Tschechien Corona-Alarm in Tschechien: Deutschland erklärt Prag zu Risikogebiet

10. September 2020, 18:57 Uhr

Tschechien schreibt neue Rekordzahlen. Am Dienstag wurden 1.164 Corona-Neuinfektionen bestätigt. Damit wurde der bisherige Tageshöchstwert 796 vom vergangenen Freitag übertroffen. Die Regierung sucht nach einem Ausweg und verschärft die Corona-Schutz-Maßnahmen wieder. Gleichzeitig hat Deutschland hat nun Prag zum Risikogebiet erklärt. Je nach Bundesland müssen Rückkehrer in Quarantäne. Arbeitspendler betrifft die Warnung vorerst nicht.

Diese blonde Frau ist unsre tschechische Ostbloggerin Helena Šulcová.
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Deutschland hat Prag am Mittwoch als Risikogebiet eingestuft. Wer nun aus Prag nach Deutschland einreisen will, muss einen Covid-19-Test mit negativem Befund vorweisen oder in Quarantäne gehen. Das erklärte die Bundesregierung auf einer Pressekonferenz.

Den Schritt hatten tschechische Regierungsvertreter vorab bereits angedeutet. Entsprechend kam die Nachricht für die meisten Prager nicht überraschend. Sie trifft die Stadt aber erheblich, wie sich bereits in den vergangen Tagen zeigte.

Tschechen stoßen mit Bier an.
Corona? Ist doch Geschichte! Nach diesem Motto wird seit Wochen in Tschechien gelebt Bildrechte: imago images/CTK Photo

Prag: Schock mit Ankündigung

Wenn man abends durch die Straßen der tschechischen Hauptstadt geht, hat man den Eindruck, dass kein Coronavirus existiert. Gruppen von jungen Menschen stehen vor Kneipen, trinken Bier, amüsieren sich – auf Abstand geht niemand. Das Gleiche gilt in Restaurants und besonders in Nacht-Clubs. "Diese Einrichtungen beteiligen sich sehr an der Ausbreitung der Infektion", sagt die Chefin des Prager Hygieneamts Zdenka Jágrová.

Auch deswegen müssen ab Mittwoch die Bars, Kneipen und Nachtklubs in Prag ab Mitternacht bis 6 Uhr geschlossen bleiben. Die tschechischen Gesundheitsbehörden versuchen die kritische Situation mit neuen Maßnahmen zu retten. Im ganzen Lande gilt ab Donnerstag in allen geschlossen Räumen wieder die Mundschutzpflicht. In öffentlichen Verkehrsmitteln muss man schon jetzt einen Mundnasenschutz tragen.

Menschen feiern in Prag auf der Karlsbrücke mit einem Abendessen an einer 500meter langen Tafel.
Menschen feiern am 30. Juni in Prag auf der Karlsbrücke mit einem Abendessen an einer 500 Meter langen Tafel das Ende der Corona-Beschränkungen. Bildrechte: imago images/CTK Photo

Streber auf Zeit

Tschechien hatte im März sehr schnell auf die Pandemie reagiert und sofort harte Maßnahmen eingeführt. Das Land schloss die Grenzen, den Mundschutz musste man überall tragen, auch auf Straßen. Kneipen wurden geschlossen, viele Firmen stoppten ihre Produktion. Die besorgten Tschechen verhielten sich umsichtig, viele blieben zu Hause. Und dann war die Angst gewissermaßen von einem Tag auf den anderen weg.

Der Druck der Öffentlichkeit und der Wirtschaft führte dazu, dass schon Ende April und Anfang Mai die meisten Maßnahmen gelockert wurden. Seitdem stecken sich immer mehr Tschechen mit dem Corona-Erreger an. Verzeichneten die Behörden Mitte Juni noch etwa 2.200 Infizierte, sind es aktuell ca.  9280. Und das bei einer Einwohnerzahl von nur 10,5 Millionen. Zum Vergleich: Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohnern meldet zurzeit rund 17.000 aktive Corona-Fälle.

"Die steigende Zahlen stellen ein Risiko dar", sagte der tschechische Epidemiologe und Regierungsberater Roman Prymula am Mittwoch in einem Interview mit dem Nachrichtensender Radio Z. Die Tschechen unterschätzen seiner Meinung nach die Krankheit und hielten sich nicht mal an die elementarsten Regeln. "Wenn es so weiter geht, müssen die Maßnahmen wieder verstärkt werden", so Prymula.

Eine Frau trägt einen Hut, eine Maske und ein Schild.
Tschechien hatte im März sehr schnell auf die Pandemie reagiert und sofort harte Maßnahmen eingeführt. Bildrechte: imago images/CTK Photo

WHO besorgt! Regierungschef empört!

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die aktuelle Corona-Situation in Tschechien als "besorgniserregend" eingestuft. Sie erinnerte die Tschechen daran, dass es keine Alternative zum Testen, Nachverfolgen und Isolieren gebe. Auch viele Experten in Tschechien kritisieren die Regierung dafür, dass die sogenannte "smarte Quarantäne", also eine Technologie, die bei der Entdeckung Infizierter helfen soll, nicht zu 100 Prozent funktioniert.

Diese Kritik und die steigende Zahl von Corona-Infizierten kommen für Premierminister Andrej Babiš zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt, denn in drei Wochen finden in Tschechien die wichtigen Kreiswahlen statt. Babiš präsentierte sich bislang als derjenige, der die Corona-Situation im Frühling gut gemeistert hat und auch nach wie vor im Griff hat. Tschechien sei ein Vorbild, betonte er in den letzten Monaten sehr oft.

Nun scheint das nicht so ganz zu stimmen. Entsprechend verstimmt reagierte Babiš auf die Kritik der WHO. "Die WHO sollte schweigen", schrieb der tschechische Regierungschef auf Twitter und warf der WHO vor, dass sie die Masken im Frühling nicht empfohlen habe. Die WHO habe laut Babiš nicht einmal gewusst, dass es eine Pandemie gebe. 

Der Premierminister der Tschechischen Republik Andrej Babis, der eine Gesichtsmaske trägt, nimmt an einer Pressekonferenz in Prag teil.
Verärgert und besorgt: Premier Andrej Babiš Bildrechte: imago images/CTK Photo

Deutschland erklärt Prag zum Corona-Risikogebiet

Die Einstufung Prags als Risikogebiet kam wohl mit Ansage. Der stellvertretende tschechische Außenminister Martin Smolek hatte bereits vor der offiziellen Erklärung Berlins in einem Interview mit dem Radiosender Radiožurnál erwähnt, dass Deutschland über eine solche Maßnahme nachdenke. Offenbar hatte Bundeskanzlerin Merkel dies ihrem tschechischen Amtskollegen Babiš bereits am Dienstagabend in einem Telefongespräch mitgeteilt.

Für viele Firmen ist das ein Problem, denn Deutschland ist für Tschechien der größte Handelspartner. 33 Prozent des tschechischen Exports gehen nach Deutschland. "Es wird auch ein Problem für die Hotels in Prag", sagt Václav Stárek, Leiter des tschechischen Hotel- und Gaststätten-Verbandes. Prag war die vergangenen Wochen vor allem auf Touristen aus den Nachbarländern angewiesen. Deutsch ist jetzt fast die einzige Fremdsprache, die man auf den Prager Straßen hört.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL TV | 09. September 2020 | 19:30 Uhr

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