Dienstag, 21.07.2020:

Endlich einen Schlussstrich ziehen. Das höre ich immer wieder einmal, wenn es um die schreckliche Zeit der Naziherrschaft zwischen 1933 und 1945 geht. Irgendwie kann ich die Sehnsucht verstehen. Wer beschäftigt sich schon gern mit den dunklen Kapiteln der Geschichte. Das ist anstrengend. Aber ich bin überzeugt, es ist unverzichtbar. Die Gründe sind verschieden. Damit so etwas nie wieder geschieht.

Es gilt, aus der Geschichte zu lernen. Nur wenn ich die Geschichte kenne, kann ich auch die Gegenwart verstehen. Ja, das strengt an. Heute werde ich durch das Kleingedruckte in meinem Kalender an die Hitlerattentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg des 20. Juli 1944 erinnert. Sie wurden heute vor 76 Jahren hingerichtet. Einen Tag vorher wollten Sie einen Menschen Namens Adolf Hitler töten. Sie hatte Gründe dafür. Eine fürchterliche Zeit.

Mir fallen andere Namen ein: Dietrich Bonhoeffer, Sophie und Hans Scholl oder Pfarrer Paul Schneider, der Prediger von Buchenwald. Nicht zu vergessen, die unbekannten Namen aus dem Umkreis der eigenen Familie. Würde ich einen Schlussstrich ziehen, ich würde auch alle diese Menschen vergessen und damit die Erkenntnis, dass es immer nötig ist zu fragen, wo liegt meine Verantwortung, wo stehe ich und was will ich mit meinem Leben befördern. Vielleicht fällt mir die Erinnerung deshalb so schwer, weil ich an diese Aufgabe nicht so dringlich erinnert werden möchte.

Doch ich bin dankbar, dass ich in einer Zeit und in diesem Land lebe, wo um den richtigen Weg gerungen werden kann und wo dieses Ringen durch das Gesetz geschützt ist. Es darf keine Gewaltopfer geben. Du sollst nicht töten, heißt es in den zehn Geboten. Manchmal gelingt dieser Schutz leider nicht. Dann werden wir an böse Zeiten erinnert, ob wir wollen oder nicht. Schlussstrich hin oder her - ich glaube, das ist gut so.
 

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Stephan Ringeis

Stephan Ringeis

Senderbeauftragter der Evangelischen Freikirchen beim MDR

geb. 18.09.1962 in Jena | aufgewachsen in Berlin | Studium der Theologie am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Bad Klosterlausnitz von 1982 bis 1987 | Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Neudorf/Erzgebirge 1987 bis 1990 | Pastor in Wilkau-Haßlau 1990 bis 1997 | Pastor in Zwickau von 1997 bis 2009 | Superintendent des Distrikts Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche 2009 bis 2019 | Pastor im Interimsdienst (Geistliche Begleitung von Gemeinden in Übergangssituationen) | verheiratet | drei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.