Bildungsminister Digitaler Unterricht als Rezept gegen fehlende Lehrer

22. November 2022, 00:29 Uhr

Während der Pandemie machten Thüringer Schulen erstmals im großen Stil Erfahrungen mit digitalem Unterricht. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter will ihn gleichberechtigt neben regulärem Unterricht Alltag werden lassen. Eltern- und Lehrervertreter zeigen sich aufgeschlossen. Die Opposition kritisiert den Vorschlag.

Digitaler Unterricht an Thüringens Schulen kann laut Bildungsminister Helmut Holter (Linke) gegen den Lehrermangel helfen. Holter sagte, es gehe nicht darum, Lehrer zu ersetzen oder Stellen einzusparen, sondern dass moderne Unterrichtsformen Einzug hielten. Analoger und digitaler Unterricht sollten seiner Meinung nach in den Schulen gleichberechtigt Alltag werden.

Holter nannte als Beispiel eine Hybrid-Variante: Denkbar sei, dass ein Fachlehrer in einer Schule Physik unterrichte - und mehrere Klassen aus Schulen zugeschaltet seien, wo es nicht genügend Physiklehrer gebe. Dafür müssten zuvor aber Datenschutzfragen geklärt werden.

Eltern- und Lehrervertreter für digitalen Unterricht

In Thüringen werden derzeit verschiedene Vorschläge zur Änderung des Schulgesetzes diskutiert. Ein Entwurf der Fraktionen von Linke, SPD und Grüne sieht vor, eine rechtliche Grundlage für Distanzunterricht zu schaffen.

Eltern- und Lehrervertreter befürworten weitgehend mehr digitalen Unterricht an Schulen. Frank Fritze vom Lehrerverband sagte, wo Lehrer fehlen, könnten Klassen gemeinsam online unterrichtet werden. Die digitale Variante dürfe den normalen Unterricht im Klassenzimmer aber nicht ersetzen.

Aus Sicht der Landeselternvertretung sollte prinzipiell jedes Mittel genutzt werden, um möglichst viel Unterricht abdecken zu können. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spricht sich für digitalen Unterricht auf Zeit aus - und nur innerhalb einer Schule. Für naturwissenschaftliche Fächer mit Experimenten hält die GEW digitalen Unterricht dagegen für ungeeignet.

Opposition lehnt Holters Vorschlag ab

Der Thüringer CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sieht das Vorhaben kritisch. Die Vorschläge von Rot-Rot-Grün gingen den Schulen an den Kragen, sagte er. "Sie wollen das Lehrerproblem dadurch lösen, dass man jetzt das Distanzlernen gesetzlich legitimiert. Das ist nicht unser Bild von Schule", sagte Tischner. Man könne digitale Hilfsmittel benutzen, aber dadurch ersetze man keine Lehrer.

Die FDP-Bildungspolitikerin Franziska Baum sagte, Holters Idee sei "kein großer pädagogischer Wurf". Ein Lehrer im Stream müsse nicht unbedingt besser sein als ein Youtube-Video. Am ehesten könne sie sich ein solches Modell noch in Berufsschulen vorstellen. Baum regte an, die Schulen zumindest zeitweise für Nicht-Akademiker zu öffnen, um den Lehrermangel in den Griff zu bekommen.

Die Thüringer AfD-Fraktion kritisierte Holters Vorschlag. "Nichts ersetzt den Regelunterricht, in dem Schüler mit den Lehrern interagieren und kommunizieren können", erklärte der bildungspolitische Sprecher Denny Jankowski. Er forderte die Gründung einer pädagogischen Hochschule in Thüringen für die Aus- und Weiterbildung von Pädagogen und Erziehern.

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MDR/dpa (vle/sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 22. November 2022 | 06:00 Uhr

7 Kommentare

Sozialberuflerin am 23.11.2022

Wie stellen Schüler fragen?

Wie ist eine Erklärung seitens des Lehrers einem einzelnen gegenüber, der es womöglich immer noch nicht verstanden hat (soll es ja geben) möglich?

Wer kontrolliert die Anwesenheit der Schüler in der Klasse, die online unterrichtet wird?

Wie ist das generell, in den digital eher schlecht gestellten Schulen Thüringens überhaupt umsetzbar?

Werden Schüler, in den online-Fächern dann auch nach Norm bewertet und geprüft? Oder gibt man ihnen hier "angepasstere" Chancen?

Wer nimmt Prüfungen und Leistungstests überhaupt ab?

Und was mich am meisten interessiert....
"Holter sagte, es gehe nicht darum, Lehrer zu ersetzen oder Stellen einzusparen,..."
Glaubt er das selber?

"Eltern- und Lehrervertreter befürworten weitgehend mehr digitalen Unterricht an Schulen."
Ich weiß ja nicht wer da wirklich wen vertritt. Aber ich fühle mich keineswegs vertreten weil ich möchte, daß mein Kind sozial gebildet wird und nicht digital!!!


Hamisch112358 am 22.11.2022

Setzt Schüler vor einen Bildschirm und nach 12 Jahren kommen allseits gebildete, fleißige junge Erwachsene aus der Schule. Wer nie einen Lehrer hatte, der einen beeindruckt, begeistert oder verändert hat... Kein Mensch braucht gute Lehrer, es gibt doch youtube.

Lyn am 22.11.2022

Kommt auf das Alter der Lehrer an.
Wer online einkaufen und buchen kann, kann sowas auch lernen.
Für HO musste eine meiner Töchter auch dazu lernen, hat geklappt.
Das lahme Internet in den abgelegenen Dörfern ist ein Problem, aber die meisten Schulen sind doch eher zentral... und ich staune immer noch, dass wir plötzlich 4G haben.

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