Freitag, 09.09.2022: Social Credits

Haben Sie schon Ihre heutigen social credits gezählt? Nein? Ich kann sie beruhigen. Das macht man bisher nur in China. Dort gibt es dieses staatliche Punktesystem. Die Regierung vergibt Punkte, also die sogenannten sozial credits, für Wohlverhalten. Wer sich brav und regierungstreu verhält, der bekommt Punkte. Wer dagegen aufmüpfig ist und vielleicht sogar die Regierung kritisiert, dem droht Punktabzug.

Und was passiert dann? Chinesische Staatsbürger mit einer positiven Punktebilanz bekommen schnelleren Zugang zu Krediten bei der Bank oder werden bevorzugt, wenn es um Reisegenehmigungen geht. Und wer mit einem negativen Saldo dasteht? Dem wird schon mal die Internetgeschwindigkeit gedrosselt oder er hat Nachteile, wenn er sich für den öffentlichen Dienst bewirbt. Oder es wird ihm der Pass entzogen. Da will man gar nicht weiterdenken. Ein Programm aus einer Diktatur.

Wenn ein Staat, wenn Menschen, Kriterien für allgemeines Wohlverhalten ausgeben, kann es nur zum Desaster werden. Denn welche Maßstäbe gelten? Nur die der gerademal Herrschenden. Und die werden in der Regel sehr subjektiv sein. Und ideologisch. Also das Gegenteil von Freiheit.

Wolln wir also nicht haben. Nein.

Aber übersetzen wir dieses System mal ins Religiöse. Eigentlich hat Jesus auch eine Art social credits entworfen. "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst". Oder Mose die zehn Gebote. Das wären doch schon mal Kriterien. Das könnte funktionieren, weil diese Gebote eben nicht Menschen- sondern Gotteswerk sind. Da steckt keine Ideologie dahinter, kein Eigennutz, sondern Liebe.

Eigentlich könnte unser Leben daraus bestehen, solche göttlichen Punkte zu sammeln und unser Lebenskonto damit aufzufüllen. Wir müssen uns da natürlich nicht den lieben Gott so vorstellen, dass er, wenn wir mal vor sein Angesicht treten, die Exeltabelle mit unseren Punkten zückt und uns allein damit bewertet. Da würden wir ihn gewaltig unterschätzen. Nein, der liebe Gott hat eigene Maßstäbe. Aber schaden kann es keinesfalls, bereits jetzt damit anzufangen, den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Das kann unsere Welt ein Stück besser machen.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Stephan Ringeis

Stephan Ringeis

Senderbeauftragter der Evangelischen Freikirchen beim MDR

geb. 18.09.1962 in Jena | aufgewachsen in Berlin | Studium der Theologie am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Bad Klosterlausnitz von 1982 bis 1987 | Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Neudorf/Erzgebirge 1987 bis 1990 | Pastor in Wilkau-Haßlau 1990 bis 1997 | Pastor in Zwickau von 1997 bis 2009 | Superintendent des Distrikts Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche 2009 bis 2019 | Pastor im Interimsdienst (Geistliche Begleitung von Gemeinden in Übergangssituationen) | verheiratet | drei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.