
Adresse:
Albertinum
Tzschirnerplatz 2
01067 Dresden
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen
Redaktionelle Bearbeitung: tsa
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 23. November 2023 | 07:10 Uhr