Demonstrationsrecht Sachsen will Versammlungsfreiheit stärken und Medienschaffende besser schützen

23. August 2023, 10:57 Uhr

In Sachsen wird viel und vor allem hitzig protestiert. Das Sächsische Innenministerium will nun das Versammlungsrecht reformieren und an die aktuelle Rechtsprechung anpassen. Dafür hat es einen Gesetzentwurf vorgelegt. Vom neuen Demonstrationsrecht sollen sowohl Versammlungsteilnehmer als auch Medienschaffende profitieren. Außerdem soll es eine Neuregelung für sensible Orte geben.

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Sachsen will sein Versammlungsrecht modernisieren. Das Sächsische Innenministerium hat am Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt, der das Demonstrationsrecht stärker an die aktuelle Rechtspraxis und richterliche Beschlüsse anpassen soll.

Behinderung der medialen Berichterstattung soll stärker geahndet werden

So soll unter anderem der Schutz von Medienvertretern ausdrücklich als Aufgabe an die Behörden formuliert werden. Eine Behinderung der Tätigkeit von Pressevertretern soll künftig eine Ordnungswidrigkeit sein. Ordner müssten dem Entwurf nach nun namentlich benannt werden und könnten dann gegebenenfalls nicht zugelassen werden, sollte eine extremistische Einstufung bekannt sein.

Zudem sollen Versammlungen auch dann stattfinden können, wenn vorab keine Leiter festgelegt worden sind. Teilnehmer einer Demonstration könnten später einen Leiter aus ihren eigenen Reihen bestimmen. Damit fließt auch eine Erfahrung aus der Corona-Pandemie ein, als Versammlungen oftmals ohne einen Leiter stattfanden.

Versammlungen sollen darüber hinaus auch auf öffentlichen Flächen in Privateigentum – beispielsweise in Einkaufszentren – möglich sein. Der Eigentümer der privaten Fläche soll dabei in das behördliche Verfahren miteinbezogen werden, um seine Interessen zu wahren.

Neuregelung für Versammlungen an sensiblen Orte

Im neuen Gesetz soll auch eine Passage anders gefasst werden, mit der bisher das Versammlungsrecht an sensiblen Orten wie der Dresdner Frauenkirche und dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig eingeschränkt war. Sachsen hatte damit an "Orten mit besonderem Erinnerungswert" etwa Aufzüge von Rechtsextremen verhindern wollen. Gegen diese Regelung gab es allerdings verfassungsrechtliche Bedenken. Dennoch soll den Angaben zufolge auch künftig eine Norm im Gesetz enthalten sein, die eine Verherrlichung des Nationalsozialismus ausschließt und die Würde von Opfern der Diktatur schützt.

Schuster: Viele Demonstrationen in Sachsen

Für mögliche Auflagen und Einschränkungen seien weiterhin kommunale Behörden zuständig. Innenminister Armin Schuster (CDU) warb dafür, Demonstrationen anzumelden. Je mehr vorher bekannt sei, desto präziser könne eine Behörde mögliche Gefahren einschätzen. Den Versammlungsveranstaltern soll rechtzeitig ein Kooperationsgespräch angeboten werden.

"In kaum einem Bundesland finden mehr Aufzüge und Kundgebungen statt, um sich am politischen Diskurs zu beteiligen", sagte Schuster bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs.

In kaum einem Bundesland finden mehr Aufzüge und Kundgebungen statt, um sich am politischen Diskurs zu beteiligen.

Armin Schuster (CDU) Sächsischer Innenminister

Besonders im Herbst 2022 kam es zu vielen Demonstrationen in Sachsen, aufgrund verschiedener Themen wie Energiekrise, Inflation, Krieg oder die Corona-Pandemie. Auch in anderen Teilen Ostdeutschlands wurde viel öffentlich protestiert.

Zahlen der Versammlungsbehörden zeigen, dass am 3. Oktober 2022, dem Höhepunkt der Protestwelle in ganz Ostdeutschland, circa 100.000 Menschen auf der Straße waren. In allen westdeutschen Bundesländern waren es dagegen rund 10.000 Menschen.  

Journalistenverband: Reformpläne sind guter und notwendiger Schritt

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) in Sachsen begrüßte die Reformpläne. "Dass der besondere Schutz der freien medialen Berichterstattung der Medien bei Versammlungen ausdrücklich als Aufgabe der Behörden im Gesetzesentwurf verankert ist, ist ein guter und auch notwendiger Schritt," sagte Landesgeschäftsführer Lars Radau auf Anfrage von MDR SACHSEN. Hier habe sich insbesondere bei der Polizei und in den Großstädten in den vergangenen Jahren schon viel getan. "In der Fläche und in kleineren Kommunen hilft es den Kolleg*innen hoffentlich, sich jetzt schon in der Vorbereitung (von Berichterstattung) darauf berufen zu können."

Auch dass die Behinderung von Medienvertretern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden solle, sei richtig. "Aus unserer Sicht ist es allerdings ebenso notwendig, diese Konsequenzen zeitnah und stringent umzusetzen" so Radau.

MDR (mad)/epd

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Die Nachrichten | 22. August 2023 | 15:00 Uhr

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