Freitag, 23.09.2022: Gnade
In Deutschland darf der Bundespräsident Gnade vor Recht ergehen lassen. Das heißt, er darf entscheiden, ob Menschen im Gefängnis bleiben müssen oder in Freiheit leben dürfen. Ich weiß nicht, ob er schon einmal jemanden begnadigt hat. Und wenn ja, woran er seine Entscheidung festmacht. Im Unterschied zum Beispiel zu den USA sind in Deutschland solche Gnadenakte geheim.
Manche sehen das kritisch. Nicht nur die Geheimhaltung, sondern die Sache an sich: Wenn Urteile anhand gültiger Gesetze plötzlich durch den höchsten Mann im Staate außer Kraft gesetzt werden können. Das riecht ein wenig nach Basta-Mentalität statt Demokratie. Nach Gönnertum anstatt Recht und Gerechtigkeit.
Zugleich könnte eine solche Gnade harte Urteile abpuffern und dem einzelnen Menschen in seiner vielleicht ausweglosen Lage gerechter werden. In jedem Fall ist Gnade Macht. Und es kann sie immer geben, wenn einer stärker ist als der andere.
Eng verbunden ist das Wort Gnade zudem mit dem Christentum. Viel ist in der Bibel von Gnade die Rede. Ja, auch ich glaube an einen gnädigen Gott. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer. (Jesaja 54, 10)
Gottes Gnade meint: Er ist mir zugewandt und wohlgesonnen. Am Strafen hat er keine Freude. Für Gott führt die Gnade zum Leben. Er begleitet mich, wo immer ich bin, was immer mich bewegt. Gott kennt meine Schwächen und schmunzelt über mein Ego. Dann muss ich mich gleich selbst nicht mehr so wichtig nehmen und kann trotzdem selbstbewusst sein.
"Meine Gnade soll nicht von dir weichen", das ist eine Zusage, die Gott jedem Menschen macht.
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