Collage zweier Sänger: Ein junger Mann mit Sonnenbrille und weißem Basecap links, eine ältere Frau mit kurzen Haaren und Nickelbrille rechts
Der in Chemnitz geborene Rapper Trettmann singt in seinem aktuellen gemeinsam mit Jazz-Ikone Uschi Brüning Bildrechte: IMAGO / Hartmut Bösener, IMAGO / Hartmut Bösener

Neuer Song Brüning: Teile Trettmanns Sicht auf Wendezeit

15. April 2024, 16:53 Uhr

In seinem neuen Song "NAWW" (Nach Allem Was War) reflektiert der Leipziger Rapper Trettmann seine Jugend in den Jahren des Umbruchs nach 1989. Damals war Trettmann alias Stefan Richter 16 Jahre alt und in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz zu Hause. Am Ende des neuen Songs singt Uschi Brüning. Die Grande Dame des Jazz sagte im Gespräch mit MDR KULTUR, Trettmann und sie hätten eine ähnliche Perspektive auf die damalige Zeit. Allerdings sei er mit der Geschichte versöhnter als sie.

MDR KULTUR: Man stelle sich vor: Uschi Brüning bewegt sich lässig auf die slowen Trettman-Beats, die Hände machen die typischen Rap-Moves – winken auf und ab. Stimmt das Bild?

Uschi Brüning: Ja, schon. Wobei ich sagen muss, dass ich Trettmann erst beim Mitsingen im Studio kennengelernt habe. Er scheint mir nicht diese Art Rapper zu sein, die immer sinnlos in der Luft herumfuchteln, mit einem Ausdruck, als würden sie jemanden erstechen. Das ist bei Trettmann überhaupt nicht der Fall. Er hat auch keine Aggression in der Stimme. Das gefällt mir besonders.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit: Ist Trettmann auf sie zugekommen und hat gesagt: Uschi Brüning, ich kenne Sie schon aus meiner Kindheit?

Wir hatten mit Max Herre vor einigen Monaten ein Treffen in der Nalepastraße in Berlin, im Rundfunk. Da lernten wir uns kennen. Und da gab es das Interesse, sich einiger DDR-Musikstücke zu bedienen – vor allen Dingen Günther Fischers Song "Hochzeitsnacht", der ja zum Teil auch schon Kult ist.

Ein Sänger mit Sonnenbrille und weißem Basecap steht auf einer in blaues Licht getauchten Bühne und singt in einer Mikrofon
Stefan Richter alias Trettmann zählt zu den bekanntesten Rappern derzeit in Deutschland. Bildrechte: IMAGO / Hartmut Bösener

Eines Tages kam die Frage von Trettmann, ob ich denn bereit wäre, den Willen und die Lust hätte, eine kleine Partie mitzusingen. Das war natürlich ein sehr interessantes Projekt. Ich fand auch die Geschichte um Max Herre und dieses Aufgreifen und Entdecken von DDR-Stücken sehr, sehr lobenswert. Das hat mich sehr gefreut, weil im Grunde genommen immer noch kein Hahn nach uns kräht – kleine Kritik. Und so ist es gekommen.

Die Kritik haben wir gehört! Max Herre, der Singer Songwriter, hat also eine Verbindung zu Trettmann. Und so kam das, dass der sich bei Ihnen gemeldet hat ...

... weil Max Herre den Titel komponiert und auch an diesem Text mitgearbeitet hat.

Die ersten beiden Strophen des Songs beginnen mit der Ansprache der "Mama". Trettmann könnte ihr Sohn sein, das käme ja generationsmäßig in etwa hin. Haben Sie ihn da jetzt so ein bisschen adoptiert?

Das ist ein kleines Kompliment. Ich könnte seine Oma sein! Und er hat mich gekannt – das wundert mich, weil er so jung ist. Er hat mich als Sängerin gekannt, das hat mich dann auch gereizt. Das war auch der Grund mitzumachen: dass jemand, der so jung ist und eine ganz andere Sicht auf die Wende hatte... Nein, er hatte meine Sicht! Ich denke, das deckt sich, was die Enttäuschung anbelangt und dass alles anders ist und nichts mehr, wie es war. Das hat uns näher gebracht.

Uschi Brüning
Uschi Brüning wurde zu DDR-Zeiten mit ihrem Facettenreichtum zu einer der bekanntesten Jazz-Stimmen des Landes. Bildrechte: imago images/Mary Evans

Das ist interessant, denn Trettmann singt in dem Song, er hege keinen Groll und hätte seinen Frieden gemacht. Bei Ihnen klingt das ein bisschen anders...

Er hat sich Gedanken gemacht und hat damit abgeschlossen, weil er ein kluger Mensch ist und sich sagt: Es nützt ja nichts! Ich werde hin und wieder mit der Nase darauf gestoßen, wie anders alles ist, auch in unserem Beruf - wie schwer es manchmal ist oder auch immer sein wird, dass man dann etwas entschlossener seine Einstellung zu verbalisieren vermag, als der Junge, der es eben erst mal geschafft hat, sich einzurichten. Oder der versucht, sich einzurichten.

Offenbar ist also der Unterschied, dass Uschi Brüning eher ein bisschen zorniger ist als Trettmann.

Auf jeden Fall. Aber der hat ja noch ein ganzes Leben vor sich. Ich habe schon etwas mehr erfahren, man kann auch sagen: erlitten. Und es ist doch schön – diese beiden unterschiedlichen Auffassungen...

Damals, als wir träumten
In grauen Tagen Farbe sahen
Glaubten gestern sowie heute
Den Namen, die sie unsern Straßen gaben.

Uschi Brüning in dem Song "NAWW"

Bei Trettmann ist der Texte zweigeteilt: Im ersten Teil ist es Herbst 89 und Mama sagt: "Geh nicht in die Stadt", da es wegen der Demonstrationen gefährlich ist. In Strophe zwei will Mama den Sohn dann nicht in die Stadt lassen, weil das Geld nicht reicht, weil sie keinen Job mehr hat nach 89. Dann kommen Sie und singen diese Zeilen: "Damals, als wir träumten, in grauen Tagen Farbe sahen". Was haben Sie da für eine Rolle in dem Song?

Vielleicht eine durch Erfahrung und gewandelte Ansicht. Ich tröste meinen Sohn. Das würde ich auch machen, wenn es noch schlimmer wäre. Ich tröste ihn – quasi: Wir hatten unsere Träume und es war alles viel bunter, aber nun müssen wir versuchen, uns in die Jetzt-Zeit hineinzuleben und damit zurechtzukommen.

Quelle: MDR KULTUR (Carsten Tesch)
Redaktionelle Bearbeitung: tmk, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 15. April 2024 | 08:10 Uhr

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