Lutz Heischel
Lutz Heische hat durch den Böllervorfall einen Hörverlust erlitten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

DFB-Pokal Von Böller verletzter Rollstuhlfahrer erzählt von Fußball-Krawallen in Leipzig

18. September 2023, 05:00 Uhr

Seit den Krawallen beim DFB-Pokalspiel zwischen Lok Leipzig und Eintracht Frankfurt leidet der Rollstuhlfahrer Lutz Heische an einem Knalltrauma. Neben ihm war ein Böller explodiert. Von den Ereignissen hat er "Kripo live" ganz persönliche Einblicke gegeben. Die Polizei Leipzig sucht nach Zeugen der Randale rund um das Fußballspiel vom 13. August in Leipzig.

Was hatten Sie von dem Fußballspiel im Vorfeld erwartet?

Lutz Heische: Für mich sollte das ein Fußballfest werden. Friedlich und mit sportlichen Leistungen. Nicht irgendwelche Krawalle oder Zwiespälte zwischen den Mannschaften oder Fans von Lok Leipzig oder Chemie Leipzig oder Frankfurt ... Es sollte ein Fest sein und nichts anderes. Ich bin ein Fan, der für den sportlichen Aspekt steht und nicht für Krawalle.

Was haben Sie zusammen mit den anderen Rollstuhlfahrern an der Bande erlebt?

Es hatten sich alle auf das Spektakel gefreut. Jeder wusste, dass das ein Verein aus der 1. Bundesliga ist. Jeder konnte sich vorstellen, dass es für unseren Verein ganz schwer ist, dort zu punkten oder was zu holen. Trotzdem haben die Jungs das Beste gegeben, bis die Ausschreitungen stattfanden. Ab dann ging es bergab, was eigentlich den sogenannten Ultras anzulasten ist, den älteren Ultras, die zwischen 50 und 55 sind. Das ist meine Meinung.

Wie begannen die Auschreitungen?

Zuerst hatten sich welche an den Zäunen schon hochgezogen. Sie haben gegen den Schiedsrichter gewettert. Obwohl man gegen die Schiedsrichterleistung eigentlich nicht viel sagen konnte, im Gegenteil. Dann gegen Spieler der Eintracht und auch gegen eigene Fans. Das hat nichts mehr mit Sport zu tun. Das ist wirklich nur noch Hass. Hass kann man schon gar nicht mehr dazu sagen. Das ist Kriminalität.

Das hat nichts mehr mit Sport zu tun. Das ist wirklich nur noch Hass. Das ist Kriminalität.

Lutz Heische, verletzt bei Fußballkrawallen in Leipzig

Wodurch wurden Sie verletzt?

Ein Böller ist neben meinem Rollstuhl gelandet und knallte laut, vielleicht 60 oder 70 Zentimeter weg. Er hat sich gedreht, ist explodiert. Ich bekam Pappreste und anderes vom Böller an die linke Seite, vor das Ohr.

Da fing das schon mit Fiepen an, mit Rauschen, Kopfschmerzen, Übelkeit. Dann hat mich meine Frau geschnappt und wir sind alle zum Ausgang gefahren, durch den Tunnel für Rollstuhlfahrer. Dort sind wir gleich zum medizinischen Dienst. Da wurde festgestellt, dass ich ein Knalltrauma habe.

Wie schränkt Sie das Knalltrauma heute noch ein?

Das Knalltrauma kann nicht behandelt werden, weil ich Tumorpatient bin und keine Kortisonbehandlung kriegen kann. Deswegen habe ich jetzt das Problem, dass vieles zurückbleibt: 14 Prozent Gehörminderung. Tag und Nacht das Rauschen und Pfeifen, was mir das Leben schwer macht. Ich sollte eigentlich mein restliches Leben genießen, die letzten Wochen oder Monate, die ich noch habe.

Was würden Sie den Tätern sagen wollen?

Warum ist man so feige und stellt sich nicht und kommt aus dem Hintergrund raus und sagt: "Ich war es." Warum? Da sieht man mal, wie feige Menschen sind. Erst andere Leute schädigen und dann nicht mal den Mut haben und zu seiner Sache zu stehen. Das ist für mich das Schlimmste.

Sie sind ja schon lange in der Szene als Fußballfan aktiv und gehen zu Spielen. Haben Sie eine Erklärung für diesen gewalttätigen Kern?

Den gab es schon zu Ostzeiten. Da war es schon schlimm zwischen Lok und Chemie oder Dynamo und Leipzig. Man sollte aber diese Sachen langsam mal nach so vielen Jahren zur Seite legen. Es geht um sportliche Vergleiche und nicht darum, wer den größten Böller oder das größte Gewaltpotenzial hat. Das hat nichts mehr mit Sport zu tun. Das möchten auch die Leute nicht mehr in den Stadien sehen. Die möchten friedlich in Familie hingehen können, ohne Angst zu haben, dass was passiert. Es gab auch Balljungen mit neun Jahren da unten. Hätte es so einen getroffen ... Würde ein Vater sein eigenes Kind verstümmeln? Bestimmt nicht. Das ist das, was ich nicht verstehe.

Wie schaden diese Krawalle aus Ihrer Sicht dem Verein?

Der Verein ... Das sind alles Spendengelder von Mitgliedern oder Mitgliedsbeiträge. Damit zu wirtschaften, ist heutzutage sehr schwer. Es kostet alles Geld. Und die Strafen jedes Mal, die da eingefahren werden, müssen ja auch bezahlt werden. Die Beiträge dafür kommen immer von den Mitgliedern, die nichts machen, die zum Verein stehen, seit vielen, vielen treuen Jahren. Das Geld könnte beim Nachwuchs noch besser eingesetzt werden. Dass auch mal ein großer Spieler rauskommt. Wie der Thomas Müller aus dem Nachwuchs oder Lars Ricken. Das würde viel mehr helfen, als jedes Mal die Strafen in den DFB oder in den NOFV zu stecken. Dem Verein würde es auch eine Perspektive geben. So muss man nach jedem Spiel mit irgendwelchen Strafen rechnen. Das ist das Schlimmste, dass man es geradezu zum Fenster rauswirft.

Wie geht es Ihnen heute?

Na ja, wie soll es mir gehen? Ich muss es nehmen, wie es ist. Die Ärzte haben gesagt, es geht nicht wieder weg. Ich muss versuchen, damit klarzukommen. Wenn ich nachts wach bin und alle schlafen und ich keinen stören will, ist das Fiepen extrem laut auf dem Ohr. Die Nächte schlafe ich sehr wenig. Außer, ich bin so kaputt, dass mir die Augen wirklich zufallen. Aber sonst zum Schafen oder zur Ruhe komme ich nicht.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Kripo live | 10. September 2023 | 19:50 Uhr

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