Rechtsausschuss Datenschützer beanstandet Abhöraktion im Umfeld von Chemie Leipzig
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22. August 2018, 17:19 Uhr
Wegen des Verdachts auf Bildung von kriminellen Vereinigungen hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden jahrelang gegen Linke und Fußballfans aus Leipzig ermittelt. Im Rahmen dieser Ermittlungen waren auch wiederholt hunderte Telefonanschlüsse von Unbeteiligten abgehört worden – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat völlig umsonst. Das sorgt für Kritik vor allem von Grünen und Linken. Sie haben die sogenannten Strukturermittlungen in der linken Szene am Mittwoch zum Thema im Rechtsausschuss gemacht und dabei unerwartete Schützenhilfe von Sachsens Datenschutzbeauftragtem bekommen.
Insgesamt drei große Ermittlungsverfahren gegen linke Gruppierungen und Fußballfans aus Leipzig wurden seit 2010 in Sachsen geführt. Das letzte Verfahren gegen 24 Ultras des sächsischen Oberligisten Chemie Leipzig ist in diesem Sommer ergebnislos eingestellt worden. Wie die anderen Verfahren zuvor.
Drei Jahre lang hatte die Polizei ermittelt, um zu überprüfen, ob die Ultras eine kriminelle Vereinigung seien. Es stand der Verdacht im Raum, dass sie sich wiederholt verabredet hätten, um vermeintlich rechte Fans des 1. FC Lokomotive Leipzig zu verprügeln. Im Rahmen der Ermittlungen wurden monatelang die Telefonate von zehn Beschuldigten abgehört, 920 Telefonanschlüsse wurden so erfasst. Trotz der vielleicht irritierenden Zahlen alles völlig normal und vor allem zuvor richterlich genehmigt, meint Wolfgang Klein, der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden:
Die Telefonüberwachung ist eine geeignete Maßnahme, um bestimmte Anfangstatverdachtsfälle aufzuklären. Das gilt auch für die kriminelle Vereinigung. Ein besonderes Merkmal solcher Vereinigungen ist es ja auch, dass man sich abschottet und intern miteinander kommuniziert, um Straftaten zu begehen. Wenn man einen solchen Sachverhalt aufklären will, ist die Telefonüberwachung eigentlich unverzichtbar.
Das sieht der innenpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Valentin Lippmann, ganz anders. Vor allem weil es Hunderte sogenannter Drittbetroffener gibt, also Personen, die unwissentlich abgehört wurden, weil sie einen Beschuldigten angerufen haben:
Das ist diesmal fernab des konkreten Tatvorwurfs ein Exzess an Überwachung, der dazu führt, dass ich zukünftig nicht mehr weiß, mit wem ich mich noch am Telefon unterhalten kann, weil ich könnte ja überwacht werden. So etwas muss man unterbinden, sonst fühlen sich die Bürger unsicher, weil es ja doch sein könnte, dass die Polizei irgendwo mithört. Und die Vielzahl von Betroffenen, mehrere hundert, zeigt, dass es hier um eine riesengroße Dimension geht.
Ein Kulturwandel bei der Staatsanwaltschaft müsse deshalb forciert werden, fordert Valentin Lippmann. Derartig groß angelegte Telefonüberwachungen dürften nicht zum normalen Instrument der Ermittlungen werden. Auch Sachsens Linke sehen das ähnlich und sprechen von einem Abhörskandal und der willkürlichen Kriminalisierung von Fans und Vereinen in Leipzig. Schließlich hätten all die Telefonüberwachungen auch zu nichts geführt. Das sieht die Generalstaatsanwaltschaft allerdings anders. Sprecher Wolfgang Klein:
Unsere Aufgabe ist es ja, Sachverhalte aufzuklären. Und wenn wir festellen, es hat keine kriminelle Vereinigung gegeben, so wie hier, dann ist das für uns auch ein Ergebnis.
Ein anderes Problem bei den Telefonüberwachungen treibt Sachsens Datenschutzbeauftragten um. Mehrere Drittbetroffene hatten sich an ihn gewandt, weil sie nur über Umwege davon erfahren hatten, dass sie abgehört wurden. Eigentlich hätten sie darüber von der Staatsanwaltschaft informiert müssen. Außerdem seien die Telefondaten von Rechtsanwälten und Journalisten zum Teil jahrelang nicht gelöscht worden, obwohl sie gelöscht hätten werden müssen. Das schreibt der Datenschutzbeauftragte in einer Stellungnahme, die zugleich eine kleine Rüge der Ermittler ist. Datenschützer Andreas Schurig:
Wenn ich so einen Bericht mache und eine Beanstandung mache, dann nicht, um jemanden zu bestrafen, sondern auch etwas auszulösen, sodass man Verfahrensweisen entwickelt, die das in Zukunft vermeiden.
Und das Justizministerium hätte ihm zugesichert, dass künftig die Daten schneller gelöscht und Drittbetroffene umfangreicher informiert werden, sagt Sachsens Datenschützer. Das heisst aber auch, dass umfangreiche Telekommunikationsüberwachung - wie es offiziell heißt - auch weiterhin in Sachsen stattfinden wird. Derzeit allerdings laufen laut Justizministerium keine Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung im Umfeld der Leipziger Fußballszene.
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 22.08.2018 | 18:40 Uhr