Eine Mauer der Brücke Rathausstraße in Berlin, auf der in weißer Farbe geschrieben steht "Die DDR hat´s nie gegeben", im Hintergrund der Berliner Dom
Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2008 und zeigt eine Mauer der Brücke Rathausstraße auf der in weißer Farbe geschrieben steht "Die DDR hat´s nie gegeben". Im Hintergrund ist der Berliner Dom zu sehen, dazwischen die Brache, auf der einst der Palast der Republik gestanden hat. Bildrechte: Pressefoto Ausstellung Aufarbeitung/picture alliance/dpa/Arno Burgi

DDR-Erinnerungskultur Historiker: "Wiedervereinigung oft zu negativ dargestellt"

06. Januar 2024, 20:07 Uhr

Stasi, Treuhand, Jammerossi – drei Begriffe, die bis heute Emotionen wecken. Vor allem bei Ostdeutschen, die Wende und Wiedervereinigung bewusst erlebten. Der Historiker Ulrich Mählert findet, dass es an der Zeit ist, differenzierter auf den Umbruch in den 1990ern zu blicken und die positiven ostdeutschen Geschichten wahrzunehmen. Eine Ausstellung in Leipzig, die Mähler mit kuratierte, lädt jetzt ein, neu über DDR-Erinnerungskultur und Wiedervereinigung zu diskutieren – bald 35 Jahre nach dem Mauerfall.

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Einen differenzierten Blick auf die deutsche Wiedervereinigung hat der Historiker Ulrich Mählert gefordert. Im Gespräch mit MDR KULTUR kritisierte er, der Transformations-Prozess in der Nachwende-Zeit werde zu oft negativ dargestellt und wahrgenommen.

Ausstellung in Leipzig zeigt Umgang mit DDR-Geschichte

Mählert ist einer der Autoren der gerade in Leipzig eröffneten Ausstellung "Aufarbeitung. Die DDR in der Erinnerungskultur", die bis Ende 2024 im Stasi-Unterlagen-Archiv zu sehen ist. Darin wird auf 20 Tafeln mit prägnanten Texten, Fotos, Faksimiles, Statistiken oder Karikaturen vom Umgang mit der DDR-Geschichte seit 1989 erzählt. Initiiert wurde die Schau von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur aus Anlass des 25. Gründungsjubiläums: "Die Überlegung war, mit der Ausstellung quasi die Aufarbeitung zur Diskussion zu stellen", so Mähler.

Ulrich Mählert 4 min
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4 min

Das ganze Gespräch mit Historiker Ulrich Mählert Wie wird an die DDR erinnert?

Erinnerungskultur: Wie wird an die DDR erinnert?

Ulrich Mählert bemängelt, dass die deutsche Wiedervereinigung zu negativ dargestellt werde. Er ist Autor der Leipziger Ausstellung "Aufarbeitung. Die DDR in der Erinnerungskultur" und dazu im Gespräch mit Pia Uffelmann.

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"Positive ostdeutsche Geschichten erzählen"

Eine "Aufarbeitung der Aufarbeitung" sei wichtig, weil die Ereignisse der 1990er-Jahre bis heute "ganz stark in Moll" vermittelt und wahrgenommen würden: "Dafür gab es angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der industriellen Entkernung Ostdeutschlands auch viele Gründe. Aber in dieser Erzählung spielen die ganzen positiven Geschichten der Ostdeutschen, die relativ schnell wieder Tritt fassten und sich selbst verwirklichen konnten, keine Rolle", so Mähler.

Zugleich werde die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der Rückschau gerne als etwas beschrieben, was dem Osten vom Westen übergestülpt worden sei, moniert der Historiker, der auch langjähriger Mitarbeiter der Bundesstiftung ist.

Umbruch 1989/90: Dokumente und Diskussion

Die Ausstellung will Mählert als Einladung verstanden wissen, die eigenen Erinnerungen zu befragen. Dafür liefert die Schau aus seiner Sicht eine gute Basis, indem sie die Entwicklungen nach der Wende auch als breit angelegten gesellschaftlichen Prozess der Aufarbeitung im Osten zeigt: "Die Auseinandersetzung mit den weißen Flecken der DDR-Geschichte spielte im Herbst 1989 eine ganz zentrale Rolle." Erinnert werde in der aktuellen Schau im Stasi-Unterlagen-Archiv an die erste große Ausstellung zum Thema Stasi im Sommer 1990 in Leipzig, an die erinnerungspolitische Kontroverse um den Vergleich zwischen NS- und SED-Diktatur genauso wie an den Widerhall all der Ereignisse in Alltagskultur, in Film oder Kunst.

Verbunden sei damit nicht das Ziel, auf einen Schlag den Diskurs zu ändern, aber die Hoffnung, miteinander ins Gespräch zu kommen, erklärt Mähler und fordert: "Wir brauchen eine viel stärkere Auseinandersetzung mit den 1980er- und 1990er-Jahren." Die Zeit von 1989/1990 dürfe nicht "als Wasserscheide" betrachtet werden. Vieles aus Politik, Wirtschaft oder Kultur habe über diesen großen Bruch hinaus fortgewirkt. Es gelte, die zeithistorische Betrachtung von der deutschen Teilung auf die Geschichte der deutschen Einheit zu erweitern.

"Erst langsam entwickelt sich ein Bewusstsein dafür, dass die vergangene Zeit der Zweistaatlichkeit die gemeinsame Geschichte aller in Deutschland lebenden Menschen ist", heißt es dazu in der Annotation auf der Webseite

Quelle: MDR KULTUR (Pia Uffelmann)
Redaktionelle Bearbeitung: ks

Angaben zur Ausstellung Aufarbeitung: Die DDR in der Erinnerungskultur
Bis 31.12.2024

Stasi-Unterlagen-Archiv Leipzig
Dittrichring 24
04109 Leipzig

Öffnungszeiten
Montag bis Freitag: 8-18 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertag: 10-18 Uhr

Autoren der Ausstellung sind Dr. Stefan Wolle (DDR-Museum Berlin) und Dr. Ulrich Mählert (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur), Herausgeberin ist die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Januar 2024 | 17:40 Uhr

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