Integration SPD- und CDU-Landräte schlagen Alarm wegen Flüchtlingspolitik

16. Mai 2023, 10:22 Uhr

Vor dem Thüringer Flüchtlingsgipfel am Dienstag fordert der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU), Flüchtlinge sollten nur Wohnungen bekommen, wenn sie arbeiten. SPD-Landrat Onno Eckert (Landkreis Gotha) kann nach eigenen Angaben gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Dies hatten zuvor bereits andere Landräte bekundet.

Vor dem Thüringer Flüchtlingsgipfel (mehr zum Ablauf de Gipfels lesen Sie hier) am Dienstag in Waltershausen hat der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU) klare Forderungen formuliert.

Drei Frauen gehen spazieren.
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Bodo Schackow

In einem Schreiben an die Thüringer Migrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne), das der Landkreis am Montag veröffentlichte, heißt es, Integration funktioniere nur über Arbeit. Von erwerbsfähigen Flüchtlingen müsse erwartet werden können, dass sie arbeiten "und die Spielregeln lernen". Geschehe das nicht, versinke man im Chaos, so Henning.

Solange das Asylverfahren läuft, dürfen Geflüchtete nicht arbeiten.

Sprecherin des Thüringer Migrationsministeriums

Allerdings ist es erwerbsfähigen Flüchtlingen in Deutschland zunächst gar nicht möglich, sich auf eine Arbeitsstelle zu bewerben. "Solange das Asylverfahren läuft, dürfen Geflüchtete nicht arbeiten", sagte eine Sprecherin des Thüringer Migrationsministeriums MDR THÜRINGEN. Genauer heißt es auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: "Asylbewerber dürfen, solange sie verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, keine Erwerbstätigkeit und damit auch keine Ausbildung aufnehmen."

Die Dauer der einzelnen Asylbewerberverfahren variiert. "Die Gesamtverfahrensdauer der Erst- und Folgeanträge für das gesamte Bundesgebiet betrug im Zeitraum Januar bis April 2023 6,5 Monate." heißt es auf der Website des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

Ukrainische Geflüchtete dürfen arbeiten

Anders ist es bei Geflüchteten aus der Ukraine: Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen, sondern haben sofort ähnliche Rechte wie anerkannte Flüchtlinge. Wer aus der Ukraine nach Deutschland geflohen ist, bekommt eine Aufenthaltserlaubnis (nach § 24 des Aufenthaltsschutzgesetzes). Mit dieser Aufenthaltserlaubnis ist es möglich, in Deutschland zu arbeiten.

Tausende Flüchtlinge in Thüringen arbeitssuchend

Nach Zahlen der Landesarbeitsagentur waren im April dieses Jahres von 14.548 gemeldeten ukrainischen Flüchtlingen 11.930 als Arbeitssuchende erfasst. Von 10.475 gemeldeten Flüchtlingen aus Asylherkunftsländern wie Afghanistan, Eritrea, Irak oder Syrien waren demnach 7.328 als Arbeitssuchende erfasst. Diese Zahlen beziehen sich lediglich auf Geflüchtete im Rechtskreis des Sozialgesetzbuches (SGB) II.

Drei Frauen gehen auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Thüringen spazieren
Blick auf die Thüringer Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl. (Archivfoto Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Bodo Schackow

Die Zahlen zeigen, dass durchaus viele Flüchtlinge einer Arbeit nachgehen. So gab es mit Stichtag Ende Oktober 2022 in Thüringen 2.721 ukrainische Flüchtlinge sowie 10.232 Menschen aus verschiedenen Asylherkunftsländern in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Eichsfelder Landrat: Pflicht zum Beherbergen begrenzen

Landrat Henning forderte darüber hinaus rechtliche Möglichkeiten für Landkreise und kreisfreie Städte, die Pflicht zum Beherbergen der Menschen zeitlich zu begrenzen. Wohnungen dürften nur noch an Menschen vergeben werden, die sich und ihre Familien durch eigene Arbeit ernähren wollen.

"Wir können nicht fortwährend noch größere Gemeinschaftsquartiere schaffen, die wir dauerhaft als Wohnheime für Gäste betreiben, welche sozialversicherungspflichtig arbeiten könnten, dieses aber nicht tun", sagte Henning. Solche Angebote gebe es auch nicht für Gemeindemitglieder, die Arbeit ablehnten.

Der Landkreis Gotha kann nach eigenen Angaben keine weiteren Flüchtlingen aufnehmen. Das hat Landrat Onno Eckert (SPD) im Vorfeld des Flüchtlingsgipfels am Dienstag in Waltershausen in einem Brief an das Landesverwaltungsamt erklärt. Der Brief liegt MDR THÜRINGEN vor. Dem Landkreis fehle es nicht an Willen, aber an Platz und Aufnahmekapazitäten. Wohnungen, um die Menschen dezentral unterzubringen, sind nach Eckerts Worten schon seit Ende vergangenen Jahres kaum noch verfügbar. Auch Plätze in Gemeinschaftsunterkünften seien "trotz Verdichtung und Erweiterung erschöpft".

Eckert schreibt weiter, dass die Flüchtlingszuweisungen entsprechend des Thüringer Verteilplanes "nicht mehr zu bewältigen" seien. Das könne sich erst ändern, wenn es neue Kapazitäten gebe. Er habe Pläne vorbereitet, um mehrere Hundert Menschen unterzubringen. Die könnten aber nur Realität werden, wenn das Land für die Kosten aufkommt. Zuerst hatte Bild.de über den Brief Eckerts berichtet.

Landkreistag erwartet finanzielle Zusagen des Landes

Der Thüringische Landkreistag erwartet vom Flüchtlingsgipfel klare finanzielle Zusagen des Landes. Wie Geschäftsführer Thomas Budde MDR THÜRINGEN sagte, soll bei dem Treffen geklärt werden, wie Flüchtlinge in den Gemeinden und Städten zukünftig finanziert und untergebracht werden. Gemeinden und Städte kämen bei der Unterbringung an ihre Grenze. Obwohl sie damit eine staatliche Aufgabe übernehmen, sei das vom Bund beschlossene Geld bisher noch nicht bei den Kommunen gelandet.

Auch die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag drängt darauf, dass das vom Bund zugesagte zusätzliche Geld vollständig an die Kommunen durchgereicht werde. Fraktionschef Mario Voigt sagte, der Thüringer Anteil an der Bundes-Milliarde müsse "bis zum letzten Cent" bei den Kommunen landen.

Zu dem Flüchtlingsgipfel in Waltershausen lädt der Landkreistag ein. Eingeladen sind neben den Landräten auch Ministerpräsident Bodo Ramelow und Ministerin Doreen Denstädt.

Mehr zum Thema Flüchtlinge und Arbeit

MDR (kku/lou/dpa/mm/caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 15. Mai 2023 | 11:00 Uhr

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