Zusammen gegen Rechts Mehrere Tausend Menschen protestieren am Sonntag unter anderem in Dresden, gegen die AfD und für die Demokratie.
Mit diesem großen Zustrom hatten die Organisatoren in Dresden nicht gerechnet. Die Demonstrationsroute musste kurzerhand verlegt werden. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

Großdemonstrationen Mehr als 100.000 Menschen demonstrieren in Sachsen gegen Rechts

21. Januar 2024, 20:27 Uhr

Deutlich wie nie haben sich in ganz Sachsen Menschen gegen die AfD, Rechtsextremismus und Ausgrenzung positioniert. Aktuellen Schätzungen zufolge gingen am Sonntag mehr als 100.000 Menschen auf die Straße und haben damit die Erwartungen der Organisatoren weit übertroffen. Die größten Kundgebungen gab es in Leipzig, Dresden und Chemnitz. In Görlitz hielt Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Rede.

In Sachsen sind am Sonntag mehr als 100.000 Menschen gegen Rechts auf die Straße gegangen. Mehrere Bündnisse, Gewerkschaften und Parteien hatten zu Kundgebungen in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Görlitz, Döbeln, Pirna, Radeberg und Torgau aufgerufen.

Teilnehmerzahlen übertreffen alle Erwartungen

Dabei wurden die Erwartungen der Organisatoren in allen Fällen deutlich übertroffen. Die größten Kundgebungen gab es in Leipzig und Dresden, wo laut Organisatoren 60.000 beziehungsweise 40.000 Teilnehmer gezählt wurden. Die Polizei in Leipzig spricht von einer Zahl im "mittleren fünfstelligen Bereich", die Polizei Dresden gibt auf Anfrage von MDR SACHSEN eine vorsichtige Schätzung von 30.000 Menschen ab.

Tränen der Freude in Chemnitz

In Chemnitz hatten die Veranstalter 200 Teilnehmer angemeldet. Am Ende beteiligten sich hier rund 12.000 Menschen, wie Veranstalter und Polizei übereinstimmend mitteilten. "Wir haben alle Tränen der Freude in den Augen", berichtet Erik Neubert von der Grünen Jugend im Gespräch mit MDR SACHSEN. Und auch wenn die Freude über so viele Unterstützer groß sei, sei man sich bewusst, dass mit einer Demonstration der Faschismus nicht besiegt werden kann. Ein AfD-Verbot könne nur ein erster Schritt sein.

Kraftvolles Zeichen Chemnitzer Bürger gegen Nazis
Auch in Chemnitz kamen deutlich mehr Menschen als erwartet, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Statt der angemeldeten 200 Teilnehmer kamen 12.000. Bildrechte: IMAGO / Wolfgang Schmidt

Das Verbot der AfD kann nur ein erster Schritt sein. Faschismus wird nicht im Parlament bekämpft, sondern auch am Arbeitsplatz und im Sportverein.

Erik Neubert Grüne Jugend Chemnitz

Demos in Dresden und Leipzig müssen umgeleitet werden

In Dresden und Leipzig mussten die Demonstrationsrouten wegen des großen Andrangs umverlegt werden. Tyran Sobadky von Fridays for future Dresden sagte MDR SACHSEN, dass niemand mit einem solchen Andrang gerechnet habe. "Wir sind stolz darauf, dass so viele Menschen gekommen sind. Es war die größte Demo, die wir bislang organisiert haben." Angemeldet waren in Dresden rund 1.000 Teilnehmende.

Die unerwartet hohe Teilnehmerzahl führte dazu, dass der Schlossplatz völlig überfüllt war und die Menschen auch auf der Brühlschen Terrasse und der Augustusbrücke standen, dort allerdings von den Reden der Kundgebung nichts hören konnten.

Teilnehmerin in Dresden hofft auf "Ruck in der Gesellschaft"

Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Die Teilnehmer, unter ihnen sowohl sehr viele Familien mit Kindern, aber auch ältere Dresdner, warteten geduldig, bis sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte. Auch wenn viele von ihnen nicht glauben, dass die jüngsten Recherchen über Rechtsextremismus in der AfD überzeugte Wähler umstimmen werde, so bliebe die Hoffnung, dass in der schweigenden Mitte einige aufwachten. "Mich haben die Enthüllungen nicht überrascht", erklärt die Dresdnerin Melanie, die mit ihrem Sohn Ole regelmäßig an Protesten gegen Rechts teilnimmt. "Aber vielleicht geht ein Ruck durch die Gesellschaft", hofft sie.

Demo gegen Rechts Dresden
Die Dresdnerin Melanie und ihr Sohn Ole hoffen, dass auch weiterhin viele Menschen gegen Rechts auf die Straße gehen. Bildrechte: MDR/Diana Köhler

Kretschmer in Görlitz: "Hier wird niemand remigriert"

In Görlitz sprach vor den nach Veranstalterangaben rund 2.800 Demo-Teilnehmern Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Eine MDR-Reporterin berichtet von einer "flammenden Rede" des CDU-Politikers, die von den Menschen vor Ort viel Applaus bekommt.

Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, spricht auf einer Demonstrationen gegen Rechtsextremismus auf dem Marienplatz.
In Görlitz warb Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer für den Zusammenhalt der Gesellschaft, um die Demokratie zu schützen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Kretschmer forderte den Zusammenhalt der Gesellschaft, trotz der aktuellen Probleme wie den Agrardiesel oder die Migration. Er appellierte an die staatsbürgerliche Verantwortung jedes Einzelnen, um die Demokratie zu erhalten. "Dieses Zeichen aus Görlitz ist so wichtig", so Kretschmer. "Hier wird niemand remigriert, weder unser Oberbürgermeister, noch unser Lieblingsitaliener, noch unser Nobel-Preisträger, noch unsere Technologie-Professoren."

Freie Sachsen mit Störaktion in Döbeln

Wenn auch deutlich kleiner als in Sachsens Großstädten, so zeigten sich beispielsweise auch die Organisatoren in Döbeln zufrieden. Laut Veranstalter Clemens Albrecht kamen rund 350 Menschen auf den Obermarkt, wo unter anderem Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU) und Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer (parteilos) zu den Kundgebungsteilnehmern sprachen.

Für eine Stadt im ländlichen Raum sei das "ein starkes Statement", so Albrecht. Vor Ort hätte sich sogar spontan die Gruppe "Omas gegen Rechts Döbeln" gegründet. Eine Störaktion der rechtsextremen Kleinstpartei "Freie Sachsen" sei von der Polizei abgeschirmt worden.

In einer ersten Bilanz der zuständigen Polizeidirektionen in Sachsen verliefen alle Demonstrationen am Sonntag weitgehend friedlich ab.

MDR (dkö/phb/ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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