Medizinische Versorgung Wie ein Arzt und eine Apothekerin ein Gesundheitszentrum auf dem Land aufbauen
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03. Februar 2023, 08:11 Uhr
Der Hausarzt auf dem Land stirbt aus, immer mehr Praxen suchen Nachfolger. Da hat die Stadt Auma im Landkreis Greiz schon beinahe einen Sechser im Lotto gewonnen: Dort hat sich wieder ein Hausarzt niedergelassen – und gemeinsam mit einer Apothekerin ein kleines Gesundheitszentrum gebaut. Seit dieser Woche werden Patienten dort nun rundum versorgt.
Es riecht nach "Neu" in den Räumen von Apotheke und Hausarztpraxis in Auma im Kreis Greiz. Die Handwerker schrauben an den letzten Möbeln herum, einige Kabel hängen lose von der Decke und warten auf ihre Lampen, der Warteraum soll weitere Sitzplätze bekommen. Und auch ein paar Bilder werden wohl noch an die weißen Wände kommen.
Arzt Steffen Schulze und Apothekerin Mandy Zörner sind stolz: Anderthalb Jahre hat es gedauert von der Planung bis zum fertigen Neubau, sodass es keine medizinische Versorgungslücke im Ort gab, nachdem ihre Vorgänger in Rente gegangen waren.
Den Arbeitsplatz nach eigenen Wünschen gestalten, diese Chance bekommt man nicht so oft. Wobei es einiges zu beachten gebe, verrät Apothekerin Mandy Zörner: "Das Größte waren die behördlichen Vorgaben, die wir beachten mussten: So groß muss der Raum sein, dort müssen zwei Fenster in die Wand, da muss eine Brandschutztür sein. Also man ist nicht so frei, wie man sich das immer vorstellt."
Dafür freuen sie und ihre Mitarbeiterinnen sich jetzt über effektive Laufwege und mehr Platz. Auch Hausarzt Steffen Schulze strahlt beim Anblick seiner neuen Praxis, sagt aber gleich: "Beim nächsten Mal würde ich ein bisschen was anders machen – einzelne Räume etwas größer und einen Zwischengang einziehen. Aber dafür fehlte der Platz."
Arztdilemma auf dem Land
Auma stand vor einem Dilemma: Sowohl die Apothekerin als auch die Hausärztin gingen in Rente. Es drohte, was in vielen ländlichen Gebieten schon üblich ist: Weite Wege zur nächsten Praxis, zur nächsten Apotheke. Gerade für Ältere und Menschen ohne Auto ein Problem angesichts dünner Busfahrpläne.
Rund 70 Hausarztstellen sind in Thüringen derzeit unbesetzt. Laut Kassenärztlicher Vereinigung praktizieren im Landkreis Greiz 57 Hausärzte. Insgesamt sind dort 8,5 Stellen offen, vier davon in dem Gebiet um Auma. Bei den Apotheken sieht es nicht besser aus: Die nächsten sind in Zeulenroda-Triebes, Triptis oder Schleiz.
Es muss doch irgendwie dort weitergehen.
Schulze und Zörner wollten die medizinische Versorgung in ihrer Heimat aufrechterhalten. Beide sind in und um Auma aufgewachsen. Zörner hatte als Schülerin ein Praktikum in der Aumaer Apotheke gemacht - damals verliebte sie sich in den Beruf. "Ich bin im Nachbardorf aufgewachsen, ich bin hier nebenan in die Grundschule gegangen. Mein Opa, meine Eltern wohnen noch hier. Ich bin Aumaerin, ich habe hier meine Wurzeln. Deswegen bin ich diesen Schritt gegangen mit Auma, dass ich gesagt hab: Es muss doch irgendwie dort weitergehen", sagt Zörner.
"Die kennen mich vom Kindergarten"
Schulze studierte und arbeitete in verschiedenen größeren Städten, sagt aber: "Ich habe gemerkt, dass ich ein Kind des Landes bin und immer bleiben werde. Das war schon immer der Wunsch: Wenn Arzt, dann Hausarzt auf dem Land." Als sich die Möglichkeit bot, gab der 50-Jährige sogar die Festanstellung in einem großen Praxisverbund auf. "Dass es jetzt mein Heimatort geworden ist, war nicht geplant, hat sich einfach ergeben."
Das war schon immer der Wunsch: Wenn Arzt, dann Hausarzt auf dem Land.
Schulze und Zörner strahlen - die Verbundenheit zur Heimat ist ihnen anzumerken. Auch wenn so eine eigene Praxis sogar einem gestandenen Facharzt Bammel machte, schließlich kennen ihn einige Patienten von früher. "Die kennen mich vom Kindergarten. Aber ich erlebe das als sehr humorvoll", erzählt der Arzt mit einem Lächeln.
Die Aumaer sind dankbar, dass am Stadtrand nun ein kleines Gesundheitszentrum entstanden ist. "Ohne Arzt wäre es schwierig, gerade für die Älteren", sagt Gabi Rothe. Edgar Scheibenpflug gefallen die Räume und dass Arztpraxis und Apotheke wieder nebeneinander zu finden sind. Einziger Mangel: die Lage am Rande der Stadt. "Für ältere Leute ist es vielleicht ein bisschen umständlich bis hier rauf", sagt Karola Glück.
Dieses Manko ist Schulze und Zörner bewusst. Gern hätten sie eines der vielen leerstehenden Gebäude in der Innenstadt wiederbelebt. "Aber Barrierefreiheit und ausreichend Parkplätze zusammenzubringen an einem Ort, das war unmöglich", sagt Schulze.
Apotheker dringend gesucht
Gemeinsam mit Zörner war er in der Stadt unterwegs, hatte verschiedene Optionen durchgespielt. Aber die behördlichen Auflagen für Apotheke und Praxis waren nicht zu erfüllen. So kauften die beiden ein Grundstück am Seeweg in Richtung Zeulenroda. Von dem Neubau profitiert auch das Deutsche Rote Kreuz, das als Mieter mit einzog. Die Aumaer Stadtverwaltung sorgte dafür, dass die Busse direkt vorm Gesundheitszentrum halten. Auch weitere Parkplätze sollen noch gebaut werden.
Leute, habt den Mut, das zu machen. Denkt über eine eigene Niederlassung nach.
Auch wenn es ein Wagnis war, rät Allgemeinmediziner Schulze jungen Ärzten: "Es bedarf unternehmerischen Mutes. Aber Leute, habt den Mut, das zu machen. Denkt über eine eigene Niederlassung nach." Auch Apothekerin Zörner bereut den Schritt nicht, obwohl es für sie einen Spagat bedeutet zwischen ihrer ersten Apotheke in Bad Köstritz und der neuen Zweigstelle in Auma. Aktuell sucht sie dringend einen weiteren Apotheker - mindestens als Elternzeitvertretung, gern auch langfristig.
MDR (mw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. Februar 2023 | 19:00 Uhr
Frau K. am 03.02.2023
@weils
In Auma geht es sehr bergauf,/bergab und da ist es von der Bebauung her einfach schwierig ein so großes Objekt zu finden, dass ausreichend barrierefrei gebaut werden kann und außerdem um das Objekt herum noch genügend Raum für Parkplätze ist. Denn, das diese im ländlichen Raum nicht zu vernachlässigen sind, scheint mir logisch.
Und da es eine Bushaltestelle gibt, sehe ich die Lage nicht ganz so dramatisch.,
AlexLeipzig am 03.02.2023
Leider ist das so, zum Glück gibt's aber Ausnahmen. Die Zukunft der hausärztlichen Versorgung kann in MVZs, so wie sie real existieren, sicher nicht liegen.
AlexLeipzig am 03.02.2023
Sorry Salzbrot, aber ich glaube auch, daß Sie keine Ahnung von der Realität in einer Landarztpraxis haben. Sich den durchschnittlichen "Gewinn" einer Niederlassung aus dem Internet zu ziehen reicht zur Beurteilung nicht aus. Auf dem Land gibt's enormen Behandlungsbedarf durch die Überalterung und mehrfach chronisch Erkrankte, was sich in der Honorierung durch die GKV keinesfalls widerspiegelt. Dort gehört schon eine Portion unternehmerisches Risiko und Altruismus dazu!