Forschungsprojekt Space2Ride Mit Big Data 1,5 Meter Sicherheitsabstand für Radfahrende
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05. September 2021, 05:00 Uhr
Einmeterfünfzig Abstand beim Überholen von Fahrradfahrenden, das sieht die neue Straßenverkehrsordnung vor. Denn, abgesehen vom Rechtsabbiegen, ist das zu enge Überholen Hauptursache von Radverkehrsunfällen. Doch nur, wenn Städte genau über die Engpässe im Straßenverkehr Bescheid wissen, können sie handeln. Ein Forschungsprojekt aus Startup, TU Dresden und Stadt Leipzig sucht deshalb mit Big Data und Sensoren nach neuen Lösungen. "Space2Ride" ist gerade gestartet.
Es sieht aus wie ein Fahrradlicht, wiegt kaum achtzig Gramm und hat eine integrierte Kamera, ein Tagfahrlicht und einen Abstandsmesser. Ein kleines Gerät voll High Technology, so die Geschäftsführerin der Dashfactory, einem Startup mit Sitz in Jena und Leipzig, das die sogenannte Dashbike entwickelt.
Gründerin Leila König: "Die Dashbike wird direkt unter dem Sattel oder an der Sattelstange oder am Körbchen befestigt, wo auch immer das beim Fahrradfahren passt, sie ist eine Sicherheitskamera für Radfahrende."
Und für die Forschenden am Space2Ride-Projekt (dt. Platz zum Radfahren) der Fakultät für Verkehrswissenschaft an der TU Dresden ein neues unverzichtbares Hilfsmittel, Verkehrsingenieur Sven Lißner: "Dieses Fahrrad-Rücklicht hat die Besonderheit, dass es sowohl per Infrarot und einem Sensor den seitlichen Überholabstand messen kann, als auch mit einer integrierten Kamera, das Ganze quasi in Bildern dokumentiert."
Für Lißner sei es der Vorteil, dass man eben diese Dokumentation nutzen könne, um die Zusammenhänge zwischen bebauter Umwelt, Verkehrssituation und Überholabstand gegenüber den Radfahrenden aufzuzeigen – und daraus Modelle für die Verkehrsplanung entwickeln könne.
Unfallschwerpunkte finden und entschärfen
Modelle für Straßenbau und Verkehrsführungen, die u.a. dabei helfen können, Unfallschwerpunkte im engen Verkehrsraum zwischen Pkws und Fahrrädern zu entschärfen. Dafür fehlen aber belastbare Daten. Die Daten aus der Dashbike hingegen protokollieren Überholabstände ganz einfach während der Fahrt.
Sven Lißner: "Das passiert nur, wenn Sie von hinten überholt werden, also der Pkw von hinten an ihnen vorbeifährt. Und das passiert auch nur auf ihrer linken und nicht auf der rechten Seite", so der Verkehrswissenschaftler. "Wenn sie dann das Fahrrad abgestellt haben, greifen Sie ganz normal an ihre Sattelstange und können das Rücklicht entfernen, beziehungsweise können mit ihrem Telefon eine Bluetooth-Verbindung aufbauen. Und dann werden die Daten automatisch übertragen." Für Nutzende sei das eigentlich eine sehr komfortable Situation, weil sie im Endeffekt gar nichts weiter machen müssten.
Großes Interesse bei Proband*innen, weitere Teilnehmende gesucht
Nutzende im jetzigen Pilotprojekt von Space2Ride sind Radfahrende aus Leipzig, die – unterstützt von der Stadtverwaltung – am Dresdner Forschungsprojekt unter Leitung von Sven Lißner mitwirken. 250 Teilnehmende waren geplant, fast 600 haben sich gemeldet.
"Ein bisschen mehr ältere Leute und mehr Frauen wären auch noch schön", so Lißner, "damit wir tatsächlich eine repräsentative Stichprobe bekommen können."
Die Feldphase, also die Datenerhebung auf Leipziger Straßen, die Ausstattung mit den Dashcams und die praktische Nutzung im Alltag, soll demnächst starten. Jeweils über drei Wochen werden dann Daten aufgezeichnet, anonym ausgewertet und zugänglich gemacht.
Forschende werden auch vor Ort sein
"Anschließend werden wir dann im besten Fall Punkte identifizieren, wo besonders nahe überholt wird", erklärt Sven Lißner. Aber nicht nur das: "Was wir parallel auch noch machen während der laufenden Feldstudie ist, dass wir in Leipzig auch noch mal vor Ort sein werden und dort auf andere Art und Weise Überholabstände messen, sodass wir einen direkten Vergleich haben, wie unterschiedliche Systeme funktionieren. Und natürlich auch mal eine Langzeitmessung an einem bestimmten Punkt in der Stadt durchführen können."
Die Dashbike des Leipziger Startups will nicht nur tagesaktuelle Praxisdaten liefern, die anonym und datenschutzkonform beispielsweise bei einem Unfall an Polizei und Gerichte übermittelt werden können, sie will – im Kooperationsverbund mit der Stadt Leipzig und den Dresdner Forschern –, dass weniger weiße Ghostbikes an den Straßenrändern an Verkehrstote erinnern.
Interessierte können über diesen Link an der Studie teilnehmen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. August 2021 | 07:30 Uhr