Thüringer Leichtathletin Talent aus Zeulenroda: Siebenkämpferin Serina Riedel startet durch

05. September 2022, 11:06 Uhr

Mit einer Silbermedaille von der U20-Weltmeisterschaft im Gepäck beginnt für Siebenkämpferin Serina Riedel ein neuer Lebensabschnitt: Nach dem Abi hat sie ihrer Heimatregion Ostthüringen den Rücken gekehrt und Anfang September ihre Ausbildung bei der Bundespolizei begonnen. MDR THÜRINGEN hat die 19-Jährige beim letzten Training in Zeulenroda besucht.

Eine Gruppe Sportler wärmt sich mit Ballspielen im Stadion Zeulenroda auf. Wäre da nicht das leuchtend gelbe Trikot der Nationalmannschaft, die zierliche Serina Riedel würde in dieser Gruppe von Leichtathleten gar nicht auffallen.

Mit 19 Jahren, nach ihrem Abitur, verlässt sie nun ihren Heimatverein TSV Zeulenroda. Der war für Serina immer so etwas wie eine Familie: "Hier kannst du alles machen, was du möchtest. Wenn du keine Lust auf Training hast, kommst du einfach nicht. Wenn du aber Leistung bringen möchtest, machst du das hier." Also kam Serina zum Training - bis zu sechsmal pro Woche übte sie das Werfen, Laufen und Springen. Sieben Disziplinen muss die 19-Jährige auf den Punkt beherrschen. Die Silbermedaille bei der U20-WM im August in Kolumbien war ein erster Fingerzeig Richtung Weltspitze.

Disziplinen im Siebenkampf der Frauen 100-Meter-Hürdenlauf, Hochsprung, Kugelstoßen, 200-Meter-Lauf, Weitsprung, Speerwurf und 800-Meter-Lauf sind die Disziplinen im Siebenkampf der Frauen. Ein Wettkampf zieht sich über zwei Tage.

Heimatverein statt Sportschule

Der Wechsel ans Sportgymnasium nach Jena oder Erfurt war für die Siebenkämpferin keine Option. Ihre Sportart wird dort nicht ausgebildet, der Fokus liegt auf dem Werfen oder Laufen. "Klar, in der Grundschule wollte ich immer hin. An der Sportschule sind die Guten. Aber irgendwann wollte ich das nicht mehr, ich wollte nicht von zu Hause weg", sagt die junge Frau aus dem Örtchen Naitschau. Der Erfolg mit ihrem Verein gibt ihr Recht.

"Sie ist ein Knaller"

Der TSV Zeulenroda und regionale Sponsoren haben sie auf ihrem harten Weg an die Weltspitze unterstützt. Sie boxte sich durch, obwohl es in Zeulenroda keine große Trainingshalle mit Tartanbahn und allen Extras gibt, die eine international erfolgreiche Athletin braucht.

Sie ist ein Knaller, ich sage, das passiert uns vielleicht mal alle 50, alle 100 Jahre.

Peter Fleißner

Nachdem ihr ehemaliger Trainer Peter Fleißner in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist, übernahm vor zwei Jahren Tom Mäusebach ihr Coaching. "Wir sind beide engstirnig und auch mal aneinandergeraten, aber es hat gepasst, wir sind beide motiviert", erzählt die Leichtathletin. Der ehrenamtliche Trainer investierte viel, viel Zeit, Serina fit zu machen. "Sie ist ein Knaller, ich sage, das passiert uns vielleicht mal alle 50, alle 100 Jahre", so der ehemalige Zehnkämpfer.

Wenig Unterstützung vom Verband

Bei so viel Talent hätten sich Sportlerin und Trainer mehr finanzielle und moralische Unterstützung vom Thüringer Leichtathletikverband gewünscht. Schwerpunkt sei in Thüringen allerdings das Laufen und Werfen, sagt Verbandspräsident Heinz-Wolfgang Lahmann und verweist auf Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler. Die Richtlinien und Statuten ließen die Förderung einer Bundeskaderathletin nicht zu, das wäre Sache des Deutschen Verbandes.

Trainer Mäusebach findet solche Diskussionen anstrengend und kritisiert die Leistungssportreform, die es vor gut zwei Jahren im Thüringer Leichtathletikverband gab: "Der Mehrkampf wurde zwar nicht verstoßen, aber er spielt eben keine Rolle." Gerade in der auch trainingstechnisch schwierigen Coronazeit hätte er sich mehr Unterstützung gewünscht. "Wenn sich eine Athletin dafür entscheidet in der Heimat zu trainieren und nicht an der Sportschule, dass da mal einer anklopft und nachfragt und nicht erst bei Erfolg auf die Schulter klopft", ist Mäusebach sauer.

Wechsel zwischen Polizeischule und Bundesstützpunkt

Nach dem Abitur geht es für Serina Riedel nun in die weite Welt Richtung Berlin. Sie hat einen der sieben begehrten Ausbildungsplätze für Sommer-Leistungssportler ergattert, die die Bundespolizei vergibt. Vier Monate lernt sie nun im Stützpunkt in Kienbaum das kleine Polizei-Einmaleins und kann nebenbei unter optimalen Bedingungen trainieren.

Ab Januar ist sie für acht Monate freigestellt vom Polizeidienst, um sich am Bundesstützpunkt in Halle auf die Saison vorzubereiten. Ihr Ziel: Die Qualifikation und eine Top-Platzierung bei der U23-Europameisterschaft unter den besten fünf, obwohl sie dort zu den Jüngsten gehören würde.

Starke Jugend, schwache Elite

Die junge Sportlerin sieht nicht nur die Unterstützung ihrer Sportart in Thüringen kritisch, sondern das ganze Fördersystem in Deutschland. "Ich finde es erschreckend, dass es bei den Erwachsenen nicht so gut funktioniert. Die Jugend ist so stark. Wir haben so viele Medaillen geholt, auch vergangenes Jahr, wir waren die stärkste Nation, gehören zu den fünf stärksten Nationen in der Welt, sind die beste europäische", erzählt sie voller Stolz.

Für sie war die Qualifikation für die WM innerhalb der deutschen Mannschaft fast schwieriger als der Medaillengewinn selbst.

"Doch wo ist das hin? Die Jugend ist richtig stark, wir haben so gute Athleten, aber bei den Erwachsenen fehlt es einfach." Die Siebenkämpferin kritisiert, dass Leistungssportler neben dem Spitzensport noch arbeiten gehen müssen, um leben zu können. Leistungssportler in anderen erfolgreichen Nationen würden als Sportler bezahlt.

Den Ausbildungsplatz bei der Bundespolizei zu ergattern, ist für die junge Frau ein Glücksfall: Ausbildung machen, Geld verdienen, ideale Trainingsbedingungen, dazu die Freistellung für Training und Wettkämpfe und nach der aktiven Laufbahn eine fertige Berufsausbildung haben.

Serina Riedel: "Alleine groß werden"

Zeulenroda verlässt Serina mit einem lachenden und weinenden Auge - und musste schon versprechen, einmal im Monat nach Hause zu kommen. "Aber ich will alleine groß werden. Da freue ich mich drauf!" Der Wechsel an den Bundesstützpunkt nach Halle dürfte ihr auch im Training viele neue Impulse geben.

Mit Blick auf die künftig optimalen Trainingsbedingungen sagt ihr Trainer Tom Mäusebach: "Wenn sie ihre Leistung steigert wie bisher, ist nach oben alles möglich - wenn sie gesund bleibt!" Serina bringe viel Schnellkraft mit, an den Wurfdisziplinen müsse sie noch arbeiten. Das 800-Meter-Laufen habe sie in diesem Jahr endlich gelernt: "Der Spruch 'Wer nichts kann, wird Mehrkämpfer' gilt bei Serina nicht. Da kann man eher sagen: Wer viel kann, wird Mehrkämpferin."

Der Spruch 'Wer nichts kann, wird Mehrkämpfer' gilt bei Serina nicht. Da kann man eher sagen: Wer viel kann, wird Mehrkämpferin.

Leichtathletik-Trainer Tom Mäusebach

Mit etwa 26 Jahren erreichen Mehrkämpfer in der Regel ihr Leistungshoch. Serina hat also noch Zeit zum Trainieren für ihr großes Ziel: Olympia. "Das ist das ganz große Ziel. Irgendwann, wann auch immer. Aber es soll kommen. Dafür gebe ich alles, dafür mach ich das ganze hier."

Für die kleinen Sportler im Verein ist sie mit ihrer silbernen WM-Medaille jetzt schon eine Heldin. Und vielleicht ist ja schon der nächste Knaller darunter.

MDR (mab)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. September 2022 | 19:00 Uhr

2 Kommentare

Ovuvuevuevue Enyetuenwuevue Ugbemugbem Osas am 05.09.2022

RESPEKT!

madrugada am 05.09.2022

Das Video hat mich überzeugt 👍🏻

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