Korruption und politische Einflussnahme Bulgarien: EU stellt erhebliche Rechtsstaatsmängel fest

09. Oktober 2020, 13:03 Uhr

In einer Resolution hat das Europäische Parlament Bulgarien erhebliche Mängel in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Medienfreiheit bescheinigt. Das setzt den bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow zusätzlich unter Druck. In Sofia fordern Demonstranten seit drei Monaten jeden Abend seinen Rücktritt.

Die am Donnerstagabend verabschiedete Resolution stellt eine "erhebliche Verschlechterung der Achtung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte fest, einschließlich der Unabhängigkeit der Justiz, der Gewaltenteilung, der Bekämpfung der Korruption und der Medienfreiheit".

Mängel auf fast allen Ebenen

Als Begründung nannte der Text unter anderem eine geplante Verfassungsreform, die die Regierung von Ministerpräsident Bojko Borissow bei der nächsten Wahl begünstigten würde und die politische Einflussnahme auf das Justizsystem, insbesondere durch den Generalstaatsanwalt Ivan Geshev. Außerdem verweist das Papier auf Vorwürfe von Korruption auf höchster politischer Ebene und die Einschränkung der Presse in Bulgarien.

Der zuständige EU-Berichterstatter Juan Fernando López Aguilar erklärte: „Rechtsstaatlichkeit bedeutet Gewaltenteilung, aber die Vorwürfe der Korruption in der Justiz und der politisch motivierten Strafverfolgung nehmen zu. Es bedeutet Medienfreiheit, aber wir sehen, wie die Regierung einen zunehmenden Einfluss auf die öffentlichen Medien ausübt und Klientelismus in Bezug auf private Medien anwendet. Es bedeutet, die Bürgerrechte zu wahren, aber wir sind Zeugen der Brutalität der Polizei und der Unterdrückung der Rechte von Minderheiten."

Massenproteste gegen Regierung Borissov

Die Resolution setzt den bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow zusätzlich unter Druck. Im Land gibt es seit fast drei Monaten Massenproteste gegen seine Regierung. Die Demonstranten werfen ihr Korruption und Machtmissbrauch vor, sowie eine Unterdrückung freier Medien und Einflussnahme auf die Justiz. Sie fordern den sofortigen Rücktritt der Regierung sowie des Generalstaatsanwalts Ivan Geshev und Neuwahlen.

Die Resolution wurde vom Europäischen Parlament mit 358 zu 227 Stimmen angenommen, bei 56 Enthaltungen. Gegen das Papier stimmte unter anderem die Europäische Volkspartei (EVP), die größte Fraktion des EU-Parlament. Zu ihr gehören neben Borissows GERB-Partei auch die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und die CDU/CSU. In der Debatte begründete die EVP ihre Ablehnung damit, dass die Resolution von der Opposition für parteipolitische Zwecke missbraucht werde, statt zum Wohle der Europäischen Union.

(ahe)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 09. Oktober 2020 | 17:45 Uhr

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