Ein obdachloser Mann vor dem Hauptbahnhof in Leipzig
Ein obdachloser Mann vor dem Hauptbahnhof in Leipzig Bildrechte: IMAGO / Dirk Sattler

Wohnungslosigkeit Leipzig will Modell "Housing First" für Obdachlose dauerhaft fortsetzen

07. Januar 2024, 07:46 Uhr

Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung Wohnungs- und Obdachlosigkeit überwunden haben. Das steht im Koalitionsvertrag. Seit zweieinhalb Jahren wird in Leipzig das Modell "Housing First" getestet, um Obdachlose in eine feste Wohnung zu bringen. Die Stadt will das Projekt fortsetzen. Experten sehen in dem Ansatz ein Vorbild für ganz Deutschland.

Leipzig ist neben Dresden die Obdachlosigkeitshochburg im Freistaat. Allein im vergangenen Jahr waren in der Messestadt etwa 800 Menschen in Notunterkünften und anderen Hilfseinrichtungen untergebracht.

25 Personen, die vorher auf der Straße lebten, haben über das Mitte 2021 gestartete "Housing First"-Modellprojekt der Stadt Leipzig eine eigene Wohnung bekommen. Drei Bedingungen mussten sie erfüllen: volljährig sein, den Willen zeigen, von der Straße wegkommen zu wollen sowie in irgendeiner Form Anspruch auf Bürgergeld, Wohngeld oder eine andere Leistung haben.

Warum gerade der letzte Punkt so wichtig ist, erklärt die Koordinatorin des Projekts, Sindy Görke vom Sozialamt Leipzig: "Weil der Mensch eine vertragliche Verpflichtung eingeht, mit dem Vermieter. Also er bekommt einen ganz normalen Mietvertrag mit allen Rechten und allen Pflichten. Und da gehört es auch dazu, die Miete zu bezahlen."

Anfangsschwierigkeiten beim Finden von Teilnehmern

Anfänglich sei es gar nicht so leicht gewesen, Teilnehmer für das Projekt zu finden, erinnert sich Görke: "Viele Kennenlerngespräche konnten nicht stattfinden, weil der Mensch nicht aufgetaucht ist. Viele Besichtigungen liefen ohne den Menschen ab. Da war auch viel Geduld vonnöten." Das sei eine große Hürde gewesen.

Am Ende waren es dennoch 174 Bewerbungen für die 25 Plätze im Programm. Darunter wurden die Personen ausgesucht, die nach Ansicht des Sozialamts die Hilfe am nötigsten hatten. "Die meisten sind gut angekommen in den Wohnungen", sagt Görke. Sie hätten "ihr geschütztes Zuhause wiedergefunden, schätzen die Wohnung sehr. Klar gibt es mit der Nachbarschaft immer mal wieder das ein oder andere Problemchen. Bisher konnten wir viele davon sofort lösen."

Dabei spielen auch die Sozialarbeiter eine wichtige Rolle, die fest zum Projekt gehören.

Projektleiterin Görke fügt hinzu: "Aktuell haben wir nur vier Menschen aus einem Mietvertrag wieder entlassen müssen, weil es zu unüberwindbaren Schwierigkeiten kam, der Mensch verstorben ist, oder es einen anderen Hilfe-Ansatz brauchte."

Stadt möchte Modellprojekt fortsetzen

Die freigewordenen Plätze wurden übrigens nachbesetzt. Das Modellprojekt in Leipzig läuft Ende 2024 aus. Das Sozialamt der Stadt möchte es gern dauerhaft fortsetzen. Auch wenn "Housing First" das Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit nicht allein lösen wird.

Ähnlich sieht es Rotraud Kießling, die bei der Diakonie Sachsen Referentin der Wohnungsnotfallhilfe ist: "Der 'Housing-First'-Ansatz, wie er jetzt in Leipzig mit den 25 Plätzen läuft, der ist gut gedacht aber ein Tropfen auf den heißen Stein." Kießling wünscht sich einen flächendeckenderen Hilfsansatz, um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, bis 2030 die Obdach- und Wohnungslosigkeit zu überwinden.

Genau das traut die auf Wohnungslosigkeit spezialisierte Professorin Susanne Gerull dem "Housing-First"-Ansatz zu: "Wir brauchen ein flächendeckendes 'Housing-First'-Angebot in Deutschland, weil wir damit genau diejenigen erreichen, die auf der Straße bleiben, die drehtüreffektmäßig durch alle Hilfen laufen. Es ist einfach ein Projekt, was unglaublich erfolgreich ist."

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Für den Erfolg sind allerdings zwei Faktoren entscheidend, die in Deutschland gerade knapp sind – Fachkräfte zur Betreuung der Projekte und Wohnraum.

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