Thüringens AfD-Landesvorsitzender Björn Höcke im MDR THÜRINGEN-Sommerinterview mit Lars Sänger
Thüringens AfD-Landesvorsitzender Björn Höcke (re.) im MDR THÜRINGEN-Sommerinterview mit Lars Sänger Bildrechte: MDR/Jens Borghardt

Sommerinterview Faktencheck: Höcke und die "Gleichschaltung" der Bildungspolitik

09. August 2023, 19:10 Uhr

Bildungspolitik ist Ländersache. Glaubt man Thüringens AfD-Landeschef, dann ist die Kulturhoheit der Länder allerdings in Gefahr. Der Bund greife zunehmend in die Bildungspolitik der Länder ein, sagte Höcke im MDR THÜRINGEN-Sommerinterview. Aber stimmt das? Steht die Kulturhoheit der Länder wirklich in Frage? Der Faktencheck.

"Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt."

So steht es in Artikel 30 Grundgesetz. Daraus leitet sich ab, dass auch die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen für die Kultur- und Bildungspolitik Ländersache sind. Diese Zuständigkeit wird auch als Kulturhoheit der Länder bezeichnet.

Nach Angaben von Björn Höcke wird diese Kulturhoheit aber zunehmend durch den Bund eingeschränkt. "Ich erinnere an die Existenz der Kultusministerkonferenz, die versucht, die Länderbildungspolitiken gleichzuschalten", sagte der AfD-Landeschef im Sommerinterview. Der Bund greife immer wieder in die Bildungsangelegenheiten der Länder ein, wie etwa über den Digitalpakt, für den sogar das Grundgesetz geändert worden sei, so Höcke. "Die Länder sind hier leider schon kastriert in diesem zentralen Politikfeld."

Einführung von nationalem Bildungsrat wurde abgewehrt

Tatsächlich gab es in der Vergangenheit bereits Versuche, dem Bund in der Bildungspolitik mehr Kompetenzen zuzuweisen. Die CDU-SPD-Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel etwa vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag, einen nationalen Bildungsrat zu etablieren. Experten aus Bund und Ländern sollten sich um die Unterschiede bei der Bildung zwischen den Ländern und die Vergleichbarkeit des Abiturs kümmern. Nur: dieser Bildungsrat wurde wieder gekippt, weil die Länder Bayern und Baden-Württemberg ihre Kulturhoheit in Gefahr sahen.

Das zeigt: Der Grundsatz, dass Bildung Ländersache ist, hat einen hohen Stellenwert. In der Politik wird auch immer gern das so genannte Kooperationsverbot zitiert. Es schreibt vor, dass der Bund keinen Einfluss auf die Schulpolitik der Länder ausüben darf, und er darf sich auch nicht an den Kosten für die Schulen beteiligen.

Ministerium: Digitalpakt nutzt finanzschwachen Ländern

Nun wurde zwar durch den so genannten Digitalpakt dieses Kooperationsverbot aufgeweicht. Das Thüringer Bildungsministerium verweist aber darauf, dass bestimmte Aufgaben wie die Digitalisierung des Unterrichts gerade von finanzschwachen Ländern wie Thüringen nicht allein bewältigt werden könnten. Hier sei es der Wunsch aller Länder gewesen, dass der Bund sich an den Kosten beteiligte. Der Digitalpakt sieht vor, dass der Bund die Länder mit milliardenschweren Hilfen bei der Ausstattung der Schulen mit Wlan, Computern und digitalen Lerninhalten unterstützt.

KMK: Länder versuchen sich freiwillig zu einigen

Bedenklich ist auch der Vorwurf Höckes, mit der Kultusministerkonferenz (KMK) würden die Bildungspolitiken der Länder "gleichgeschaltet". Laut Thüringer Bildungsministerium ist es vielmehr so, dass sich die in der Bildungspolitik souveränen Länder in der KMK freiwillig auf wichtige Positionen in der Bildung einigen. Dabei geht es etwa um die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen, wie etwa von Lehrern, die als Seiteneinsteiger im Schuldienst eingestellt werden. Nicht zuletzt werden in der KMK auch die Zeiträume festgelegt, in denen die Sommerferien in den jeweiligen Ländern stattfinden.

Begriff aus NS-Terminologie: "Gleichgeschaltet"

Hinzu kommt, dass der Begriff "Gleichschaltung" historisch vorbelastet ist. Gleichschaltung ist ein Begriff aus der NS-Terminologie und wurde erstmals 1933 in einem Gesetz der Hitler-Regierung verwendet. Ziel des Gesetzes war, die deutschen Länder zu entstaatlichen und alle sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kräfte einer Diktatur zu unterwerfen. "Gleichschaltung" ist damit unvereinbar mit dem föderalen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland.

Audio und Video

MDR (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. August 2023 | 19:00 Uhr

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