Eine Pflastersteinstraße auf einer Brachflächge in Leipzig
Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz gibt es bereits viele versiegelte Flächen. Statt Dutzende jahrzehntealter Bäume zu fällen, sollten diese Bereiche bebaut werden, sagt der Naturschutzbund Leipzig. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Vor Baubeginn Naturschützer demonstrieren gegen Kahlschlag auf Leuschner-Platz

06. Juli 2023, 13:02 Uhr

Auf einer von Leipzigs letzten großen Kriegsbrachen soll bald ein neues Stadtviertel mit Bildungscampus, Markthalle und Wohnungen entstehen. Doch dafür müssen viele der jahrzehntealten Bäume gefällt werden. Nicht noch eine weitere Fläche sollte versiegelt und zubetoniert werden, sagt der Naturschutzbund und demonstriert gegen die Fällarbeiten. Dabei plant die Stadt für das neue Viertel mehr als nur Glas und Beton.

Eine Gruppe von zwei Dutzend Demonstrierenden hat sich vor dem Neuen Rathaus in Leipzig versammelt. Sie halten mehrere Plakate in die Luft. Auf einem steht "Lebensräume erhalten, Artensterben stoppen", auf einem anderen "300 Grünflächen in drei Jahren in Leipzig zerstört. Wir ersticken im Beton." René Sievert spricht in ein Megafon zu der Menge: "Wenn hier die Stadträte vorbeikommen, hoffen wir, dass sie den Klimanotstand im Kopf behalten", sagt der Vorsitzende des NABU Leipzig.

Mehrere Menschen mit Transparenten vor dem Neuen Rathaus Leipzig
Vor dem Neuen Rathaus in Leipzig demonstrierten Mitglieder des Naturschutzbundes Leipzig und der Initiative Stadtgrün Leipzig gegen den Kahlschlag auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Direkt über den Köpfen der Demonstrierenden kommt an diesem Mittwochnachmittag der Leipziger Stadtrat im Neuen Rathaus zusammen. Auf dem Terminplan steht der Bebauungsplan für die innerstädtische Brachfläche Wilhelm-Leuschner-Platz. Für ein neues Stadtviertel sollen dort nahezu alle der wild gewachsenen Bäume gerodet werden. Für den NABU-Vorsitzenden Sievert nicht nachvollziehbar: "Das ist in Zeiten des Klimawandels nicht hinzunehmen, dass eine riesige Fläche mitten in der Innenstadt versiegelt wird. Das ist für das Stadtklima sehr schädlich."

Neue Lebensräume fehlen bisher

Statt die 70 Jahre alten und teilweise noch älteren Bäume zu roden, sollte auf den derzeit schon versiegelten Flächen gebaut werden, sagt Sievert. Doch die Stadt habe auch ohne gültigen Bebauungsplan schon Tatsachen geschaffen. Bereits seit Januar 2021 wurden Sievert zufolge Bäume gefällt: "Hier wird Kahlschlag betrieben und nachdem gebaut wurde, alibimäßig etwas Grün angelegt."

Ein Mann mit braunen Haaren, Dreitagebart und blauen Hemd mit Aufschrift Nabu
Der NABU-Vorsitzende René Sievert kritisiert, dass bisher keine neuen Lebensräume für die bereits gefällten Bäume auf dem Leuschner-Platz geschaffen wurden. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Hier wird Kahlschlag betrieben und nachdem gebaut wurde, alibimäßig etwas Grün angelegt.

René Sievert Vorsitzender des Naturschutzbundes Leipzig

Die Kritik: Ausgleichsflächen und neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere seien bis heute nicht entstanden. "Wir haben dort 17 Brutvogelarten, wie den Grünspecht. Der braucht alte Bäume zum Überleben", erklärt Sievert.

Im neuen Stadtquartier soll "Klimawäldchen" wachsen

Wie die Stadt Leipzig auf Anfrage von MDR SACHSEN bestätigt, haben bereits seit vergangenem Jahr Baumfällungen in einzelnen künftigen Baufeldern stattgefunden. Sie gehören zu den mehr als einhundert Bäume, die auf dem gesamten Areal gefällt werden sollen. Als Ausgleich sieht der Bebauungsplan den Angaben zufolge zwingend vor, 109 Bäume neu zu pflanzen. Dazu die Stadt: "Es wird voraussichtlich eine viel höhere Anzahl an Bäumen sowie Sträuchern gepflanzt. Alle zukünftigen Baumfällungen sollen im Plangebiet ausgeglichen werden."

Eine freie Wiesenfläche auf einer Brachfläche in Leipzig
Auf dem Leuschner-Platz in Leipzig wurden bereits im vergangenen Jahr in manchen Bereichen großflächig Bäume gefällt. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Es wird voraussichtlich eine viel höhere Anzahl an Bäumen sowie Sträucher gepflanzt. Alle zukünftigen Baumfällungen sollen im Plangebiet ausgeglichen werden.

Stadt Leipzig

Das neue Stadtviertel solle als "Grünes Quartier" angelegt werden, heißt es. Versiegelte Areale sollen zu großen Teilen Grünfläche und Teil eines 3.000 Quadratmeter großen "Klimawäldchens" werden. "Auf große zusammenhängende Flächenversiegelungen soll zukünftig bewusst verzichtet werden", erklärt die Stadt.

Ein junger Baum ersetzt keinen alten

Für Wiebke Engelsing von der Initiative Stadtnatur Leipzig ist das Vorgehen Irrsinn. Kein neu gepflanzter Baum könne so schnell einen alt gewachsenen ersetzen. "Die Bäume sind hier mindestens 50 Jahre alt, einzelne sind noch älter. Eine Neuanpflanzung pro gefällten Baum kann da nicht ausreichen."

Eine Frau mit rötlichen Haaren und Halstuch
Alte Bäume zu fällen und dafür neue zu pflanzen, ist klimatechnisch Unsinn, sagt Wiebke Engelsing von der Initiative Stadtnatur Leipzig. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Stadtrat stimmt mehrheitlich für Bebauungsplan

Die Entscheidung für das neue Stadtquartier auf dem Leuschner-Platz kommt erst relativ spät am Mittwochabend. Was die Demonstrierenden von NABU und Initiative Stadtgrün Leipzig schwer enttäuschen dürfte: Mehrheitlich stimmt der Leipziger Stadtrat für den Originalbebauungsplan ohne große Abänderungen und somit für die großflächige Abholzung. Ein Antrag der Grünen-Fraktion, wenigstens eine Grünfläche mit einem alten Silberahorn zu erhalten, lehnt der Stadtrat ab.

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MDR (phb)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 05. Juli 2023 | 16:30 Uhr

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