Freitag, 24.05.2019: Nah am Hotspot
Ich war zu weit weg vom Hotspot. Voriges Jahr bin ich für ein paar sogenannte "Tage der Stille" in ein Kloster gefahren. In ein wunderschönes mittelalterliches Ensemble im Harz. Ich stand kurz davor, eine neue Arbeit zu beginnen und wollte mich innerlich darauf vorbereiten. Aber ich wollte auch ein bisschen arbeiten. Wann hat man das denn schon? Drei volle Tage zu meiner alleinigen Verfügung. Da müsste doch neben Andachten und Waldspaziergängen auch noch ein bisschen Zeit zum Aufarbeiten all dessen sein, was liegen geblieben war. Aber das geht nur mit Internet, denn für Emails und Recherche muss ich online sein. Im Flyer des Klosters stand "kostenloses W-LAN überall". Aber mein Zimmer war zu weit weg vom Hotspot. Ich konnte nur in der Sofaecke auf dem Gang oder an der Rezeption so richtig gut surfen. Und das war mir für längere Aufenthalte zu ungemütlich.
Also hab ich in meinem Zimmer am Ende viel geschlafen und nachgedacht. Habe vom Fenster aus Sonnenauf- und Untergänge beobachtet und einfach in die Ferne geschaut. Ich habe viel gelesen und zwar in einem Buch, dass ich schon lange mal zur Hand nehmen wollte und das meiner Seele richtig gut tat. Ich bin tatsächlich viel gewandert und habe Zeit in der rießigen romanischen Klosterkirche verbracht. Dort habe ich einfach nur in die Stille gelauscht, in mich hinein gehört und mit Gott gesprochen. Ich hab ihm mal ganz in Ruhe alles erzählt, was so in mir war. Die spannung vor der neuen Arbeit, auch ein bißchen die Angst. Die Dankbarkeit für alles schöne. Die Trauer und der Ärger über alles, was nicht gut ist. Und am Ende bin ich mit großer Ruhe und Zuversicht wieder heim gefahren. Das war genial. Da spürte ich: ich war doch ganz nah dran am Hotspot.
Seite 2 von 6