Analyse Brinkbäumer zu Nach der US-Wahl
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Analyse Sieger und Besiegte

10. November 2024, 05:00 Uhr

Donald Trump und die Republikaner sind die Sieger der US-Präsidentenwahl, Kamala Harris und die Demokraten die Besiegten. Wie die USA mit dem noch frischen, aber spektakulär eindeutigen Wahlergebnis umgehen. Eine Analyse von Klaus Brinkbäumer.

Kamala Harris war ein wenig heiser. Sie schien zu schlucken, blieb beherrscht, doch diese Rede, das sahen viele Millionen Menschen, fiel ihr schwer. Eine gute Rede wurde es, womöglich ihre bislang beste. Dass Kamala Harris diese Rede an jenem Ort hielt, an dem sie eigentlich ihren Sieg hatte feiern wollen, vor der Howard Universität in Washington, D.C., und dass sie diese Rede an jenem Tag hielt, an dem ihre Niederlage besiegelt war, das allerdings hatte etwas Tragisches. Sie gestand die Niederlage ein, sagte eine konstruktive Machtübergabe zu, versprach, dass der Kampf nicht zu Ende sei.

Auch Donald Trump wirkte ein wenig müde. Er sagte zwar, dass das alles "grandios" sei und natürlich der größte Sieg "in der Geschichte Amerikas" oder "vielleicht überhaupt", er sprach dort in West Palm Beach also allerlei bombastische Wörter aus. Aber kraftlos wirkte er doch. Alt wirkte er. Oder vielleicht war es auch nur die Erleichterung des Siegers, die Erschöpfung nach dem Sieg.

Überraschend deutlicher Sieg

Am vergangenen Dienstag entschieden sich die Wählerinnen und Wähler der USA in zuvor nicht erwarteter Eindeutigkeit gegen eine mögliche Präsidentin Kamala Harris (die die erste Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten gewesen wäre) und für den künftigen Präsidenten Donald Trump (der der 47. Präsident sein wird, zugleich der zweite, der gewählt, dann abgewählt und dann doch noch zum zweiten Mal gewählt wurde).

Ein überraschend deutlicher Sieg war es, mit landesweit rund vier Millionen Stimmen Vorsprung. Es war ein Sieg in sämtlichen sieben der zuvor als wahlentscheidend ausgemachten Swing States, also den besonders umkämpften Bundesstaaten. Ein Sieg war es, der zudem begleitet wurde von Triumphen der Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus, weshalb der künftige Präsident mindestens zwei Jahre lang nahezu unbedrängt herrschen und durchregieren kann.

Die Vereinigten Staaten, bereits zuvor und seit vielen Jahren schon polarisiert, leben seit dieser Wahl in zwei Welten, zwei Wirklichkeiten.

Trump-Welt jubiliert

Die Trump-Welt jubiliert, und das hat etwas Dröhnendes. Von Aussöhnung nach dem Duell, von einem Wunsch nach amerikanischer Einigkeit keine Spur. Auf X, Elon Musks Propaganda-Maschine, wird tausendfach die Verhaftung politischer Gegner verlangt. Und Harris wird, tausendfach, sexistisch beleidigt. "Alle müssen raus", schreibt Stephen Bannon, Trumps Vertrauter, und meint die elf Millionen einstigen Migranten, die sich ohne Papiere in den USA aufhalten sollen.

Die Trump-Welt bereitet sich vor. Erste Personalentscheidungen fallen bereits, die wichtigste ist diese: Susie Wiles wird White House Chief of Staff, Stabschefin, damit oberste Managerin der Trump-Welt. Wiles, die Trumps Wahlkampf leitete und den oft wüsten Trump ein bisschen zähmte, lebt wie ihr Chef in Florida, hatte einst bei Ronald Reagan das Handwerk gelernt, später den Senator Rick Scott und den Gouverneur Ron de Santis beraten und bereits in den Kampagnen von 2016 und 2020 für Trump gearbeitet. Politico nennt sie die "am meisten gefürchtete und am wenigsten bekannte" politische Strategin Washingtons, Trump nennt sie "Eiskönigin".

Zusammen, so haben sie es jedenfalls angekündigt, wollen sie die Verfolgung der politischen Gegner Trumps angehen. Vermutlich wird Trump darum die eigentlich garantierte Unabhängigkeit des Justizministers beenden und in Gefolgschaft umwandeln – wer den Posten haben möchte, wird zuvor mutmaßlich versprechen müssen, die von Trump gewünschten Verfahren zu eröffnen und natürlich jene Verfahren, die noch immer gegen Trump laufen, einzustellen.

Mauer zu Mexiko und Ausstieg aus Klimaabkommen

Es gibt weitere Pläne. Die Mauer an der Südgrenze zu Mexiko und "massenhafte Deportationen" (Trump) sind jene Wahlversprechen, die besonders viele Menschen mobilisiert haben; gleich "am ersten Tag" (Trump), also nach der Amtsübergabe am 20. Januar, soll die Umsetzung beginnen.

Der erneute Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen wird vorbereitet, ebenso die ungebremste Förderung fossiler Energien und deshalb die Nivellierung diverser Naturschutzgesetze.

Das generelle Abtreibungsverbot, Kernthema der Evangelikalen, dürfte dagegen nicht ganz oben auf Trumps Agenda stehen. Er hat einen geschickten Wahlkampf gemacht, denn er hat es geschafft, das Thema für nicht weiter wichtig zu erklären und von seiner Person zu trennen: Viele Frauen, die für ein liberales Abtreibungsrecht sind, haben dennoch Trump gewählt. Wahrscheinlich ist, dass Trump sich auch im Weißen Haus nicht damit befasst, aber republikanische Hardliner gewähren lässt.

Außenpolitik hat im Wahlkampf und auch in den Tagen nach der Wahl keine größere Rolle gespielt. Dass die USA unberechenbar sein würden, bisweilen launisch wie ihr Präsident, womöglich erratisch, erwarten Amerika-Experten im Auswärtigen Amt in Berlin. Und dass Trump isolationistisch, gewiss nationalistisch agieren und die Interessen Amerikas sowie seine eigenen über Verträge und Bündnisse stellen werde, davon sind die Fachleute in Berlin überzeugt – so war es ja schon beim 45. Präsidenten der USA, der ebenfalls Donald Trump hieß.

Tränen im Harris-Lager

Im anderen Amerika, in der anderen amerikanischen Wirklichkeit gab es in den vergangenen Tagen Tränen. Viele Frauen empfanden das Wahlergebnis als Verhöhnung, als Beweis allzu weit verbreiteter Misogynie. Kamala Harris‘ Partei wiederum, die Demokraten, wirkte zunächst schockstarr, dann beleidigt, dann ziemlich kleinlaut und schuldbewusst. Der Tenor: Wie eigentlich konnten wir so dumm sein?

In der Rückschau, auf Grundlage der detaillierten Wahlergebnisse, ist das kollektive Versagen dieser Partei ja tatsächlich ganz und gar offensichtlich.

Dass Trumps Themen, Migration und Wirtschaft, sehr viel mehr emotionale Wucht hatten als Harris‘ Themen, Abtreibung und die Rettung der Demokratie, das sehen jetzt – im Rückspiegel – alle Strategen der Demokraten. Es wird aber noch schmerzhafter.

Unzufriedenheit war greifbar

Bei vielen Wahlen in vielen anderen Ländern hatte sich seit der Pandemie gezeigt, dass amtierende Regierungen mit reichlich Wut abgewählt werden. Das hat mit den vielen Veränderungen im Leben der Wählerinnen und Wähler zu tun, vor allem mit wirtschaftlichen Krisen. In den USA hatten die Reallöhne nicht mit der Inflation mitgehalten. Die Unzufriedenheit war greifbar, und sie war vielfach belegt.

Wieso also hielten die Demokraten an Joe Biden fest, der von sich glaubte, der einzig denkbare Präsident zu sein, aber 81 Jahre alt ist, fragil, rhetorisch unsicher, ein vielleicht kranker, gewiss schwacher, alter Mann?

Und vor allem: Wenn die Demokraten ihre ständig wiederholte Aussage, dass Trump eine Gefahr für die Demokratie, für Amerika, für die Welt sei, ernst meinten, wenn sie also von einer existenziellen Wahl ausgingen – wie konnten sie dann mit Biden antreten? Was für eine Hybris.

Niederlage war erwartbar

Gleichgültig, wen man heute fragt: Heute sehen es beinahe alle so in der Partei, jetzt, hinterher. Schmerzhaft ist für die meisten vor allem dieser Gedanke: Eigentlich wussten sie es ja vorher schon. Sie spürten es, hörten es, sahen die Umfragen und dachten doch, dass sie irgendwie damit durchkommen würden.

Wie fahrlässig. Denn als Biden dann abtrat, im Juli, konnte nur noch Vizepräsidentin Harris übernehmen. Für Vorwahlen, für eine echte Auswahl der besten Kandidatin oder des besten Kandidaten, war es zu spät. Harris aber ist Vize-Präsidentin, war Teil der unbeliebten Biden-Regierung, was nicht Neuanfang, sondern Belastung bedeutete.

2016 schickten die Demokraten eine unbeliebte Kandidatin, Hillary Clinton, ins Rennen gegen den Kandidaten Donald Trump, den sie für schwach hielten, für leicht schlagbar. Viele in der Partei glaubten damals, dass die Partei zwar nicht bestmöglich, aber gewiss gut genug aufgestellt sei. Sie alle unterschätzten Trump.

Es gibt Fehler im Leben, die man maximal einmal machen sollte.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 09. November 2024 | 07:13 Uhr

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