Corona-Forschung aktuell: 28. November Blutuntersuchungen können schweren Covid-19-Verlauf vorhersagen

28. November 2020, 05:00 Uhr

Ein aktuelles Stimmungsbild zeigt: Junge Deutsche haben keine große Angst vor Corona, einige haben jedoch Zukunftssorgen. Außerdem: Es gibt neue Chancen, schwere Krankheitsverläufe früh zu erkennen und mit Tests in Magdeburg soll Licht in die bundesweite Corona-Dunkelziffer gebracht werden.

Zwei männliche Jugendliche mit Schutzmasken laufen auf einer Straße im südtürkischen Gaziantep, Frontalblick, Hintergrund leicht unscharf
Mit Maske und nur zu zweit: So ist's vorbildlich. Eine neue Studie hat ergeben, dass viele junge Menschen sich an die Corona-Regeln halten. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über Corona

Aus dem November-Lockdown ist ein Herbst-Winter-Lockdown geworden, die Beschränkungen werden verschärft, in Sachsen und Sachsen-Anhalt wird es längere Weihnachtsferien geben und Schnelltests sollen die Quarantänezeit verkürzen. Gleichzeitig steigen die Chancen, Weihnachten in Familie verbringen zu können – und dass es noch in diesem Jahr erste Impfungen gegen das Virus geben könnte. Auch daneben finden Forschende immer mehr über das Coronavirus und seine Ausbreitung heraus. MDR WISSEN verschafft Ihnen hier den Überblick über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.


Besondere Blutzellen weisen auf schweren Krankheitsverlauf hin

Seit Beginn der Pandemie suchen Forschende Hinweise, wann eine Covid-19-Erkrankung schwer verläuft und wann nicht. Bereits früh wurden Zusammenhänge zwischen der Blutgruppe und dem Krankheitsverlauf festgestellt. Forschende des deutschen Exzellenzclusters PMI Precision Medicine in Chronic Inflammation (Präzisionsmedizin bei chronischen Entzündungen) haben jetzt ein weiteres Indiz im Blut ausfindig gemacht.

Der Studie zufolge können sogenannte unreife Vorläuferzellen ein Hinweis auf einen schwereren Krankheitsverlauf sein. Solche Vorläuferzellen sind unfertige Blutzellen, die eigentlich im Knochenmark vorkommen und dort zu fertigen Blutzellen heranreifen. Dabei waren zwei Zelltypen besonders auffällig: Vorläuferzellen von Blutplättchen (Megakaryozyten) und unreife rote Blutkörperchen. "Wir kennen solche Ausschwemmungen von Vorläuferzellen ins Blut von schwerkranken Patientinnen und Patienten, etwa bei einer bakteriellen Sepsis (Blutvergiftung). Für Covid-19 ist dies bisher so nicht beschrieben worden", erklärt Florian Tran, Klinischer Wissenschaftler des Exzellenzclusters PMI.

So konnten die Forschenden etwa in einer Gruppe von 39 Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf einer Intensivstation beobachten, dass Menschen mit weniger auffälligen Vorläuferzellen wieder genesen konnten. Philip Rosenstiel, u.a. Vorstandsmitglied im PMI: "Die Megakaryozyten spiegeln ein bekanntes Covid-19-Problem wieder: Blutplättchen sind zuständig für die Blutgerinnung und eine der häufigsten direkten Todesursachen bei Covid-19 sind Gerinnungsprobleme. Die aktivierten Megakaryozyten im Blut bringen möglicherweise Blutplättchen hervor, die leichter aggregieren [sich ansammeln, Anm. d. Red.] und damit zu den Gerinnungsproblemen führen." Die Zunahme der Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen deute hingegen auf einen Sauerstoffmangel hin. Das sei eine bei schweren Lungenkrankheiten bekannte Notfallreaktion.

Die Erkenntnisse können jetzt dazu beitragen, potenzielle schwere Krankheitsverläufe möglichst früh zu erkennen und die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Link zur Studie

Die Studie erscheint im Fachjournal Immunity.
DOI: 10.1016/j.immuni.2020.11.017

Impstoff der Uni Oxford und AstraZeneca wird geprüft

Erst am Montag wurde in einer Vorabstudie eine siebzigprozentige Wirksamkeit des gemeinsamen Vektor-Impfstoffs der Universität Oxford und des Pharmaunternehmens AstraZeneca bekanntgegeben. Jetzt prüft das britische Gesundheitsamt, ob er den strengen Sicherheitsstandards genügt. Die Studie war zuvor auf Grund von Datenlücken in die Kritik geraten. So hätten Probanden mit anderthalb Dosen einen neunzigprozentigen Schutz vor Sars-CoV-2. Die erste halbe Dose sei aber auf einen Verpackungsfehler zurückzuführen, weshalb nicht klar ist, ob die Effektivität tatsächlich gegeben oder ein Zufall ist.

Symbolfoto: Kleine Glas-Behälter mit AstraZeneca-Etikett stehen aufgereiht vor grünem Hintergrund, eine liegt im Vordergrund.
Der Impfstoff der Uni Oxford und des Unternehmens AstraZeneca zählt zu den vielversprechenden Kandidaten, steht aber derzeit in der Kritik. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Sven Simon

Junge Deutsche verhalten sich weitestgehend rücksichtsvoll

Für die Studie Junge Deutsche 2021, die die Lebens- und Arbeitswelten der 14- bis 39-Jährigen erforscht, wurde ein erstes Zwischenergebnis veröffentlicht, das die Betroffenheit und das Verhalten junger Menschen in der Pandemie auswertet. Die Jugendforscher Klaus Hurrelmann und Simon Schnetzer attestieren 72 Prozent der Befragten eine Rücksichtnahme auf Familienangehörige und Freunde, um sie nicht zu gefährden. 73 Prozent würden sich zudem an die AHA-Regeln halten, vier Prozent lehnen diese Regeln vollständig ab. Zwei Drittel verzichten zudem auf Feiern. Mehr als drei Viertel haben keine oder nur teilweise Angst, sich zu infizieren.

Überraschend hingegen das Ergebnis zu modernen Arbeitswelten: Nur ein Fünftel fühlt sich mit Homeschooling und Homeoffice wohler als mit Präsenz vor Ort. Ein gutes Drittel sorgt sich um die eigene Zukunft, vor allem Männer mit niedrigem Bildungsniveau in Kleinstädten. Interessante Nebenerkenntnis: Für zwölf Prozent hat sich das Verhältnis zur Heimat verbessert, für 13 Prozent verschlechtert. Im Rahmen der Studie wurden im Herbst 1.700 junge Menschen befragt.

Link zur Studie

Die Sonderauswertung Jugend und Corona kann hier heruntergeladen werden.

Bisher keine höhere Ansteckungsgefahr durch Mutation

Viren verändern sich mit der Zeit – und können dadurch z.B. stärker oder auch weniger ansteckend werden. Bei den bisher bekannten Mutationen von Sars-CoV-2 konnte keine erhöhte Ansteckungsgefahr festgestellt werden. Das fand ein Team unter Leitung von Forschenden am Londoner University College UCL heraus. Die Forschungsgruppe hat das Genom von 46.000 Covid-19-Patientinnen und -Patienten aus 99 Ländern untersucht. Über 12.700 Mutationen des Coronavirus konnten beobachtet werden, 185 davon mindestens dreimal unabhängig voneinander.

Die Veränderungen stellten sich als neutral für das Virus heraus, es gibt bisher keine Hinweise, dass sie zum Vorteil für Sars-CoV-2 ausgefallen wären. Dennoch, so die Forschenden, müsse man wachsam bleiben.

Link zur Studie

Die Studie erschien am 25.11.2020 im Fachblatt Nature Communications.
DOI: 10.1038/s41467-020-19818-2

Junge Anti-Pelz-Aktivist/-innen mit Masken stehen perspektivisch schräg aufgereiht,  halten während der Demonstration Plakatee mit Text in kyrillischen Buchstaben und Fotos verschiedener Pelztiere hoch.
Junge Aktivisitinnen und Aktivisten protestieren in Kiew am Black Friday gegen die Pelzindustrie, die in der Ukraine von den coronabedingten Tötungen in Dänemark profitieren könnte. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Weitere Coronafälle bei Nerzen

Nach einem Corona-Ausbruch bei Nerzen in Frankreich, Dänemark und den Niederladen ist das Virus jetzt auch bei Nerzen in Litauen nachgewiesen worden. Nachdem bereits 170 Tiere auf einer Farm durch menschliche Ansteckung an dem Virus gestorben sind, sollen nun weitere 40 getötet werden. Insgesamt leben 60.000 Tiere auf der Farm. Beim Corona-Ausbruch unter Nerzen in Dänemark wurde eine Mutation des Virus gefunden, die die Wirkung von Impfungen beeinträchtigen könnte.

Mehr Licht in die Dunkelziffer – Magdeburger zu Corona-Studie aufgerufen

Da nicht alle Menschen getestet werden und nicht alle Infizierten (schwere) Symptome einer Covid-19-Erkrankung entwickeln, ist unklar, wie viele Menschen sich tatsächlich mit Sars-CoV-2 angesteckt haben und das Virus weitergeben könnten. Eine Studie am Magdeburger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung möchte jetzt herausfinden, wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind, welcher Alters- und Berufsgruppe besonders betroffen sind und wie lange der Immunschutz durch Antikörper hält.

Dazu werden bis Mitte Dezember die Blutproben von 3.000 Menschen untersucht. Die Probandinnen und Probanden müssen außerdem Fragen beantworten. Die bundesweite Studie ist bereits in Freiburg, Reutlingen, Aachen und Osnabrück gelaufen und soll neben der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt auch noch in Greifswald, Hannover und Chemnitz stattfinden. Bereits ein Drittel der benötigten Testpersonen haben die Einladung in Magdeburg angenommen.

(flo)

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