Waldohreule in Voliere
Die Waldohreule gehört zu den Dauerpfleglingen. Bildrechte: Claudia Götze/MDR THÜRINGEN

Bei Mühlhausen Vogelschutzwarte Seebach: Weniger pflegebedürftige Tiere als 2022 abgegeben

04. Januar 2024, 14:59 Uhr

Vom Igel bis zum Storch: In der Auffang- und Pflegestation der Vogelschutzwarte Seebach bei Mühlhausen werden beispielsweise Vögel nach einem Sturz aus dem Nest wieder aufgepäppelt. Knapp die Hälfte der Tiere kann im Schnitt wieder ausgewildert werden. 2023 gab es jedoch weniger Neuzugänge als im Vorjahr.

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Im Vorjahr wurden 265 Tiere in der Auffang- und Pflegestation der Vogelschutzwarte Seebach bei Mühlhausen aufgenommen. Das sind knapp zehn Prozent weniger als 2022. Zu den 265 Tieren zählten 218 Wildvögel aus 43 Arten, 16 Reptilien und 16 Säugetiere. 43 Prozent der Patienten konnten wieder ausgewildert werden. Für 107 Tiere waren die Verletzungen so schwerwiegend, dass sie verstarben oder eingeschläfert werden mussten.

Rückgang hängt mit Futtermangel zusammen

Der erneute Rückgang der aufgenommenen Tiere hat mit den extremen Temperaturen und dem Futtermangel zu tun. "Weniger Futter bedeutet weniger oder geschwächter Nachwuchs", sagt Juliane Balmer, Leiterin der Auffang- und Pflegestation der Vogelschutzwarte Seebach.

Weniger Futter bedeutet weniger oder geschwächter Nachwuchs.

Juliane Balmer Leiterin der Auffang- und Pflegestation der Vogelschutzwarte Seebach

Das Jahr 2023 sei ein unterdurchschnittliches Reproduktionsjahr gewesen, das heißt, es gab weniger Nachwuchs. Einem nassen April sei ein zu warmer Sommer gefolgt. Nur wenige Vogelarten profitieren von dieser Situation. Greifvögel hatten deshalb weniger Nachwuchs. Im Jahr 2021 waren in Seebach noch 380 verletzte Tiere abgegeben worden.

Vogelschutzvoliere von Laub umgeben
Diese große Voliere ist für einen am Flügel verletzten Seeadler gebaut worden. Bildrechte: Claudia Götze/MDR THÜRINGEN

Turmfalken werden am häufigsten aufgenommen

Die Statistik der Wildvögel führt wie in den Vorjahren der Turmfalke an, 28 Turmfalken wurden eingeliefert. An zweite Stelle rückt 2023 die Stockente: 18 flauschige Entenküken und zwei Alt-Vögel wurden aufgenommen. Die Hälfte der Küken ist in Seebach großgezogen worden. Die andere Hälfte wurde von Entenfamilien adoptiert.

Zahlreich in der Statistik vertreten sind auch Mäusebussarde (19), Mehlschwalben (13), Mauersegler (11) und Amseln (10). Auch seltene Wildvögel wie Graugänse, Eisvogel, Feldlerche, Gimpel, Kraniche, Schwarzmilan, Wasserralle oder Waldschnepfe landeten in Seebach.

Waldohreulen sitzen auf Korb in Zimmer
Diese zwei jungen Waldohreulen konnten wieder gesund gepflegt und ausgewildert werden. Bildrechte: Juliane Balmer/MDR THÜRINGEN

Aus dem Nest gefallene Vögel erleiden oft Knochenbrüche

Viele junge Wildvögel seien aus dem Nest gefallen, von den Eltern aus dem Nest geworfen worden oder zu früh dran gewesen, sagt Juliane Balmer. Sie würden oft Mehrfachbrüche und Quetschungen erleiden. Sehr häufig prallen Vögel gegen die Scheiben von Auto und Lkw. Zudem würden Katzen oft Vögel anschleppen.

Eine Waldschnepfe erlitt eine Schlüsselbeinfraktur, weil sie auf eine Scheibe aufprallte. Eine Wasserralle hatte ein Anflugtrauma und war längere Zeit erblindet. Sie musste deshalb zwangsgefüttert werden, um wieder fit zu werden.

Störche verenden oft an Müll im Magen

Aufgenommen werden mussten auch fünf Weiß- und ein Schwarzstorch, darunter auch ein junger Weißstorch vom Horst der Wasserburg der Vogelschutzwarte. Er habe sich kaum noch bewegen können und verstarb kurze Zeit später an Organversagen. Auch weitere Jungstörche mussten dieses Schicksal erleiden.

Nach Obduktionen wurde angenommen, dass sich Gummiringe und Plastikteile in den Mägen befanden. Weitere Recherchen ergaben, dass es sich um Gummibänder aus privaten Biotonnen handeln könnte, die von den Elternstörchen in Kompostierungsanlagen mit lebenden Würmern verwechselt wurden.

Haus ist in Baugerüst eingekleidet
Die Vogelschutzwarte Seebach nimmt seit Jahrzehnten verletzte Tiere auf. Derzeit wird sie während des Betriebs saniert. Bildrechte: Claudia Götze/MDR THÜRINGEN

Fledermäuse und Igel größtenteils wieder ausgewildert

Wegen des neuen Naturschutzgesetzes werden seit 2019 auch verletzte Fledermäuse und Igel nach Seebach gebracht. 2023 waren das 16 Tiere. Die meisten sind schon wieder ausgewildert.

Neue Besitzer für sechs Bartagamen gesucht

Stark rückläufig sind Beschlagnahmungen von illegalen Reptilien und Schlangen. In diesem Bereich der Warte wohnen auch noch sechs Bartagamen, für die neue Besitzer gesucht werden. Laut Vogelschutzwarte werden die Schuppenkriechtiere kostenlos, aber nur jeweils im Dreier-Pack abgegeben. Auch eine gelbe Anakonda könnte abgeholt werden. Die Kornnatter, das Jemenchamäleon, der Steppenwaran und fünf Wasserschildkröten seien bereits vermittelt.

Jemenchameleon  in Käfig
Auch das Jemenchamäleon wurde in der Seebach wieder aufgepeppelt. Inzwischen konnte es an neue Besitzer vermittelt werden. Bildrechte: Juliane Balmer/MDR THÜRINGEN

30 Dauergäste zur Pflege in der Station

Die Zahl der Dauerpfleglinge liegt derzeit bei 30. Dazu gehören unter anderem Dohlen, Turmfalken, Waldkauze, Eulen, Krähen und Eichelhäher und Mäusebussarde. Auch ein am Flügel verletzter Seeadler wohnt dauerhaft in der Pflegestation. Für ihn wurde eine große Voliere mit Wasserteich gebaut.

Die Vogelschutzwarte ist das fachliche Zentrum rings um den Vogel- und Fledermausschutz in Thüringen. Seit 1993 ist sie eine Außenstelle des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz in Jena - der Vogelschutz ist eine staatliche Aufgabe. Die Seebacher Warte wird derzeit saniert, nimmt aber weiter Tiere auf.

MDR (ost)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Vormittag | 04. Januar 2024 | 18:45 Uhr

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