Autos und eine Gruppe Radfahrer auf einer Landstraße. 2 min
Video: Mehr E-Bikes im Straßenverkehr haben bisher nicht zu mehr Unfällen geführt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Verkehr Immer mehr E-Bikes: Trotzdem bleibt Zahl der Unfälle mit Fahrrädern in Thüringen konstant

30. November 2023, 16:24 Uhr

2019 gab es in deutschen Haushalten 4,5 Millionen E-Bikes. Im Jahr 2022 waren es bereits 8,4 Millionen. Der Boom bei den Verkäufen ist beeindruckend. Ein Siegeszug ohne Gleichen. Von Rad- und Wanderwegen sind die mitunter schweren Zweiräder kaum noch wegzudenken. Immer mehr Menschen sind deshalb per Fahrrad unterwegs - oft auch Menschen, die das Fahrrad zuvor gemieden haben. Ob das zu neuen Konflikten auf den Straßen führt?

Wer sich durch die Unfallstatistiken hangelt, die öffentlich einsehbar sind, findet dafür keine Belege: Die Zahl der Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern hat auf Thüringer Straßen nicht signifikant zugenommen, seit E-Bikes so massiv boomen. 2013 gab es 1.494 Unfälle, 2018 war mit 1.898 ein Höchststand erreicht. 2022 lag die Zahl bei 1.753.

Zahl der Unfälle zwischen Radfahrern und Lkw
Jahr Fälle
2015 71
2020 55
2022 89
Zahl der Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern
Jahr Fälle
2015 90
2020 76
2022 82
Unfälle zwischen Auto- und Radfahrern
Jahr Fälle
2015 765
2020 1.194
2022 1.098

Zudem verfügten E-Bikes in aller Regel über eine komplette Sicherheitsausstattung. "Die haben gute Bremsen und sind für Gefahrensituationen häufig besser gewappnet als andere Räder, die teilweise nicht auf dem technischen Stand sind." Vereinzelt gebe es technisch bedingte Unfälle, sagt Karsten Pehlke, verkehrspolitischer Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Thüringen.

Ein Fahrradfahrer im Straßenverkehr
Karsten Pehlke, Vekehrspolitischer Sprecher des ADFC Thüringen, pendelt regelmäßig mit dem Fahrrad von Schleusingen nach Suhl. Bildrechte: MDR/Florian Girwert

"Die sind beim Losfahren überrascht, wie viel Unterstützung vom Elektromotor kommt und stürzen." Das sei aber kein Massenphänomen - und polizeibekannt wird es auch nicht.

In den größeren Städten seien normale Fahrräder bisher das übliche Verkehrsmittel, heißt es von der Polizei. Und dort lauern mehr Konflikte, im sogenannten Mischverkehr: "Wo die Verkehrsarten zusammenkommen. Fahrradfahrer, Fußgänger, Autoverkehr oder Lkws", sagt Polizeisprecher Martin. "Das einzige, was dort hilft, sind Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme."

Es hat Vorteile, wenn mehr Menschen Rad fahren und die andere Perspektive kennenlernen, Verständnis entwickeln und sich dann gegebenenfalls anders verhalten im Straßenverkehr.

Karsten Pehlke Verkehrspolitischer Sprecher des ADFC Thüringen

Auf schwächere Verkehrsteilnehmer müsse geachtet werden - und schwächere Verkehrsteilnehmer, also auf der Straße die Radfahrer, müssten sich achtsam im Verkehr bewegen. Dann würden die Unfallzahlen nicht steigen. Denn eng und Konflikt behaftet werde es in den Städten bleiben. "Also sollten Radfahrer alle Möglichkeiten des passiven Schutzes ausloten. Beleuchtung, erhöhte Sichtbarkeit durch Reflektoren."

Der ADFC sieht an dieser Stelle im E-Bike-Boom sogar eine Chance: "Es hat Vorteile, wenn mehr Menschen Rad fahren und die andere Perspektive kennenlernen, Verständnis entwickeln und sich dann gegebenenfalls anders verhalten im Straßenverkehr", berichtet Pehlke.

Mehrheit der Autofahrer verhält sich korrekt

Ohnehin verhalte sich die Mehrheit der Autofahrer korrekt. 60 bis 70 Prozent seien das. "Die bremsen runter, halten Abstand." Einige würden sich aus Unkenntnis falsch verhalten. "Die wissen einfach nicht, wie man sich fühlt auf dem Fahrrad, wenn zwei Tonnen an einem vorbeirauschen mit wenig Abstand und hoher Geschwindigkeit." Wenn aus dieser Gruppe neue E-Bike-Nutzer kommen, sei das eine gute Sache.

Doch natürlich geht es im Straßenverkehr nicht immer um das Verhältnis schwacher Radfahrer gegen starke Autofahrer, sondern auch um Radfahrer. Das sei zwar kein weit verbreitetes Phänomen. "Aber es gibt bei einigen Menschen die Neigung dazu, zu sagen: 'Ich will heute was trinken. Und deswegen nehme ich das Fahrrad zur Kneipe."

Das sei ein Trugschluss, denn natürlich dürften Radfahrer nicht betrunken fahren. Das wissen aber offenbar nicht alle: "Wir sehen da steigende Aufgriffszahlen." Das sei aber eher eine Gefahr für die Radfahrer selbst, denn sie sind in der Regel die schwächeren Verkehrsteilnehmer.

Alkohol als Unfallursache bei Radfahrern
Jahr Fälle
2015 103
2020 124
2022 125

Der Eindruck aus manchen sozialen Netzwerken, dass Rad- und Autofahrer sich immer öfter als Feinde gegenüberstehen, können weder Polizei noch Radfahrer bestätigen. "Ich stelle fest, dass mehr Rücksicht genommen wird auf den Straßen", sagt ADFC-Mann Pehlke.

"Man gewöhnt sich mehr an Radfahrer, fährt mit Abständen." Dass "das Verhalten Einzelner, die die Straße mit einer Wettkampfarena verwechseln, nicht schön ist, das mag sein", sagt er. "Aber solche Leute gibt es überall. Solche Radfahrer gibt es und solche Autofahrer gibt es. Aber das sind Einzelpersonen."

Mehr zum Thema Radfahren

MDR (flog/co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 30. November 2023 | 18:00 Uhr

2 Kommentare

ADFC vor 24 Wochen

Danke für die Kritik. Die Frage war, ob die Stimmung auf den Straßen (noch) aggressiver geworden ist. Das ist sie nicht. Zu ausreichend guten Bedingungen zum sicheren Radfahren ist es noch ein langer Weg. Da stimme wir überein.

Thüringen hat 2023 einen Radwegeanteil an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen von nur 9,5 % (Längenstatistik, BMDV). In Thüringen verlaufen 0,7 % der Radverkehrsunfälle tödlich und 21% haben Schwerverletzte zur Folge. Insgesamt starben in den Jahren 2019 bis 2022 bei Radverkehrsunfällen 30 Personen, 893 wurden schwer und 3.309 leicht verletzt. 2/3 der Unfälle sind durch KfZ verursacht. (Unfallatlas Deuschland)
In Ländervergleich gehören wir damit zu den Schlusslichtern in Deutschland.

Unter Anderem deshalb setzen wir uns als ADFC Thüringen für bessere Randbedingungen im Radverkehr ein. Wir freuen uns über jeden unzufriedenen Menschen der uns aktiv unterstützt. Wie? Infos dazu gibt es auf der Homepage des ADFC Thüringen.
K. Pehlke

pepe79 vor 24 Wochen

Also ich weiß nicht wie man bei Unfallzahlen zwischen Rad und PKW 2015 (765) und 2022 (1098) datauf kommdn kann dass nicht mehr passiert. Das ist ein Zuwachs von 43% ! Das es 2020 noch mehr waren liegt wahrscheinlich daran da@s im ersten Coronajahr der Fahrradboom am stärksten war.
60-70 % der Autofahrer verhalten sich korrekt...toll da nehmen 30-40% immer noch nicht genug Rücksicht auf Radfahrer, was ist daran gut? So eine schlechte Lagebeurteilung/ Einschätzung liest man selten! Setzen 6!

Mehr aus Thüringen