Bundestagswahl 2017 | Spitzenkandidaten aus Sachsen Die Unbekannte: Daniela Kolbe

(SPD)

22. September 2017, 18:34 Uhr



  • geboren am 22. Februar 1980 in Schleiz, Thüringen


  • erlernter Beruf: Physikerin


  • Familienstand: Lebensgefährte, 1 Kind


  • Wohnort: Leipzig

Von Herzen links, in der Sache abwägend und bei Entscheidungen pragmatisch. Wie Daniela Kolbe tickt, lässt sich an ihrem Kampf für Wendeverlierer erkennen. Seit Jahren setzt sich die Leipzigerin im Bundestag dafür ein, dass Krankenschwestern und Braunkohle-Bergleute aus der DDR für den Wegfall ihrer Betriebsrenten entschädigt werden. Auch die Benachteiligung von zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen will sie ausgleichen. Als aber die Linke im Januar 2017 im Parlament fordert, ostdeutsche Braunkohle-Veredler besser zu stellen, hält sie eine Gegenrede. Kolbe hat mit Betroffenen gesprochen. Im Plenum schildert sie emotional, wie die Bergleute beim Verarbeiten der Braunkohle zu Benzin giftige Dämpfe einatmen mussten, viele später an Krebs starben. Doch den Antrag lehnt sie ab, weil er ihr zu unausgereift, zu kleingruppenbezogen erscheint. Sie will lieber einen Härtefallfonds, der aus Steuern finanziert wird, und allen nach der Wende Benachteiligten hilft. Ein Vorschlag, mit dem sie und ihre Fraktion seit Jahren schon an der Union scheitern. Kolbe gibt nicht auf. Auch dank ihr steht die Fondsidee im Wahlprogramm der SPD.

Daniela Kolbe zog 2009 das erste Mal in den Bundestag ein. Mit 29 war sie die jüngste Abgeordnete der SPD-Fraktion. Zuvor hatte die gebürtige Thüringerin ihr Physikstudium in Leipzig abgeschlossen und mehrere Jahre die Jusos der Stadt angeführt. Schnell arbeitet sie sich im Fachgebiet Arbeit und Soziales ein, ihr Talent wird in der Fraktion gelobt. Doch dann kommt der Einschnitt: Lymphdrüsenkrebs. Nach einer Chemotherapie ist Kolbe 2013 wieder gesund, doch ein Risiko bleibt. 2015 bekommt sie ein Kind, noch im selben Jahr lässt sie sich zur Generalsekretärin der sächsischen SPD wählen. Sie teilt sich die Betreuung mit ihrer Mutter und ihrem Freund, manchmal nimmt sie das Baby auch zu Beratungen und Veranstaltungen mit. Aber ihr Kind im Wahlkampf einzusetzen, wie Frauke Petry es tut, darauf käme Kolbe nicht. Die 37-jährige schirmt ihr Privatleben ab.

"Mir ist schon klar, dass ich als Generalsekretärin zuweilen kräftig poltern muss", hatte sie in einem Interview gesagt. Doch auch nach knapp zwei Jahren im Amt ist Kolbe sachsenweit immer noch ziemlich unbekannt. Ein Grund: Die Naturwissenschaftlerin bleibt lieber sachlich als schlagzeilenträchtige Attacken zu reiten. Wenn sie aufgrund des Lehrermangels Regierungschef Tillich kritisiert oder den Vizelandrat von Bautzen wegen seiner vertraulichen Kommunikation mit einem NPD-Funktionär angreift, begründet sie ihre Position sorgfältig.

Ihr ist es wichtiger, wenn es bei Themen, die ihr am Herzen liegen, voran geht. Als schönsten Tag der vergangenen Wahlperiode bezeichnet sie den 3. Juli 2014. Damals stimmte, nach jahrelangen Diskussionen, der Bundestag mit großer Mehrheit für den Mindestlohn. In Sachsen, wo seit der Flüchtlingskrise Rechtsextremismus und Rechtspopulismus ganz offen zutage treten, unterstützt Kolbe immer wieder Gegenproteste. Schon kurz nach den ersten Pegida-Demonstrationen warnte sie davor, die „nationalistische Stimmungsmache“ gegen Muslime und Asylbewerber zu verharmlosen. Anfang 2015 gehörte sie zu den Erstunterzeichnern des Aufrufes „Legida läuft nicht!“, mit dem ein breites Bündnis gewaltfreien Widerstand gegen die erste Demonstration des Leipziger Pegida-Ablegers ankündigte: „Wir werden Legida den Weg versperren!“ 30.000 Gegendemonstranten kamen - zehnmal mehr als zu Legida.

Im Wahlkampf konzentriert Kolbe sich auf Lösungsvorschläge für Ostdeutschland. Sie will den schleppenden Ausbau der Breitbandnetzes in den neuen Ländern forcieren, weil sie darin Wettbewerbsnachteile sieht. Ihre Partei fordert, die Zukunft der deutschen Automobilindustrie zu sichern und eine Batteriezellenfertigung aufzubauen. Aus Kolbes Sicht gehört der Standort nach Sachsen, damit dort auch künftig die gesamte Wertschöpfung des Autos abgedeckt werden könne.

Kolbe tritt auch diesmal wieder im nördlichen Leipziger Wahlkreis als Direktkandidatin an. Zweimal verlor sie klar gegen die CDU-Kandidatin, obwohl Leipzig als sozialdemokratische Hochburg gilt. Diesmal hat die Union Bahnrad-Olympiasieger Jens Lehmann aufgestellt.

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