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Teilnehmer einer linken Demonstration versammeln sich im Stadtteil Connewitz und tragen ein Transparent mit der Aufschrift „Free Lina“. 3 min
Audio: Wie geht es weiter im Fall von Lina E.? Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow

Linksextremismus Wie weiter im Fall Lina E.?

16. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Ihr Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen: Die Leipziger Studentin Lina E. wurde im Mai 2023 zu mehreren Jahren Haft verurteilt, weil sie mit einer Gruppe Linksextremisten Neonazis ausgespäht, überfallen und zusammengeschlagen haben soll. Aktuell ist sie aber noch auf freiem Fuß. Denn der Fall ist längst nicht abgeschlossen.

Es war einer der spektakulärsten Prozesse des Jahres – der Staat gegen Lina E. Vor knapp fünf Monaten fiel das Urteil. Trotzdem ist unklar, wie es im Fall Lina E. weitergeht. Sowohl ihre Verteidiger als auch die Bundesanwaltschaft hatten angekündigt, Revision einzulegen. Doch den Anwälten liegt bis heute noch kein schriftliches Urteil vor.

MDR-Redakteur Marc Zimmer, Host des Postcasts zum Fall Lina E. 1 min
MDR-Redakteur Marc Zimmer, Host des Postcasts zum Fall Lina E. Bildrechte: mdr

Gericht hat Urteil noch nicht übermittelt

Einer der Anwälte von Lina E. ist Erkan Zünbül. Er sagte auf Nachfrage von MDR AKTUELL, dass das Gericht bis spätestens 23. November das Urteil übermitteln müsse. Erst dann könnten die Anwälte die Revision begründen. Das müssten sie innerhalb von ein bis zwei Monaten tun. Der Zeitrahmen hänge auch davon ab, wann das Urteil vorliege. Zünbül erklärt weiter: "Über die Rechtmäßigkeit des Urteils wird dann der Bundesgerichtshof entscheiden. Bis zur Rechtskraft des Urteils werden sicherlich noch ein paar Monate vergehen."

Über die Rechtmäßigkeit des Urteils wird dann der Bundesgerichtshof entscheiden. Bis zur Rechtskraft des Urteils werden sicherlich noch ein paar Monate vergehen.

Erkan Zünbül Anwalt von Lina E.

Brutales Vorgehen der Linksextremisten

Ein juristisches Ende des Falls ist derzeit also nicht abzusehen. Nach wie vor spaltet er die Gemüter: Für die einen ist die junge Frau eine gefährliche Linksextremistin, für die anderen eine antifaschistische Ikone. Doch wer ist eigentlich Lina E.? Was haben sie und ihre Mitangeklagten eigentlich genau getan? Welche Folgen hat der Prozess? Das und mehr erzählt der neue Podcast "Die Fascho-Jägerin?!". Für den Podcast hat ein Autorenteam unter anderem die Tatorte besucht und rekonstruiert, was dort passiert ist. Edgar Lopez, der für den Podcast recherchiert hat, schildert eine brutale Szene des Überfalls auf Neonazis in Eisenach: "Die Scheiben werden eingeschlagen, es wird auf die Leute in dem Auto direkt draufgeschlagen. Sie werden mit Pfefferspray besprüht."

Diskussion um Leipziger Stadtteil Connewitz

Außerdem geht es um die möglichen Gründe für die Radikalisierung der jungen Leute und die Rolle, die der Leipziger Stadtteil Connewitz dabei spielte. Zu Wort kommen Politiker und der Leiter des zuständigen Polizei-Reviers Leipzig Südost, Uwe Stöhr. Er sagt zum Fall Lina E.: "Dass der Stadtteil förderlich gewesen wäre für die Bildung dieser Gruppe, das hätte auch in jedem anderen Stadtteil passieren können."

Attacken aus dem Hinterhalt

Natürlich wird in dem Podcast der Mammut-Gerichtsprozess vor dem Oberlandesgericht Dresden beleuchtet. Er ist auch deshalb so spektakulär, weil in den fast 100 Verhandlungstagen ein Kronzeuge gegen die eigene Szene aussagt.

Der Fall bleibt aktuell und beschäftigt Öffentlichkeit und Politik weiterhin. Die Ermittlungsbehörden suchen mit einer Öffentlichkeitsfahndung nach dem Verlobten von Lina E.. Angeblich untergetaucht sind auch weitere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe.

Haben wir es wirklich mit einer neuen Dimension linker Gewalt zu tun? Davor warnen bereits einige, etwa Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian. Als Begründung nennt er das Vorgehen der Linksextremen. Erst spähten sie Menschen aus und warteten einen günstigen Moment ab. "Dann werden Personen aus dem Hinterhalt von einer Kleinstgruppe, die professionell geschult zu sein scheint, attackiert – und zwar mit diesen Hilfsmitteln, also Brechstangen und so weiter."

Dann werden Personen aus dem Hinterhalt von einer Kleinstgruppe [ ... ] attackiert – und zwar mit diesen Hilfsmitteln, also Brechstangen und so weiter.

Dirk-Martin Christian Sachsens Verfassungsschutzpräsident

Kritik am Vorgehen der Behörden

Andere kritisieren das Vorgehen der Behörden und die aufgeheizte Debatte, etwa der Kriminologe Nils Schuhmacher. Er stellt fest, dass weiter Druck aufgebaut werde: "Und das wird auch Druck aufbauen gegen all diejenigen, die auch schon in den vergangenen Jahren für beispielsweise antifaschistisches Engagement als Linksextremisten etikettiert worden sind."

Exklusive Gespräche mit Sicherheitsbehörden und Politik, mit der linksautonomen Szene und der Verteidigung von Lina E. sind ab sofort im neuen, sechsteiligen MDR-Podcast "Die Faschojägerin?!" zu hören. Die ersten beiden Folgen sind jetzt werbefrei auf mdr.de und in der ARD-Audiothek abrufbar. Zu finden sind sie auch bei Spotify, Amazon, Apple Podcasts, Google Podcasts und auf YouTube. Die weiteren Folgen erscheinen im Wochenrhythmus immer montags.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 16. Oktober 2023 | 06:20 Uhr

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