Polizei Innenministerium rechnet mit höheren Kosten für Bodycams

30. Juli 2023, 14:30 Uhr

Seit Jahren wird in Thüringen über die Anschaffung von Bodycams für Polizisten diskutiert. Eigentlich ist das schon beschlossen, doch die Landtagsmehrheit will Zusatztechnik im Vergleich zu Systemen, die in anderen Bundesländern schon im Einsatz sind. Das macht die Beschaffung laut Innenministerium aufwändiger und teurer. Bei der Linken sieht man dies anders.

Die vom Landtag beschlossene Ausrüstung der Thüringer Polizei wird teurer als bislang geplant. Ein Grund dafür sei die Vorgabe, dass diese kleinen Kameras automatisch mit einer Aufzeichnung beginnen sollen, wenn ein Polizist seine Dienstwaffe zieht, sagte ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums der Nachrichtenagentur dpa.

Anschaffungskosten deutlich höher

Die entsprechenden Sensoren und IT-Systeme anzuschaffen, erhöhe den Finanzbedarf deutlich. Es sei für die Anschaffung der Technik insgesamt wohl eine Summe im siebenstelligen Bereich nötig. Bis vor Kurzem habe die Kostenschätzung noch bei einer Summe im mittleren sechsstelligen Bereich gelegen, hieß es.

Die erwartete Kostensteigerung sei auch ein Grund dafür, dass mit der Beschaffung dieser Technik noch nicht begonnen wurde, sagte der Sprecher. "Werden diese Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber gewährt, ist eine Ausschreibung im Jahr 2024 vorgesehen."

Linke drängen auf baldige Ausschreibung

Die Thüringer Linke drängt dagegen darauf, die Beschaffung dieser Technik so schnell wie möglich zu beginnen. Nach einem Kompromiss der rot-rot-grünen Regierungsfraktionen und der CDU-Landtagsfraktion zur Novellierung des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes 2022 sollen Polizisten zwar flächendeckend mit Bodycams ausgerüstet werden. Das hatte die Union seit Langem gefordert. Allerdings hat die Mehrheit der Abgeordneten auf Drängen von Rot-Rot-Grün damals auch beschlossen, dass sich die Bodycams ab dem 31. Dezember 2024 automatisch einschalten sollen, wenn Polizisten ihre Dienstpistolen aus dem Holster ziehen.

Zusatzausstattung gefordert

Bodycams sind kleine Kameras, die Polizisten an ihrer Uniform tragen. Mit ihnen kann in Bild und Ton das aufgezeichnet werden, was vor den Beamten passiert. Über den Einsatz dieser Technik wird in Thüringen seit Jahren diskutiert. Befürworter argumentieren unter anderem, die Kameras hätten eine deeskalierende Wirkung auf Menschen, die sonst aggressiv gegenüber Polizisten aufträten. 

Kritiker bemängeln, dass nach den Vorgaben des Polizeiaufgabengesetzes die Polizisten bislang selbst darüber entscheiden, wann sie die Geräte einschalten und wann nicht - auf diese Problematik hebt der Thüringer Kompromiss ab.

Der Sprecher des Innenministeriums sagte, mit einem solchen Bodycam-System, wie es infolge des politischen Kompromisses in Thüringen nun eingeführt werden solle, gebe es bundesweit keine Vorerfahrungen. Das mache die Konzipierung einer Ausschreibung komplex. Nötig sei daher zunächst ein Markterkundungsverfahren, mit dem sich das Ministerium einen Überblick darüber verschaffen wolle, welche System überhaupt verfügbar seien und was die Technik jeweils könne. "Ziel der Maßnahmen ist es, eine erfolgversprechende Ausschreibung zu einem Gesamtsystem zu erarbeiten."

Bilay: Genügend Anbieter dafür auf dem Markt

Der innenpolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Sascha Bilay, dagegen drängt auf eine zügige Ausschreibung. Es sei nicht mehr allzu viel Zeit bis Ende 2024, sagte er. Ohnehin müssten Parlamentsbeschlüsse für das Haus von Innenminister Georg Maier (SPD) bindend sein und schnell umgesetzt werden. "Deshalb müsste man die Ausschreibung jetzt scharf schalten", sagte Bilay.

Nach eigenen Angaben hatte Bilay selbst erst kürzlich mit einem Hersteller von Bodycam-Technik Kontakt. Nicht nur von diesem Hersteller gebe es bereits marktreife Lösungen, mit denen Bodycams erkennen könnten, wann ein Polizist seine Waffe zieht. Dazu werde auf das Holster der Waffe ein Sensor geschraubt, der mittels Bluetooth mit der Bodycam kommuniziere. "Das dauert fünf Minuten, wenn Sie den passenden Schraubenzieher haben."

Sascha Bilay (Die LINKE) am Redepult.
"Die Ausschreibung scharf schalten": Linke-Politiker Sascha Bilay Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Bilay verwies auch darauf, dass neben diesem Hersteller während eines Anhörungsverfahrens im Landtag zum Thema mindestens drei weitere Unternehmen erklärt hatten, sie könnten die Technik zur automatisierten Auslösung von Bodycams bereitstellen. Aus seiner Sicht sei das Argument des Ministeriums, es müsse zunächst ein umfassendes Markterkundungsverfahren zur Beschaffung von Bodycams und der dazugehörigen Technik geben, vorgeschoben, sagte Bilay. "Ich vermute, es ist zum Teil eher Unwillen."

MDR (dr), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 30. Juli 2023 | 14:00 Uhr

24 Kommentare

Anita L. vor 40 Wochen

Na bitte, quod erat demonstrandum.
Wie schon gesagt: So werden wenigstens beide (!) Seiten "überwacht". Insofern sehe ich ja auch einen Vorteil in den BodyCams. Und mich würde die Statistik in ein paar Jahren interessieren, wie viel von der Dunkelziffer am Ende übrig bleibt.

Heinrich R. vor 40 Wochen

Es ist aber nicht darauf, wie der "Angreifer" vorher evtl. zur Weißglut und in dessen Folge zu einem Angriff gebracht wurde; nur evtl. erste verwaschene, verwackelte Bilder, in die man einen Angriff hineindeuten und somit eine Notwehr etc. konstruieren kann.
Es ist ein fauler, nicht tauglicher Kompromiss.

martin vor 40 Wochen

@heinrich r: Da stimme ich Ihnen völlig zu. Aber wenn die Kamera spätestens beim Ziehen der Schußwaffe eingeschaltet wird, gibt es immerhin Videomaterial zur Einschätzung zur akuten Notwehr-, Nothilfe- bzw. Bedrohungssituation. Das ist dann immerhin besser als möglicherweise nichts ...

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