Han Kang: Eine Frau mit langen schwarzen Haaren lehnt sich auf einem Sessel nach rechts.
Han Kang ist die 18. Frau, die mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird. Bildrechte: imago images/TT

Ehrung 2024 Von Leipziger Buchmessepreisträgerin übersetzt: Literaturnobelpreis für Han Kang

10. Oktober 2024, 13:29 Uhr

Die Schriftstellerin Han Kang aus Südkorea erhält den Literaturnobelpreis 2024. Das verkündete die Schwedische Akademie in Stockholm. Ihre Bücher werden von Ki-Hyang Lee ins Deutsche übertragen, die 2024 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse geehrt wurde. Für den Nobelpreis hochgehandelte Kandidaten wie der Japanische Autor Haruki Murakami oder die britische Schriftstellerin Margaret Atwood gingen damit erneut leer aus.

Der Literaturnobelpreis 2024 geht an die Autorin Han Kang. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Sie wird ausgezeichnet für ihre poetische Prosa, die "historische Traumata" aufarbeite und die "Verletzlichkeit menschlichen Lebens" darstelle. "Sie verfügt über ein einzigartiges Gespür für die Zusammenhänge zwischen Körper und Seele, Lebenden und Toten", hieß es in der Begründung.

Damit geht der Nobelpreis zum ersten Mal nach Korea. Die Auszeichnung ist mit 10 Millionen Kronen dotiert und gilt als wichtigste Auszeichnung für ein literarisches Werk. Han Kangs Bücher werden von Ki-Hyang Lee ins Deutsche übertragen, die 2024 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse geehrt wurde.

Han Kang: Eine Frau mit langen dunklen Haaren und Schal von der Seite.
Bildrechte: IMAGO / TT

Han Kang: "Würdige Nobelpreisträgerin"

Han Kang gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen in Südkorea. Sie wurde 2016 mit dem britischen Man Booker Prize International für ihren Roman "Die Vegetarierin" ("채식주의자") ausgezeichnet, in dem sie die kafkaeske Geschichte einer Frau erzählt, die plötzlich jeden Fleischverzehr ablehnt. Darin geht es auch um das Patriarchat in Südkorea, Gewalt und Wiederstand. In ihrem Roman "Menschenwerk" ("소년 이 온다") aus dem Jahr 2014 schrieb sie über die blutige Niederschlagung der Studentenproteste 1980 in Gwangju.

Ein Buchcover mit der Nahaufnahme einer Orchidee, darüber steht "Han Kang Die Vegetarierin"
Für ihren Roman "Die Vegetarierin" erhielt Han Kang den Man Booker Prize. Bildrechte: Aufbau Verlag

In "Weiß" erzählt die koreanische Autorin inspiriert von der eigenen Familiengeschichte über ein Kind, das nur wenige Stunden überlebte. In kurzen Kapiteln arbeitet sie sich dafür in verdichteter Sprache an weißen Gegenständen wie "Muttermilch" oder "Reiskuchen" ab. Die Schwedische Akademie hob hervor, dass Kang mit ihrem Stil eine Erneuerin der zeitgenössischen Prosa sei.

Leise Töne der Literatur

Die Literaturkritikerin Katharina Borchhardt sagt bei MDR KULTUR, dass die Akademie in diesem Jahr alles richtig gemacht habe: Es sei wieder ein Frau und nach lange Zeit eine Person aus dem asiatischen Raum ausgezeichnet worden. Literarisch wie politisch sei Han Kang eher unumstritten, berichtet Borchhardt. "Sie ist sicherlich eine politische Autorin, ohne aber ein bestimmtes politisches Programm zu verfolgen." Es gehe Kang darum, Traumata zu benennen und dann auch zu heilen. Als Beispiel nennt Borchhardt den jüngst auf Deutsch erschienen Roman "Deutschstunden", in dem zwei versehrte Menschen zusammenfinden.

Mit ihren 53 Jahren ist Han Kang verhältnismäßig jung. Borchhardt befürchtet jedoch nicht, dass die Auszeichnung die Autorin negativ beeinflussen könne, sie weder abheben lasse noch hemme. Die Kritikerin attestiert Kang "eine ganz große inhaltliche Freiheit" und dass sie resistent sei von großen Ehrungen eingeschüchtert zu sein. Nach dem internationalen Erfolg von "Die Vegetarierin" habe sich die Südkoreanerin damals auch einfach einem neuen Projekt zugewandt. Auch bei der Verkündung in Stockholm wurde berichtet, dass die Autorin beim Abendessen von ihrer Auszeichnung erfahren habe und unaufgeregt freudig darauf reagiert habe.

Von Dylan bis Hauptmann

Han Kang ist die erste Preisträgerin aus Südkorea und folgt auf den Romancier und Dramatiker Jon Fosse aus Norwegen (2023) und die französische Schriftstellerin Annie Ernaux (2022). Bisher sind zehn deutsche Schriftsteller mit dem Literaturnobelpreis geehrt worden, zuletzt 2009 Herta Müller. Zehn Jahre vor ihr wurde Günter Grass diese Ehre zu teil. Davor erhielt 1972 Heinrich Böll den Nobelpreis für Literatur. Außerdem wurden Nelly Sachs (1966), Hermann Hesse (1946), Thomas Mann (1929), Gerhart Hauptmann (1912), Paul Heyse (1910), Rudolf Eucken (1908) und Theodor Mommsen (1902) diese Ehre zu Teil.

Elfriede Jelinek
Österreichs Enfant terrible Elfriede Jelinek ist eine von 17 Frauen, die bisher mit der Auszeichnung bedacht wurden. Bildrechte: imago/Leemage

Bisher haben lediglich 18 Frauen den Literaturnobelpreis erhalten, wogegen es bereits mehr als 100 männliche Preisträger gibt. Die Tendenz ist aber steigend, wurden seit der Jahrtausendwende doch neun Frauen ausgezeichnet: Vor Han Kang und neben den bereits erwähnten Herta Müller und Annie Ernaux waren das Elfriede Jelinek (2004), Doris Lessing (2007), Alice Munro (2013), Swetlana Alexijewitsch (2015), Olga Tokarczuk (2018, vergeben 2019) und Louise Glück (2020).

Eine Ausnhameerscheinung unter den Literaturnobelpreisträgern ist der Musiker Bob Dylan. Ihm wurde 2017 als erstem und bislang einzigem Musiker die Ehrung zugesprochen. Der 75-Jährige reagierte sehr zurückhaltend und hielt seine Nobelpreisrede auch nicht selbst, was als sehr befremdlich wahrgenommen wurde.

Bob Dylan
Skandal in Schweden: Der ewige Rebell Bob Dylan blieb 2017 seiner eigenen Preisverleihung fern. Bildrechte: imago/ZUMA Press

Verleihung im Dezember

Der Nobelpreis für Literatur wird wie jedes Jahr am 10. Dezember verliehen, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. Die Verleihung findet im Stockholmer Konzerthaus statt. Dann werden auch die naturwissenschaftlichen Nobelpreise vergeben.

Im Bereich Physik geht er an den US-Amerikaner John Hopfield und den Kanadier Geoffrey Hinton für die grundlegende Entdeckungen und Erfindungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen. Den Nobelpreis für Chemie erhält zur Hälfte David Baker (USA) und zum anderen Teil Demis Hassabis und John Jumper aus Großbritannien, die alle im Bereich des KI-gestützten Baus von Proteinen forschen. Den Medizinnobelpreis bekommen Victor Ambros und Gary Ruvkun aus den USA für ihre Entdeckung der microRNA.

Alfred Nobel - Gemälde
Der noble Stifter, der Industrielle Alfred Nobel, portraitiert von einem unbekannten Künstler. Bildrechte: imago images/Photo12

Die Nobelpreise werden in der Regel jährlich vergeben. Sie gehen zurück auf den Stifter Alfred Nobel, der selbst Erfinder und Industrieller war. Er legte testamentarisch fest, dass eine Stiftung aus den Zinsen seines Vermögens die Preise finanzieren soll. Diese sollen an Menschen gehen, die "der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben".

Die Nobel-Stiftung wurde 1900 gegründet. Laut deren Statuten soll mit dem Preis für Literatur ausgezeichnet werden, wer "das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat". Die Schwedische Akademie in Stockholm vergibt die Nobelpreise im Auftrag der Stiftung. Seit 2023 sind die Auszeichnungen mit jeweils elf Millionen Schwedischen Kronen (circa 969.000 Euro) verbunden.

Quellen: Schwedische Akademie, ARD (Jan Ehlert), DPA, EPD
Redaktionelle Bearbeitung: bh, lm, tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt – Kulturnachrichten | 10. Oktober 2024 | 08:30 Uhr

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