Freitag, 23.10.2020: Leviten

"Ich glaube, ich muss Dir mal ordentlich die Leviten lesen." Diesen Spruch wird wohl jede Mutter ab und an ihrem Kind verpasst haben, dann, wenn der liebe Nachwuchs mal wieder neben der Spur war. Jedenfalls war das eine Lieblingsformulierung meiner Mutter. "Leviten lesen" wird umgangssprachlich wie "eine Strafpredigt loslassen" verwendet. Aber historisch ist das nicht ganz richtig.

"Leviten lesen", das hat, wie viele unserer Sprichwörter und Redensarten, einen biblischen Hintergrund. Das Dritte Buch des Alten Testaments heißt Levitikus und besteht eigentlich von vorn bis hinten nur aus Regeln, Anweisungen und Festlegungen. Vorschriften für den Gottesdienst, aber auch für das Alltagsleben. Regelungen für den Umgang miteinander, Vorschriften für die ordnungsgemäße Zubereitung von Speisen, sogar für die Behandlung von Krankheiten. Aber auch moralische und soziale Gebote, die grundlegend für die damalige Gesellschaft waren, sind in dem Buch ausführlich enthalten. Es ist ein einziges Gesetzbuch, das damals in der Zeit des Alten Testaments die allgemeine Richtschnur war. Sehr anstrengend zu lesen. Im Mittelalter kam in den Klöstern der Brauch auf, ungehorsamen Mönchen zur Hebung der Disziplin lange Passagen aus der Bibel vorzulesen. Das Buch Levitikus galt dabei als besonders langweilig. Aus dem Brauch im Mönchstum leitete sich bald die obige Redewendung ab und brachte das Buch Levitikus zu zweifelhaften Ehren. Dabei hat das Buch Levitikus dies gar nicht verdient.

Aber auch wenn dieser Text schon gut 3.000 Jahre alt ist, ist er dennoch von besonderer Aktualität. Denn die vielen Regelungen sind nicht ihrer selbst wegen formuliert worden. Hinter den Ausführungen wird ganz stark das Bemühen der Menschen deutlich, Gott zu suchen. Und hinter den endlos vielen Vorschriften steht eine zentrale Aussage, die nun schon 3.000 Jahre alt ist: Versöhnung. Immer wieder Versöhnung suchen. Mit Gott, aber auch mit den Menschen. Versöhnung ist das Wichtigste. Das galt vor 3.000 Jahren wie auch heute. Im Großen wie im Kleinen. Und natürlich auch für Mutter und Kind, dem eben die Leviten gelesen wurden.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Katrin Hutzschenreuter

Katrin Hutzschenreuter

geb. 1971 | Berufsausbildung als Metallurge mit Abitur | Ausbildung zur Krankenschwester | tätig bei der Diakonie - Sozialstation Freiberg | Mitglied der Domgemeinde zu Freiberg und Leiterin des Kirchenvorstands

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.