Mittwoch, 21.09.2022: Männerfreuden
Wie sie dort sitzen, die beiden alten Herren. Die Achtzig haben sie längst hinter sich gelassen. Sie fassen einander bei der Hand. Voll tiefer Verbundenheit. Vielleicht auch voller Angst, einander bald für immer Lebewohl sagen zu müssen. Beide haben Glatze, beide tragen eine Brille. Hinter den Gläsern leuchten Augen, mit denen sie sich immer wieder liebevoll und schelmisch zugleich mustern. Beide Männer bestreiten ein Interview. Denn sie sind berühmt. Der eine ist der Dalai Lama, spirituelles Oberhaupt des tibetischen Buddhismus. Der andere heißt Desmond Tutu: Südafrikas bekanntester Bischof, Kämpfer gegen die Apartheid, Freund Nelson Mandelas. Es geht um die großen Fragen des Lebens, wie zum Beispiel: Wie wird man glücklich?
Im Leben beider Männer gab es unfassbar viel Ungerechtigkeit, Leid, Angst - aus ganz unterschiedlichen Gründen. Auf verschiedenen Kontinenten. Zu verschiedenen Zeiten. Mehr als einmal ging es um Leben oder Tod.
Und dann treffen sie sich und sprechen über Freude im Leben. Ergänzen sich gegenseitig, stimmen einander zu, machen Witze. Auch übereinander. Und diese Lache: Während der Dalai Lama eher verhalten kichert, lacht Bischof Tutu lauthals. Ein gebrechlicher Mann, der kein Halten kennt. Es schwappt über auf mich und ich pruste los.
Aber: Wie wird man glücklich?
Die beiden lebenserfahrenen weisen Männer, geistliche Führer zweier großer Weltreligionen, empfehlen ein einfaches Rezept: Sei für andere Menschen da. Tritt in Beziehung mit anderen. Das kann der Nachbar sein oder jemand, der Hilfe braucht. Sei offen für echte Begegnungen. Dann - so bezeugen es beide - käme so viel zurück an Glück. Kein Auto, kein Haus, kein Geld der Welt wiege das auf.
Irgendwann sagt der Dalai Lama: "Schade eigentlich, dass Du Christ bist." Und Desmond Tutu antwortet: "Schade auch, dass Du Buddhist bist." Und beide kriegen sich kaum mehr ein vor Lachen.
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