Unterrichtsausfall Kampf gegen Lehrermangel in Thüringen: Was funktioniert und was nicht
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06. Juli 2023, 06:32 Uhr
Die Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden steigt in Thüringen im aktuellen Schuljahr auf ein Rekordniveau. Und das, obwohl Bildungsminister Hemut Holter (Linke) zahlreiche Maßnahmen gegen den Lehrermangel angekündigt hatte. Welche Maßnahmen sind das und wie erfolgreich sind diese?
Inhalt des Artikels:
- Gibt es aktuell genug neue Lehrer in Thüringen?
- Quereinsteiger: Probleme bei der Betreuung
- Assistenten für Schulleiter und im Unterricht: Guter Ansatz, aber mit noch mehr Möglichkeiten
- Mehr Geld auf dem Land und für Mangelfächer: Ein umstrittenes Mittel
- Lehrer arbeiten im Ruhestand weiter: "Mosaikstein" gegen den Lehrermangel
- Einstellungspraxis für neue Lehrer: Ein Dauerproblem
Das Thüringer Bildungssystem steht unter erheblichem Stress. An vielen Schulen in Thüringen arbeiten Lehrer an der Belastungsgrenze. Die Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden in Thüringen steigt nach aktuellen Angaben des Bildungsministeriums auf ein Rekordniveau. Etwa jede zehnte Unterrichtsstunde fällt inzwischen aus. Und in einer Studie vom Vorjahr haben Thüringer Viertklässler zunehmend Probleme bei Rechtschreibung und Lesen. Dazu kommen viele ausländische Kinder vor allem aus der Ukraine, die zusätzlich in den Unterricht integriert werden müssen.
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hatte daher in den vergangenen Monaten eine ganze Fülle von Maßnahmen angekündigt, um die Situation an den 870 staatliche Schulen zu verbessern. Doch was ist aus den Ankündigungen geworden und können die Maßnahmen gegen den Lehrermangel helfen? Ein Überblick.
Gibt es aktuell genug neue Lehrer in Thüringen?
Seit 2020 werden jährlich nach Angaben des Ministeriums jedes Schuljahr ungefähr 1.000 Lehrer neu eingestellt. Damit würden die in Rente gehenden Lehrer ungefähr ersetzt. Diese Rechnung geht jedoch nicht immer auf. Denn: Im Laufe des Schuljahres 2022/23 wurden 639 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt, allerdings gehen zum Ende 939 Pädagogen. 300 Stellen bleiben demzufolge unbesetzt.
Auch blieben laut CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner steigende Schülerzahlen unberücksichtigt. Obwohl die Zahl der Lehrer gleich bleibt, steigt seit Jahren die Zahl der Schüler stetig an. Besuchen im aktuellen Schuljahr rund 255.000 Schüler eine Schule, waren es vor vier Jahren noch 10.000 Schüler weniger. Mehr dazu auch im Film "Sackgasse Schule - Leistung im freien Fall" in der ARD-Mediathek.
Quereinsteiger: Probleme bei der Betreuung
Einer der schnellsten Wege gegen den Lehrermangel ist es, Quereinsteiger einzustellen - also Bewerber ohne eine klassische pädagogische Ausbildung. Deren Zahl hat nach Angaben des Bildungsministeriums stark zugenommen. Waren es seit 2017 nur wenige Dutzend, sind es im Schuljahr 2021/2022 bereits 240 gewesen. Das war damit fast jeder vierte neue Lehrer in Thüringen. Quereinsteiger haben sich damit als Maßnahme bewährt. "Wir benötigen sie ganz dringend", sagt auch Tim Reukauf vom Thüringer Lehrerverband (TLv).
Kritik gibt es jedoch an der Begleitung der Neulinge an der Tafel: "Zu Beginn war der Einstieg nicht gut vorbereitet", sagt die Thüringer Landeselternsprecherin Claudia Koch. Oft seien die Quereinsteiger vor vollen Klassen auf sich allein gestellt gewesen. Inzwischen habe sich das verbessert, sagt Koch. Optimal ist es trotzdem bei weitem nicht. Tim Reukauf vom Lehrerverband weiß von Fällen, bei denen Quereinsteiger völlig ohne eine Vorbereitung starten mussten.
Bisher nehmen laut Bildungsministerium die Quereinsteiger an einem über mehrere Termine verteilten insgesamt dreiwöchigen Intensivkurs nach dem Start teil. "Eine standardisierte Qualifizierung vor der Einstellung gibt es nicht", heißt es aus dem Ministerium. Danach gibt es eine berufsbegleitende Nachqualifizierung, die sich bis auf 18 Monate erstrecken kann. Die CDU fordert indes eine dreimonatige Qualifizierung.
Auch der SPD-Bildungspolitiker Thomas Hartung sieht hier noch Verbesserungsbedarf. Bei ihm hatten sich zahlreiche Quereinsteiger wegen der mangelhaften Einführung gemeldet. Hartung legt sich dabei weniger auf eine bestimmte Zeitdauer fest, stattdessen "müssen wir einen Weg finden, bei dem sie sicher in ihrem neuen Beruf fühlen", sagt er. Zumindest ist laut Ministerium inzwischen die Supervision der Quereinsteiger stark ausgebaut worden.
Dazu bemängelt Hartung, dass die neuen Lehrer fast immer nur Zwei-Jahres-Verträge erhalten würden. Mit diesen befristeten Verträgen gebe es immer wieder Probleme, nötige Weiterbildungen zu erhalten. Das Bildungsministerium begründet die Befristungen damit, dass aufgrund der sehr unterschiedlichen Biographien der Quereinsteiger diese zunächst ausreichend nachqualifiziert werden müssten, bevor sie dauerhaft beschäftigt werden können. "Wir gehen da neue Wege und wir müssen flexibler werden", räumt Bildungsminister Helmut Holter ein: "Aber wir haben einen Qualitätsanspruch, und diesen Qualitätsanspruch dürfen wir nicht unter den Scheffel stellen, sondern wir müssen beides zusammenbringen. Also Quantität, eine Menge an Menschen ins System holen, die aber qualitativ gut vorbereitet sind bzw. sich schon berufsbegleitend vorbereiten lassen."
Um als Lehrer zu arbeiten, gehöre auch eine gute Betreuung nach dem Start in den Schulalltag dazu. Die sei jedoch für Schulleiter schwierig zu realisieren, wenn eh schon Lehrer fehlen. Das ist auch die Erfahrung von Gewerkschafter Reukauf: "Quereinsteiger werden gern als Feuerwehr eingesetzt, aber eine richtige Begleitung gibt es häufig nicht." Ein Mentorenprogramm fehlt weiterhin in Thüringen. In Einzelfällen begleiten zumindest laut Ministerium in Rente gegangene Kollegen weiter mit einigen Stunden die neuen Lehrer.
Bislang hält sich die Zahl der Abbrecher dabei im Vergleich zu Sachsen im Rahmen. Laut Ministerium haben aber bislang nur 14 Prozent der 1.350 Quereinsteiger seit 2018 den Thüringer Schuldienst wieder verlassen. In Sachsen hatten fast 20 Prozent der Quereinsteiger wieder hingeworfen.
Assistenten für Schulleiter und im Unterricht: Guter Ansatz, aber mit noch mehr Möglichkeiten
Im Kyffhäuserkreis und im Landkreis Schmalkalden-Meiningen gibt es seit Ende des vergangenen Jahres zunächst bis 2025 jeweils fünf Schulverwaltungsassistenten. Sie sollen vor allem Schulleitungen und Sekretariate entlasten. Von allen Seiten wird diese Maßnahme begrüßt. Kritik gibt es nur daran, warum das Projekt nicht gleich auf Dauer und in ganz Thüringen gestartet worden ist. Die SPD fordere, dass das Modell bereits nächstes Jahr auf den gesamten Freistaat mit mindestens 100 Stellen auszuweiten, sagt SPD-Bildungspolitiker Hartung.
Daneben gibt es ca. 90 pädagogische Assistenten in ganz Thüringen. Sie unterstützen Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht, etwa bei Schülern mit Migrationshintergrund. Sie sollen aber auch bei kurzfristigen Ausfällen einspringen oder Pausenzeiten und Wandertage mitabdecken. Dass sie gebraucht werden, um Lehrer zu entlasten, bestreitet niemand. Doch seien die Verträge unattraktiv, kritisiert CDU-Politiker Christian Tischner. "Die Bewerber stehen nicht Schlange", ergänzt auch Gewerkschafter Reukauf. Der Grund: Ihre Verträge enden laut Ministerium Mitte 2024. Ob diese verlängert oder auch entfristet werden, entscheidet sich erst mit dem nächsten Haushalt des Landes.
Hartung verweist darauf, dass in Thüringen in so genannten "multiprofessionellen Teams" - wenn Lehrer also von weiteren Pädagogen unterstützt werden - die Zahl der Schulabbrecher stark gesenkt werden könne. In solchen Teams können neben den pädagogischen Assistenten auch Förderpädagogen, Lehrer mit Deutsch als Fremdsprache, Schulsozialarbeiter arbeiten. In 460 Thüringer Schulen sei dies inzwischen der Fall. Deshalb fordert Hartung, diese Teams in allen 970 Thüringer Schulen zu initialisieren.
Das Thüringer Schulsystem in Zahlen
In Thüringen gibt es rund 870 staatliche Schulen und etwa 100 in freier Trägerschaft.
Knapp 255.000 Schüler besuchen allgemeinbildende Schulen, darunter knapp 50.000 eine Berufsschule.
Aus 229 Schülern besteht im Durchschnitt eine Schule in Thüringen.
In Thüringen gibt es aktuell ca. 17.000 Lehrerinnen und Lehrer. Davon haben 70 Prozent einen Beamtenstatus, rund drei Viertel sind Frauen. Knapp ein Viertel arbeitet in Teilzeit. Etwa 1.000 Lehrkräfte sind langzeitkrank.
Das Durchschnittsalter der Thüringer Lehrer beträgt an allgemeinbildenden Schulen knapp 49 Jahre, an Berufsschulen 51 Jahre.
Quelle: Thüringer Bildungsministerium Stand Schuljahr 2021/2022
Mehr Geld auf dem Land und für Mangelfächer: Ein umstrittenes Mittel
Die Konditionen für Thüringer Lehrerinnen und Lehrer haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend verbessert. Zuerst führte das Land die Verbeamtung wieder ein, später hob es das Gehalt für Grundschul- und Regelschullehrer an. Zudem ist es in Thüringen für Lehrerinnen und Lehrer möglich, dass sie in ländlichen Regionen oder wenn sie in Mangelfächern wie Mathe, Englisch oder Physik über fünf Jahre unterrichten, Zulagen von etwa zehn Prozent erhalten. Das kann 450 bis 500 Euro mehr im Monat ausmachen. Bildungsminister Holter erhofft sich so, 400 junge Lehrer pro Jahr zu gewinnen.
Doch diese "Buschzulage" stößt auch auf Gegenwind. So sieht der Thüringer Lehrerverband die Maßnahme kritisch wegen des "gefährdeten Schulfriedens gegenüber älteren Kollegen ohne Zulage". Ohnehin ist laut Gewerkschafter Reukauf der Effekt gering - nicht nur in Thüringen. Dazu komme, dass es für Lehrer an Grundschulen keine Zulagen gebe. Auch SPD-Politiker Hartung meldet Bedenken an: "Ich bin kein Freund davon." Er fragt sich: Wie lange soll diese Zulage gezahlt werden? Bis zur Rente? Dazu sei sie ihm zu unflexibel.
Lehrer arbeiten im Ruhestand weiter: "Mosaikstein" gegen den Lehrermangel
"Grau macht schlau" nennt das Bildungsministerium eine Kampagne, mit der Lehrer auch im Ruhestand weiterarbeiten können. Laut Ministerium unterrichteten zum Jahresanfang 220 Lehrer und Lehrerinnen vor allem Mathe, Sport, Deutsch, Englisch, Biologie, Physik und Chemie - doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Holter ordnet die Aktion als "Mosaikstein" beim Absichern des Unterrichts ein.
Grundsätzliche Kritik dagegen gibt es nicht. Doch weist Reukauf darauf hin, dass immer noch viel mehr Lehrer aufgrund der hohen Belastungen und trotz deutlicher Abzüge in den Vorruhestand gehen. Meist würden Lehrer mit dem Beginn ihre Ruhestandes in Teilzeit weiterarbeiten. Schulen könnten die Verträge für ihre konkrete Situation anpassen, erklärt Reukauf. Doch berichtet er auch von einem Fallstrick: Zuerst würde den freiwillig weiter Unterrichtenden immer nur ein Vertrag bis zum letzten Schultag angeboten werden. Über die Sommerferien gebe es für die Lehrer also kein Geld. Doch nachzuverhandeln lohne sich.
Einstellungspraxis für neue Lehrer: Ein Dauerproblem
An den strikten und späten Einstellungsterminen für neue Lehrer in Thüringen gab es in den vergangenen Jahren jede Menge Kritik. So hatte das Land über viele Jahre hinweg einen sehr späten Einstellungstermin, so dass viele angehende Lehrer nicht auf eine mögliche Zusage warteten und sich für ein anderes Bundesland entschieden. Laut SPD-Politiker Hartung sollen ab nächstem Schuljahr geänderte Starttermine gelten: "Das hat uns viel Zeit und Kraft gekostet." Das Ministerium verweist auch auf Fortschritte bei den Einstellungsterminen. Trotzdem ist für Oppositionspolitiker Tischner das Problem noch nicht vom Tisch. Manche Termine lägen weiterhin Monate nach dem Ende des Studiums.
Der Lehrerverband sieht hier auch einige Verbesserungen, wenn auch die Bürokratie noch weiter abgebaut werden sollte. Das Land hatte etwa ein Bewerbungsportal im Netz gestartet. Doch bestätigt eine Sprecherin des Bildungsministeriums: "Wir müssen hier noch schneller werden." Die Bewerbungsverfahren müssten nicht nur weiter beschleunigt, sondern auch digitaler werden.
Doch das eigentliche Problem geht für Hartung über Einstellungstermine oder digitalen Verfahren hinaus: "Wir brauchen hier einen Kulturwechsel bei der Einstellung." Das sei alternativlos. "Denn Lehrer bewerben sich nicht mehr bei uns, sondern wir bewerben uns bei den Lehrern." Zumindest bemühe sich das Ministerium, konstatiert er. Mehr als eine Million Euro hat das Bildungsministerium in den vergangenen Jahren für eine besondere Lehrergewinnungskampagne ausgegeben.
Hohe Hürden für ausländische Lehrer: Die Mühlen mahlen langsam
Für Aufsehen hatte vor wenigen Monaten gesorgt, dass ein kanadischer Lehrer für Chemie und Sozialkunde in Thüringen aufgrund nicht anerkannter Abschlüsse noch einmal an der Uni Englisch studieren muss, damit er verbeamtet werden kann. Auch Holter, der sich persönlich einschaltete, fand keine andere Lösung.
Der Minister hatte Ende des Vorjahres gefordert, dass Ausschlüsse im Ausland als gleichwertig anerkannt werden. Dazu solle sich die Kultusministerkonferenz, also die Bildungsminister aller Bundesländer, verständigen. Auch sollte überprüft werden, ob weiter das höchste Sprachniveau C2 nötig sei. Getan hat sich seitdem nicht viel - auch wenn das Ministerium daran nur wenig Schuld trifft. Bundesweit zuständig ist die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen in Bonn. Zumindest kündigte diese Behörde an, die Zahl ihrer Mitarbeiter auf fast 400 zu verdoppeln. Danach werde jeder ausländische Abschluss noch einmal in Thüringen geprüft, denn Bildungspolitik ist Ländersache. Bürokratie und Aufwand bleiben für ausländische Bewerber an Thüringer Schulen somit vorerst weiter bestehen.
Duales Studium für Lehrerausbildung: Es bleibt vage
Dass in Thüringen Lehrer fehlen, ist offensichtlich. An Nachwuchs mangelt es aber noch nicht. Zwar ging an der Universität Erfurt in den vergangenen Jahren die Zahl der Studienanfänger für das Grundschullehramt zurück, sie bleibt aber weiter auf hohem Niveau. So hatten im Wintersemester 2018/19 403 Studierende mit dem Grundschullehramt begonnen, im Wintersemester 2022/23 waren es nur noch 312. Das sind aber immer noch viel mehr als in den Jahren 2012 bis 2015, wo durchschnittlich rund 200 Studierende Grundschullehrer werden wollten. Allerdings dauert es mehrere Jahre, ehe diese Studienanfänger im Schulsystem ankommen.
Holter hatte zumindest für Regelschul-Lehrer angekündigt, ein duales Studium an der Uni Erfurt möglichst noch 2024 zu starten. Dabei sollen die angehenden Lehrer gleich beim Land angestellt bleiben, Gehalt verdienen und berufsbegleitend studieren. Für Landeselternsprecherin Claudia Koch eine "super Idee". Sie verweist dabei auch darauf, dass in den MINT-Fächern, also etwa Mathe, Informatik oder Chemie, nicht immer ein vollwertiges Studium wie für Naturwissenschaften nötig sei: "Die Hürden für ein vollwertiges, wissenschaftlich ausgerichtetes Mathe-Studium sind zu hoch." Doch bisher scheint es nur bei einer Idee geblieben zu sein. Ein Starttermin steht laut Ministerium weiterhin nicht fest. Auch dazu, wie viel Lehrer dort einmal ausgebildet werden sollen, kann das Ministerium im Moment nichts sagen.
Doch neben dem Lob der Landeselternsprecherin gibt es auch kritische Einschätzungen: CDU-Politiker Tischner bemängelt, dass Frauen und Männer, die gerade ihr Studium begonnen haben, nicht sofort mehrere Stunden unterrichten können. "Das wird scheitern. Wir verbrennen die jungen Leute", sagte er mit Blick auf Vorbereitung und Belastung. Allerdings sei für ihn zumindest ein Unterricht später im Master-Studium vorstellbar. Zudem bleibt für ihn die Frage, ob sich für solch ein Studium genügend Interessenten finden würden. Auch SPD-Politiker Hartung sieht das Projekt eher kritisch und verweist darauf, dass die Abschlüsse eines solchen Modellstudienganges deutschlandweit anerkannt sein müssen, um Studierende anzulocken.
Die AfD schließlich geht hier einen Schritt weiter als Holter. Sie bevorzugt eine pädagogische Hochschule nur für die Lehrerausbildung. "Wir wollen wieder eine pädagogische Hochschule auch für Quereinsteiger", sagt AfD-Bildungspolitiker Denny Jankowski. Kooperationen mit den Thüringer Hochschulen reichten nicht aus. Die Hochschulen seien zu starr aufgebaut, wenn es etwa um berufsbegleitende Qualifizierung von Quereinsteigern geht. Die Partei will dazu einen Antrag zur Landtagssitzung diese Woche einbringen.
Wie ist nun der Stand beim Kampf gegen den Lehrermangel in Thüringen?
Das Problem ist hausgemacht, das Kind schon in den Brunnen gefallen. Das steht für Claudia Koch fest: "Der Lehrermangel wurde in Thüringen über Jahre einfach verpennt." Der Thüringer Lehrerverband wird noch deutlicher: Die Landespolitik setzte unter Bildungsminister Christoph Matschie (SPD) den von der CDU begonnenen Personalabbau bis 2014 weiter fort. Und das, obwohl die Schülerzahlen schon wieder anstiegen. Jetzt versuche die Landespolitik in allergrößter Not, das Thema angesichts der immer weiter steigenden Zahl an ausfallendem Unterricht und vielen Lehrern am Limit anzugehen. Erst 2017 wurde von Bildungsminister Holter der Einstellungstop für Lehrerinnen und Lehrer aufgehoben.
Klar ist: Die eine Maßnahme gegen den Lehrermangel in Thüringen gibt es nicht. Quereinsteiger müssten besser ausgebildet und begleitet werden, Lehrer und Schulleiter durch pädagogische und Verwaltungsassistenten dauerhaft entlastet werden, die Schulverwaltung sich als Dienstleister für neue Lehrer verstehen. "Es sind viele kleine Zahnräder. Jedes ist gut, keines ist so super, dass es alle Probleme löst", fasst Gewerkschafter Reukauf zusammen. Oppositionspolitiker Tischner kritisiert, dass einige Ankündigungen von Bildungsminister Holter bisher nur Ankündigungen geblieben seien, etwa das Duale Studium für Regelschullehrer oder die nach wie vor zu hohen Hürden für ausländische Bewerber. Doch für Elternvertreterin Koch "tut sich nun zumindest etwas, wenn auch sehr langsam."
MDR (rom)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt - Die Story | 05. Juli 2023 | 20:45 Uhr
Freies Moria am 06.07.2023
Jetzt sind es schon -300 Lehrer im Jahr. Trotz mehrerer Jahrzehnte Lehrerkampagne. Vielleicht sollte man solche Kampagnen mal beenden, denn das Ergebnis scheint so desaströs wie die Heizungspläne zu sein.
Und es sind beileibe nicht nur die Senioren unter den Lehrern die gehen.
Die Fluchtgründe sind bekannt. Nur bleiben die Lehrer im Land, anders als Ärzte und andere gut ausgebildete Spezialisten.
Und im Westen wundert man sich wenn man hierzulande daran denkt, was in der DDR alles besser war.
kunsterzieherin am 06.07.2023
Auch ich bin grundständig ausgebildete Lehrerin für das Gymnasium. Vor 20 Jahren habe ich eine Zusatzqualifikation für ein drittes Fach ( Mathematik) absolviert und mit dieser auch mehr als 10 Jahre in Thüringen und Sachsen unterrichtet. Nun darf ich das in Thüringen nicht mehr. Herr Holter möchte, dass ich nochmals eineinhalb Jahre Qualifikation absolviere. So wie mir geht es auch einigen anderen Kolleginnen, Jahrelang unterrichteten sie ein drittes Fach, nun dürfen sie es nicht mehr. Ich verlasse in diesem Jahr Thüringen wieder, damit ich wieder Mathe unterrichten kann. Manchmal, Herr Holter, sollte man mit den betroffenen Lehrern reden und nicht so oft über sie.
Diskurs123 am 06.07.2023
Der Mangel ist hausgemacht und war leider absehbar. Nun kommt auch noch eine neue Schulordnung, die ein neues Fach verpflichtend für alle weiterführenden Schulen einführt; es soll "Medienkunde und Informatik" heißen. Es gibt schon jetzt kaum Informatik-Lehrer*innen! Um für das neue Fach, für das es keine Lehrer gibt, Stunden freizumachen, werden Fächer wie Geografie, Geschichte, Wirtschaft und Recht sowie Sozialkunde gekürzt. Ausgerechnet für diese Fächer gibt es genügend Personal. Ich würde mir diesbezüglich vom MDR eine kritische Berichterstattung und Recherche zur geplanten Novellierung der Schulordnung wünschen. Immerhin kann diese ohne parlamentarische Mehrheit einfach umgesetzt werden.