Sonnabend, 10.09.2022: Das Genie und der Pirnaische Platz

Immer wenn ich über den Pirnaischen Platz in Dresden fahre, beschleicht mich das Gefühl der historischen Ehrfurcht. Das liegt nicht unbedingt an der heutigen Bebauung, dafür an einem Mann, der sich hier an dieser Stelle eigentlich ein Denkmal, wenigstens aber eine Gedenktafel verdient hätte.

Obwohl wir ihn normalerweise nach Leipzig verorten, hat Johann Sebastian Bach diesen Ort in Dresden - den Pirnaischen Platz gab es damals noch nicht - in den Rang der Weltbedeutung erhoben. Dort stand früher das Weißenfelsische Palais. Und darin die Wohnung des russischen Gesandten Hermann Carl von Keyserlingk. Ein Diplomat und Feingeist zugleich. Und ein guter Freund des Thomaskantors. Keyserlingk schrieb Bach 1740 nach Leipzig, dass er zunehmend unter Schlaflosigkeit litte. Und ob Meister Bach nicht etwas aufs Notenpapier bringen könnte, was sein Hauspianist zur Aufheiterung der trüben Nächte spielen könne. Kein Ding, antwortete der Meister und schüttelte nebenbei ein paar Variationen zu einem Thema in G-Dur aus dem Ärmel. Schickte es nach Dresden. Fertig. Nichts weiter von Belang, nur mal eine fixe Gefälligkeit. Keyserlingks Pianist hieß Johann Gottlieb Goldberg. Und so bekam die schnell hingehuschte Komposition ihren Namen. Heute sind die Goldbergvariationen die Krönung der Klavierliteratur. Nur wenige Meister der Tasten trauen sich an dieses ungeheuer komplexe Werk heran, das mal so nebenbei entstand. Unfassbar.

Was aber die Meisterschaft Bachs, der heute weltweit als der wohl wichtigste Komponist gilt, fast noch mehr krönt als nur seine Werke, das sind drei Buchstaben. Unter die meisten seiner Kompositionen setze er das Kürzel SDG. Soli Deo Gloria. Allein Gott sei die Ehre. Jedes Mal bedankte er sich bei seinem Schöpfer, der ihm die Möglichkeit geschenkt hat, solch Unvergängliches zu schaffen. Die Demut eines Genies vor dem Allerhöchsten.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Stephan Ringeis

Stephan Ringeis

Senderbeauftragter der Evangelischen Freikirchen beim MDR

geb. 18.09.1962 in Jena | aufgewachsen in Berlin | Studium der Theologie am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Bad Klosterlausnitz von 1982 bis 1987 | Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Neudorf/Erzgebirge 1987 bis 1990 | Pastor in Wilkau-Haßlau 1990 bis 1997 | Pastor in Zwickau von 1997 bis 2009 | Superintendent des Distrikts Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche 2009 bis 2019 | Pastor im Interimsdienst (Geistliche Begleitung von Gemeinden in Übergangssituationen) | verheiratet | drei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.