Mittwoch, 16.06.2021: Geduld

Geduld - fällt Ihnen das leicht, liebe Hörerinnen und Hörer? Also mir nicht. Ich bin nämlich ein eher ungeduldiger Mensch, müssen Sie wissen. Meistens jedenfalls. Ich will, dass sich etwas bewegt, dass etwas vorangeht im Leben. Stillstand auszuhalten, fällt mir nicht ganz leicht.

Ich merke allerdings auch, dass mir da nicht immer guttut. Und deshalb versuche ich, unterscheiden zu lernen zwischen verschiedenen Formen der Ungeduld in meinem Leben. Da gibt es eine Ungeduld, die daher rührt, dass ich schneller vorankommen will. Und dann frage ich mich, wenn ich innehalte und ein bisschen darüber nachdenke: Gefällt es mir nicht, wo ich gerade bin in meinem Leben? Will ich mich von irgendetwas ablenken? Bin ich auf der Flucht und - wenn ja - wovor? Durch diese kurze Unterbrechung, diese kleine Denkpause, kann es passieren, dass ich merke: Im Grunde geht es mir doch gerade ganz gut. Hier - in dieser Situation - kann ich es gut noch ein bisschen aushalten. Ja, mehr noch: Ich kann sie sogar genießen, mich an ihr freuen, in ihr heimisch werden. Und so entgehe ich dann, wenn’s gut geht, der Geschwindigkeitsfalle und lerne, das Leben geschehen zu lassen.

Eine ganz andere Form der Ungeduld ist die, die ich gerne - mit einem Romantitel von Stefan Zweig - "die Ungeduld des Herzens" nenne. Die Ungeduld des Herzens. Die erzählt mir von meiner Sehnsucht. Davon, dass etwas in meinem Leben nicht zur Ruhe kommen will, weil es so, wie es gerade ist, noch nicht gut ist. Auch da helfen Hektik und Panik wenig. Aber diese Ungeduld des Herzens auszuhalten und wachzuhalten - das ist wichtig. Ihr aufmerksam, bedacht und beharrlich zu folgen - das führt hin zu einem reicheren, einem erfüllteren Leben.

Gott teilt diese Ungeduld des Herzens mit mir. Denn er wünscht sich nichts sehnlicher als dass ich meiner Sehnsucht nach einem erfüllten Leben folgen kann. Deshalb kann ich ihm diese Ungeduld des Herzens auch mitteilen. Und fühle mich verstanden. Und gleich ein wenig ruhiger. Und doch zugleich bewegt, dieser Sehnsucht zu folgen. 

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Katrin Hutzschenreuter

Katrin Hutzschenreuter

geb. 1971 | Berufsausbildung als Metallurge mit Abitur | Ausbildung zur Krankenschwester | tätig bei der Diakonie - Sozialstation Freiberg | Mitglied der Domgemeinde zu Freiberg und Leiterin des Kirchenvorstands

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.