Sonnabend, 25.07.2020:

"Schwein gehabt." - Als ich Kind war, sagte das immer meine Mutter, wenn sie beim Fleischer ein ganz besonders gutes Stück erwischt hat. "Schwein gehabt" - das ist ein altes Sprichwort, dessen Herkunft nicht sicher ist. War es im Mittelalter Brauch, dass bei sportlichen Spielen der Letztplatzierte ein Schwein erhielt? Oder ist die Sau gemeint, die mancherorts in Süddeutschland noch heute eine Bezeichnung für ein Ass beim Kartenspielen ist? Vielleicht geht es einfach um das Glück in Notzeiten, genügend Proviant, sprich Schinken zu haben. Man weiß es nicht.

"Schwein" - das erinnert mich zuerst an den Sonntagsbraten. In meiner Kindheit war das ein Höhepunkt der familiären Ernährung. Ein Braten. Ob Rind oder Schwein, zu Ostern ein Hase oder zu Weihnachten die Gans - das war etwas ganz Besonderes. Und Gott wurde gedankt für diese guten Gaben. Neuerdings hat dieses "Schwein gehabt." einen faden Beigeschmack. Die Massentierhaltung, katastrophale Zustände bei der Fleischverarbeitung und menschenverachtende Unterbringung von Angestellten - alles das verdirbt mir den Appetit und ich schaue mit einigem Misstrauen auf die Fleischtheke im Supermarkt. Ich weiß, wie die Sonderangebote zustande kommen und frage mich, warum will der Mensch keine Grenzen akzeptieren? Möglichst billig und drauf auf den Grill, spätestens dann scheint alles egal.

Umdenken ist angesagt. Die einen rufen nach neuen Gesetzen, die anderen nach höheren Preisen. Ich wünsche mir ein bewussteres Leben. Denn jeder kann wissen, wenn etwas nichts kostet, haben andere die Rechnung längst bezahlt. Sei es der Tagelöhner moderner Art aus Südosteuropa oder das Tier selbst, das nun wirklich kein "Schwein gehabt" hat. Das ist der fade Beigeschmack, den man mit jedem Bissen zu sich nimmt und der in der Umwandlung zu Nährstoffen auch ein Teil meines Körpers wird. Dieses Schwein möchte ich nicht haben. Das ist kein Glück.

Ich wünsche Ihnen morgen guten Appetit, wirklich - beim Sonntagsbraten. Aber dann ist auch wieder Wochentag, eine ganze Woche Fleischpause. Damit fängt es an. Gott wird es uns danken. Und am Ende die Schweine auch.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Stephan Ringeis

Stephan Ringeis

Senderbeauftragter der Evangelischen Freikirchen beim MDR

geb. 18.09.1962 in Jena | aufgewachsen in Berlin | Studium der Theologie am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Bad Klosterlausnitz von 1982 bis 1987 | Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Neudorf/Erzgebirge 1987 bis 1990 | Pastor in Wilkau-Haßlau 1990 bis 1997 | Pastor in Zwickau von 1997 bis 2009 | Superintendent des Distrikts Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche 2009 bis 2019 | Pastor im Interimsdienst (Geistliche Begleitung von Gemeinden in Übergangssituationen) | verheiratet | drei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.