Ausstand Warnstreiks im Thüringer Nahverkehr: 1.200 Teilnehmer - Ausfall in neun Städten und Kreisen
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29. Februar 2024, 15:00 Uhr
In Thüringen gibt es am Mittwoch, Donnerstag und teils bis Freitag früh erhebliche Behinderungen im öffentlichen Nahverkehr. Sowohl Linienfahrten als auch Schülerverkehr sind betroffen. Rund 1.200 Bus- und Bahnfahrer sind im Warnstreik. Mit den Streiks macht die Gewerkschaft Verdi ein weiteres Mal Druck in den Tarifverhandlungen. Regionalzüge fahren wie geplant.
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In neun Thüringer Städten und Landkreisen fahren am Mittwoch und Donnerstag (28. und 29. Februar) nur wenige oder gar keine Busse und Straßenbahnen. Betroffen sind Linienfahrten und Schülerverkehr. Wie die Gewerkschaft Verdi am Montag mitteilte, sind die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsunternehmen an beiden Tagen ganztägig zum Warnstreik aufgerufen. Rund 1.200 Bus- und Bahnfahrer befinden sich demnach im Warnstreik. Behinderungen im Nahverkehr bis Freitag früh sind nicht ausgeschlossen.
Streikkundgebungen in Jena und Erfurt
Demonstrationen gibt es dazu am Donnerstag in Erfurt und Jena. In Erfurt wird laut Verdi die Thüringer Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke) erwartet.
In Jena haben sich am Nachmittag laut Gewerkschaft mehr als 200 Mitarbeiter von Nahverkehrsunternehmen aus Jena, dem Saale-Holzland-Kreis, aus Weimar und dem Weimarer Land am Demonstrationszug durch die Stadt beteiligt. Die Streikenden überreichten mit dem Bündnis "WirFahrenZusammen" zum Abschluss eine Petition an Mitglieder des Jenaer Stadtrats.
Darin fordern sie mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr, eine Verdoppelung des ÖPNV-Angebots und ein bundesweites Investitionsprogramm. Die Petition haben bislang mehr als 120.000 Menschen unterschrieben - davon gut 1.000 Menschen in Jena.
Diese Städte und Kreise sind vom Streik betroffen
Keine oder fast keine Busse und Straßenbahnen rollen am Mittwoch und am Donnerstag in Erfurt, Gera, Jena, Mühlhausen, Nordhausen, Sondershausen, Weimar und dem Saale-Holzland-Kreis.
Die Erfurter Verkehrsbetriebe Evag rechnen mit einem Ausfall des Nahverkehrs von Mittwoch (28. Februar) 2 Uhr bis Freitagmorgen (1. März) 4 Uhr. Betroffen ist auch der Schülerverkehr. Ein Notfallfahrplan könne nicht erstellt werden. Am Mittwochmorgen gab es in Erfurt durch den Streik nur wenig Menschen am Busbahnhof, dafür volle Straßen. Die Erfurter sind aufs Rad und das Auto umgestiegen. Deutlich mehr Betrieb gab es auch vor den Schulen. Die Kinder und Jugendliche machten sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg, viele wurden auch mit dem Elterntaxi gebracht.
In Jena und im Saale-Holzland-Kreis entfallen von Mittwoch (28. Februar) 3 Uhr bis Freitagmorgen (1. März) 3 Uhr alle Linienfahrten. Nach Angaben der Jenaer Verkehrsbetriebe fahren in Jena und im Saale-Holzland-Kreis nur einige Schulbusse. So seien Buslinien unterwegs, auf denen Subunternehmer fahren. Die JES Verkehrsgesellschaft hat dafür einen Notfahrplan veröffentlicht, der sieben Buslinien umfasst. Vom Streik nicht betroffen sind das Altenburger Land, der Landkreis Greiz sowie die Kreise Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla.
In Weimar steht der Nahverkehr von Mittwoch (28. Februar) und Donnerstag (29. Februar) ganztägig still - alle Weimarer Stadtbuslinien, inklusive Schülerverkehr, entfallen.
Trotz Streiks sind etliche Busse im Weimarer Land unterwegs. Wie die Verkehrsgesellschaft mitteilte, ist ein Großteil der Fahrer im Betriebsteil Apolda zur Arbeit erschienen und auch auf der Strecke. Vor allem der Schülerverkehr werde bedient. Auch Verbindungen von Apolda nach Jena werden aufrechterhalten.
In der Stadt und im Kreis Nordhausen wird es nach Angaben der Verkehrsbetriebe am Mittwoch (28. Februar) und Donnerstag 29. Februar) ganztägig zu Einschränkungen. Das betrifft auch den Schülerverkehr. Ein Notfahrplan, der noch erarbeitet wird, soll ein "Grundangebot im gesamten Linienverkehr" sicherstellen. Die Straßenbahnlinie 10, die baubedingten Ersatzlinien 5 und 6 sowie der Schienenersatzverkehr verkehren im Stundentakt.
Sowohl am Mittwoch (28. Februar) als auch am Donnerstag (29. Februar) werden in Mühlhausen, Sondershausen, im Unstrut-Hainich-Kreis und Kyffhäuserkreis deutlich weniger Busse als gewöhnlich oder gar keine Busse fahren. Im Kyffhäuserkreis fahren nur vereinzelt Busse der VGS Südharzlinie und einiger Privatunternehmer. So werde auch der Schülerverkehr bedient, sagte das Landratsamt. Im Unstrut-Hainich-Kreis fährt so gut wie gar kein Bus.
Regionalzüge fahren planmäßig
In allen anderen Regionen des Landes fahren Busse und Straßenbahnen planmäßig. Mitgeteilt haben das der Wartburgkreis, Altenburger Land, die Landkreise Greiz, Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla. Das gilt auch für die Regionalzüge in allen Landesteilen. Die Deutsche Bahn ist vom Verdi-Streik nicht betroffen.
Verdi fordert 650 Euro mehr Lohn für die ÖPNV-Beschäftigte
Laut Verdi bekommen die Thüringer Beschäftigten beispielsweise im Fahrdienst im Schnitt 400 Euro Lohn im Monat weniger als in Sachsen. Es gehe aber nicht nur um mehr Geld, sondern insgesamt um bessere Arbeitsbedingungen. Die physischen und psychischen Belastungen seien in den vergangenen Jahren unverhältnismäßig gestiegen, hieß es. Gefordert wird unter anderem, dass etwa Wegezeiten angerechnet werden. Die nächste Verhandlungsrunde ist laut Verdi für den 13. März geplant.
Die Gewerkschaft fordert unter anderem 650 Euro mehr Lohn für die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsunternehmen, außerdem Zuschläge für Samstagsarbeit von 20 Prozent sowie geteilte Dienste und höhere Zulagen für Schichtarbeit.
Verdi hat in dieser Woche in ganz Deutschland von Montag bis Samstag Arbeitskämpfe geplant, regional an unterschiedlichen Tagen. Bayern ist als einziges Bundesland nicht betroffen.
Lokale Einschränkungen wegen "Klimastreik" möglich
Einschränkungen kann es lokal auch am Freitag geben. Das Bündnis Fridays for Future hat bundesweit zu einem "Klimastreik" aufgerufen. Gemeinsam mit Beschäftigten im Nahverkehr und der Gewerkschaft Verdi wollen die Initiatoren für eine klimafreundliche Mobilität auf die Straße gehen. In Jena ist für den Nachmittag eine zentrale Veranstaltung geplant.
Mehrere Verkehrsgesellschaften vom Warnstreik betroffen
Die Gewerkschaft erhöht mit dem Warnstreik ein weiteres Mal den Druck in den Tarifverhandlungen, die Mitte Februar vorzeitig abgebrochen worden waren.
Damals waren die Erfurter Verkehrs AG (Evag), die Jenaer Nahverkehr GmbH (JNV), die Geraer Verkehrs und Betreibergesellschaft (GVB) und die JES Verkehrsgesellschaft mbH betroffen. Außerdem wurden die Beschäftigten der Regionalbusgesellschaft Unstrut-Hainich-Kyffhäuserkreis mbH, der Stadtbusgesellschaft Mühlhausen/Sondershausen, der Stadtwerke Weimar GmbH und der Verkehrsbetriebe Nordhausen zum Ausstand aufgerufen.
MDR (kk/thk/dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Februar 2024 | 05:00 Uhr
Thommi Tulpe vor 41 Wochen
Niemand wird gezwungen, im Öffentlichen Nahverkehr zu arbeiten. Oder? So man sich nicht in der Lage fühlt, eine Straßenbahn oder einen Bus zu fahren, kann man sich gern auch als Taxifahrer, Servicemitarbeiter in einer Waschanlage, Mechatroniker ... oder eben einfach als Glas- und Gebäudereiniger bewerben. Und fühlt man sich auch dazu nicht in der Lage, kann es sich jener gern auch mit dem "Bürgergeld" auf der Couch bequem machen. Zwangsarbeit ist aus gutem Grund in diesem, unseren Land verboten, auch wenn es wieder mittlerweile (auch in der Politik) wieder viele Leute gibt, welche Menschen zu Arbeit verpflichten wollen.
Thommi Tulpe vor 41 Wochen
Wessi
Im Osten sind blöderweise sehr viel weniger Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert als sicher im Westen!? Jene, die das sind hier, sind in der Hauptsache Menschen, die (verhältnismäßig) gut verdienen. Alles andere wurde besonders im Osten durch eine Agenda des Ex-Kanzlers Schröder in Koalition mit den Grünen und unter tosendem Applaus von Union und FDP zumeist in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt, in die der gemeine ("normale") Arbeitnehmer zumindest im hier nicht einmal gekommen wäre, so er gewerkschaftlich organisiert gewesen wäre.
Thommi Tulpe vor 41 Wochen
Ich würde es relativieren: Durch den gravierenden Fachkräftemangel sitzen Arbeitnehmer und Gewerkschaften wieder "am längeren Hebel". Noch vor Jahren waren hochqualifizierte Kräfte mitunter auch gezwungen, ihre Arbeitskraft zu sehr ungünstigen Bedingungen Zeitarbeitsfirmen oder privaten Arbeitsvermittlern (im schlimmsten Falle beidem) anzubieten und um Arbeit zu betteln.