Ausstellung endet "Wieder zurück in Gotha! - Die verlorenen Meisterwerke"

14. August 2022, 11:51 Uhr

Wenn am 21. August die Rückkehrer-Ausstellung der lange verlorenen geglaubten Meisterwerke in Gotha endet, wird sie als großer Erfolg verbucht werden. Selten weckte eine Thüringer Ausstellung so viele Emotionen und das Interesse der internationalen Kunstwelt. Für die Gemälde hat das Museum schon weitere Pläne.

Es war einer der spektakulärsten Kriminalfälle der DDR: 1979 werden fünf Gemälde alter Meister aus dem Museum Schloss Friedenstein gestohlen. Fast 40 Jahre galten sie als verschollen. Am 6. Dezember 2018 ging dann die Nachricht um die Welt – sie sind wieder da! Eine Erbengemeinschaft hatte sie bereits im Sommer 2018 Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch zum Kauf angeboten. Es folgte ein Meisterstück der Geheimdiplomatie. Im Januar 2020 kehrten die fünf Gemälde nach Gotha zurück.

Rückkehrer-Ausstellung endet

In einer kurzen Sonderschau wurden sie der Öffentlichkeit präsentiert - unrestauriert und von der Zeit und den Diebstahlsumständen gezeichnet. Knapp 5.000 Besucher haben diese eine Woche genutzt, um die Rückkehrer willkommen zu heißen. Anschließend wurden das "Brustbild eines unbekannten Herrn mit Hut", die "Heilige Katharina", die "Landstraße mit Bauernwagen und Kühen", das "Selbstbildnis mit Sonnenblume" und das "Bildnis eines alten Mannes" zu Restauratoren in Thüringen und Berlin gebracht, um im darauffolgenden Jahr im restaurierten Zustand wiederzukehren. Restauriert und in historischen Rahmen sind sie das Herzstück der sogenannten Rückkehrer-Ausstellung mit 90 Kunstwerken im Herzoglichen Museum der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha. Am 21. August 2022 geht sie nach zehn Monaten zu Ende.

Der wahrscheinlich echte Rembrandt

Das "Bildnis eines alten Mannes" ist wahrscheinlich ein echter Rembrandt - mit dieser Sensationsnachricht begann die Rückkehrer-Ausstellung. Nach Angaben der Stiftung Schloss Friedenstein lassen das Analysen während der Restaurierung vermuten. 1979, im Jahr des Diebstahls, war das Gemälde noch Ferdinand Bol zugeschrieben worden, sagt Timo Trümper, der Kurator der Stiftung Schloss Friedenstein. Bol war ein der Öffentlichkeit nicht sonderlich bekannter Schüler Rembrandts. Später wurde es Jan Lievens zugeschrieben. Dieser etwas bekanntere niederländische Maler teilte sich einige Jahre lang mit Rembrandt eine Werkstatt. Die schlaglichtartige Beleuchtung von links oben und die Hell-Dunkel-Malerei zeigten eindeutig, dass dieses Gemälde in den Rembrandt-Umkreis gehört, so Trümper.

Während der Restaurierung nach der Rückkehr der Gemälde wurde ursprüngliche Farbigkeit wieder hergestellt ebenso die teilweise sehr feinen und teilweise sehr groben Strukturen der Malweise. Das ließ Experten hellhörig werden. Die Farbe im Gesicht hauchzart, das Gewand mit groben Pinselstrichen - typisch für Rembrandt in den 1630er-Jahren. Es folgten weitere Untersuchungen mit dem Ergebnis - das Gemälde kann kaum als Kopie bezeichnet werden. Davon gingen Kunstexperten aber bis dahin aus. Rembrandt oder Rembrandt-Werkstatt das sollen nach der Ausstellung weitere Untersuchungen herausfinden.

Entschuldigungsbrief eines ehemaligen Ermittlers

Das Interesse an der Rückkehrer-Ausstellung war enorm. Das zeigen nicht nur die Besucherzahlen und die gut gebuchten Führungen, sondern auch die Einträge im Gästebuch und die zum Teil sehr emotionalen Zuschriften, sagt Kurator und Sammlungsdirektor Timo Trümper. "Es ist das erste Mal gewesen, dass wir zu solch einer Ausstellung sehr emotionale und sehr persönliche, zum Teil handgeschrieben Briefe bekommen haben von Personen, die damals in irgendeiner Weise mit dem Diebstahl 1979 zu tun hatten als Ermittler, Zeitzeugen oder Museumsmitarbeiter. Das war so nicht zu erwarten." Dadurch habe es zum Teil neue Hinweise oder auch Erkenntnisse gegeben.

Ein ehemaliger Ermittler beispielsweise hat sich in einem handgeschriebenen Brief hochemotional entschuldigt für die damaligen Ermittlungspannen. Er schrieb, man hätte viel mehr den Spuren nachgehen müssen. Man hätte den Fall 1980 lösen können. Die wichtigste Spur sei damals der P70 gewesen. Nur ein Bruchteil der damaligen Halter in der DDR sei überprüft worden, schrieb er. Nicht einmal zehn Prozent sollen es gewesen sein. "Für diesen Hauptkommissar war es ein ganz wichtiges Anliegen persönlich die Ausstellung zu besuchen. Im Rollstuhl kam er in Begleitung seiner Kinder. Das war ein Herzenswunsch von ihm, der ihn die letzten 40 Jahre begleitet hat. Da hat sich ein Kreis für ihn geschlossen. Damit merkt man auch, dass die Ereignisse von 1979 viele Biografien bestimmt hat und viele Personen nicht mehr losgelassen hat", sagt Trümper.

Audioguide und Sonderführungen zur Verlustgeschichte geplant

So nah beieinander wie in den letzten Monaten bleiben die Rückkehrer nicht. Von einigen muss man sich verabschieden. Vom kleinen Elfenbein-Straußenvogel beispielsweise. Er war ein Publikumsliebling und geht zurück ins Depot. Die fünf Gemälde des Kunstdiebstahls von 1979 sollen zukünftig wieder kunsthistorisch wahrgenommen werden dürfen und nicht nur als lange verschollenes Diebesgut, sagt Trümper. "Zur Heimkehr der fünf Gemälde gehört auch, dass sie eigentlich wieder zu den Bildern und in die Abteilungen zurückkehren müssen, zu denen sie gehören. Sie werden neben die Gemälde kommen, neben denen sie 1979 hingen oder in die Nähe."

Die niederländischen Gemälde bekommen ihr zu Hause also wieder im Niederländersaal. Die "Heilige Katharina" von Hans Holbein d.Ä. kehrt in den Saal der altdeutschen Malerei zurück. Hinweise an den Gemälden soll es aber auch zukünftig geben, damit sie als Rückkehrer des Diebstahls von 1979 erkennbar bleiben. Die Gemälde waren das Herzstück der Ausstellung und haben den Fokus dennoch auch auf andere Objekte zugelassen, die ebenfalls Verlustgeschichten erzählen so wie das zersägte Cranach-Gemälde oder die Puppenmöbel, die einst ein Prinz gedrechselt hat und die erst spät in anderen Kunstsammlungen wiederentdeckt wurden und das erste Mal in dieser Rückkehrer-Ausstellung präsentiert worden sind. Gearbeitet wird derzeit an einem Audioguide zur Verlustgeschichte. Außerdem soll es weiterhin Sonderführungen zu dem Thema geben.

Leihanfragen von Museen und internationalen Ausstellungen

Das Interesse an den fünf verschollen geglaubten Gemälden in der Ausstellung war groß. Vor allem Rembrandt-Experten sind weltweit miteinander ins Gespräch gekommen bezüglich des "Bildnis eines alten Mannes". Wissenschaftler und Kunstexperten seien durch die Ausstellung auf die Sammlung aufmerksam geworden . Dadurch hätten sich bereits neue Kooperationen ergeben. Doch auch die anderen vier Gemälde sind begehrt. Es kamen verschiedene Leihanfragen aus unterschiedlichen Häusern in Deutschland. Auch der Druck, die Bilder in große internationale Ausstellung zu geben, sei enorm. Doch erstmal bleiben die Gemälde zu Hause in Gotha.

Petersburger Hängung soll vorerst bleiben

Freuen dürfen sich die Besucher vorerst weiter über die Petersburger Hängung mit ihrer Schattengalerie, so Sammlungsdirektor Timo Trümper. "Die Petersburger Hängung war innerhalb der Ausstellungspräsentation der größte Erfolg und größte Aha-Effekt. Und aufgrund der Beliebtheit wollen wir das noch eine Weile beibehalten. Es kommt auch der Museumsarchitektur zu Gute, dass die Wände bis unter die Decke mit Gemälden gefüllt sind und man darüber die Größe der Verluste und die Verlustwege mit einem Blick nachvollziehen kann. Diese Präsentation provoziert einen Überwältigungseffekt." Diese erfolgreich aufgegangene Idee wird über das Ausstellungsende hinaus Eindruck hinterlassen.

Ein besonderes Objekt der Begierde in der Ausstellung war die im Ausstellungsraum im Erdgeschoss befindliche Stasiaktenkopie des mutmaßlichen Gemäldediebes Rudi B.. Sie musste mehrfach komplett ersetzt werden, so Trümper. "Auch aus hygienischen Gründen, weil viele unserer Besucherinnen und Besucher sich da hineingelesen haben. Sie waren neugierig, sind auch mehrfach wiedergekommen. Für diese 600 Seiten dieser Akte braucht man auch eine gewisse Zeit. Seiten sind auch verloren gegangen, gerade die mit den Fotos. Aber damit haben wir gerechnet. Es stellte kein Problem dar, die wieder zu ersetzen. Wir hatten mehrere Auflagen der Kopien der Akten und anderen Dokumente bereitliegen."

Ausstellungskatalog wird Kassenschlager

Zum Kassenschlager wurde der 272 Seiten umfassende Ausstellungskatalog. "Ja. Auch das ist nicht üblich, dass wir gut vier Wochen nach der Eröffnung der Ausstellung schon die zweite Auflage in Druck geben mussten. Das hat uns sehr gefreut. Der Katalog spricht Kunstinteressierte ebenso an wie Kriminalisten.", erzählt Trümper.

Neugierig machen wollte die Ausstellung und berichten vom einstigen Niedergang der Gothaer Sammlungen ebenso von ihrer Wiedergeburt und dem Wiederaufstieg mit dem stetigen Wachsen, das seit 1990 stetig Tempo aufgenommen hat. 90 Happy Ends wurden in dieser Ausstellung gezeigt. Noch zu sehen bis zum 21. August 2022. Nachzulesen auch weiterhin im umfassenden Ausstellungskatalog.

Podcast "Lost Art Gotha" von MDR KULTUR

"Brustbild eines unbekannten Herrn mit Hut und Handschuhen" von Frans Hals. 24 min
Bildrechte: MDR/Stiftung Schloss Friedenstein
Das Gemälde Alter Mann von Jan Lievens 30 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Elfenbeinarbeit "Einbeiniger Strauß" 23 min
Bildrechte: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha / Foto: Lutz Ebhardt
"Die Heilige Familie" von Joachim Wtewael 26 min
Bildrechte: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Echternacher Evangeliar 33 min
Bildrechte: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 14. August 2022 | 18:00 Uhr

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