Mann hält einen positiven Coronatest in die Camera, während er am Handy telefoniert.
Aktuell erkranken wieder viele Menschen an Sars-CoV-2. Bildrechte: IMAGO / Wirestock

Covid-19 Ansteckungen mit Corona: Simulation zeigt, warum sich gerade viele infizieren

14. November 2023, 17:30 Uhr

In den vergangenen Wochen haben sich sehr viele Menschen erneut mit Sars-CoV-2 infiziert. Die Gruppe von Simulationsforschern um Kai Nagel von der TU Berlin hat nun eine mögliche Erklärung.

Autorenfoto von Clemens Haug
Bildrechte: Tobias Thiergen/MDR

Zwar werden nur noch sehr wenige Infektionen mit Corona offiziell bestätigt. Vergangene Woche waren es laut Robert Koch-Institut gerade einmal etwas mehr als 18.000 Fälle. Untersuchungen wie die Mainzer SentiSurv-Studie oder die Messungen von Viruslasten im Abwasser zahlreicher deutscher Kläranlagen deuten jedoch auf eine deutlich stärkere Verbreitung von Sars-CoV-2 hin. Tatsächlich dürften sich in den vergangenen Wochen mehrere Millionen Menschen in Deutschland mit Covid-19 angesteckt haben, in vielen Fällen war es nicht das erste Mal.

Die Modus-Covid-Gruppe um Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin hat bereits viele Berechnungen zum Verlauf der Virusausbreitung vorgelegt. In ihrem neuen Bericht zeichnen die Forschenden jetzt eine mögliche Ursache dafür nach, dass aktuell so viele Menschen an dem Virus erkranken.

Coronawellen: Abstand wird größer, die Ausschläge aber auch

Im neuen Modus-Covid-Bericht vom Montag stellen die Wissenschaftler fest, dass sich die Dynamik grundsätzlich verändert hat. In den Jahren 2021 und 2022 folgten demnach jeweils vier bis fünf Infektionswellen aufeinander. Zu Beginn veränderte sich das Virus dabei noch regelmäßig sehr stark. Seit dem Aufkommen von Omikron gab es jedoch keine prinzipiell neuen Virusvarianten mehr. Auch Eris und Pirola sind nur noch Untervarianten bisheriger Omikron-Stämme.

2023 dagegen habe es im Frühjahr nur noch eine Infektionswelle gegeben. Das zeigen laut den Forschenden die Zahlen aus dem Abwassermonitoring. Dabei nehmen inzwischen mehr als 50 Kläranlagen in Deutschland Proben aus dem Abwasser und messen die darin enthaltene Virenmenge. Die Viren gelangen durch Ausscheidung ins Abwasser. Dessen Überprüfung gilt als verlässlicher Indikator für die tatsächliche Verbreitung von Corona.

Mögliche Ursachen: Corona mutiert langsamer und Immunität wird stärker

Interessant an dieser einen Winterwelle ist laut den Forschenden: "Im Februar beziehungsweise März 2023 [wurde] eine Viruskonzentration im Abwasser verzeichnet, die das gemessene Maximum während der BA.2-Welle überschreitet." Es gab also nur noch eine Welle, deren Ausschlag aber deutlich höher war, als die ein Jahr zuvor. Darauf folgte ein starker Rückgang zum Sommer hin. Im Juni seien im Abwasser die geringsten Viruskonzentrationen seit Beginn der Überprüfung gemessen worden. Der Abstand zwischen den Infektionswellen wachse also.

Die Forschenden sehen dafür zwei mögliche Ursachen: Einerseits könnte die Mutationsrate des Virus abgenommen haben. Dadurch gelinge es Corona seltener, der aufgebauten Immunität der Menschen auszuweichen. Andererseits könnte die Immunität mit jeder weiteren Infektion oder Impfung immer länger anhalten. Beide Ursachen führen zum gleichen Effekt, der in der Simulation die Ergebnisse zu bisherigen Vorausberechnungen gründlich verändert

Starke Belastung der Kliniken Anfang 2024 möglich, wenn Corona wieder gefährlicher wird

Waren die Forschenden bisher davon ausgegangen, dass die Infektionswellen flacher werden, aber weiterhin rascher aufeinanderfolgen, zeigen sich nun größere Abstände mit weit höheren Ausschlägen. Erklärung dafür könnte laut den Forschenden sein, dass in den Zeiten geringer Virusverbreitung die Empfänglichkeit für eine neue Ansteckung wieder wächst. Je länger der letzte Kontakt mit dem Antigen zurückliegt – also einer Ansteckung oder einer Impfung – desto höher das Risiko für eine neue Infektion.

Simulationsergebnisse aus dem Dezember 2022 (Müller et al. 2022). Das Modell berechnet eine Sommerwelle in 2023 und danach eine Welle rund alle 6 Monate (rote Linie). Die Abwasserdaten (gelbe Punkte) wurden vom Gesundheitsamt Köln bereitgestellt, eigene Darstellung.
Simulationsergebnisse aus dem Dezember 2022 (Müller et al. 2022). Das Modell berechnet eine Sommerwelle in 2023 und danach eine Welle rund alle 6 Monate (rote Linie). Die Abwasserdaten (gelbe Punkte) wurden vom Gesundheitsamt Köln bereitgestellt. Bildrechte: MODUS-COVID

Simulationsergebnisse vom November 2023 mit reduzierter Abnahmegeschwindigkeit der Immunität (blaue Linie). Vergleiche Verlängerung der Wellen ab Sommer 2023 mit obiger Abbildung 1. Außerdem zur Orientierung: Darstellung der Viruskonzentration im Abwasser in Köln Stammheim (gelbe Punkte). Die Abwasserdaten und auch die blaue Inzidenzkurve verzeichnen in 2022 mehrere, eng aufeinander folgende Wellen und ab dem Frühjahr 2023 eine Zunahme des zeitlichen Abstands zwischen den Wellen.
Simulationsergebnisse vom November 2023 mit reduzierter Abnahmegeschwindigkeit der Immunität (blaue Linie). Vergleiche Verlängerung der Wellen ab Sommer 2023 mit obiger Abbildung 1. Außerdem zur Orientierung: Darstellung der Viruskonzentration im Abwasser in Köln Stammheim (gelbe Punkte). Die Abwasserdaten und auch die blaue Inzidenzkurve verzeichnen in 2022 mehrere, eng aufeinander folgende Wellen und ab dem Frühjahr 2023 eine Zunahme des zeitlichen Abstands zwischen den Wellen. Bildrechte: MODUS-COVID

Das könnte dann einer Gefahr werden, wenn eine neu entstehende Mutation das Virus doch noch einmal gefährlicher macht. In einer pessimistischen Vorausschau haben die Forschenden berechnet, welche Folgen das hätte. Ergebnis: "Unter der Annahme, dass künftige (Omikron-)Varianten eine höhere Krankheitsschwere aufweisen als bisherige Omikron-Varianten, wird laut unseres Modells im Frühjahr 2024 eine Belastung der Normalstationen möglich sein, die an das Niveau im Winter 2020/2021 heranreicht."

Simulation berechnet keine parallelen Wellen anderer Viruserkrankungen

Allerdings deutet darauf bislang nichts hin. Die Simulationen zeigen allerdings, dass ein Erfolg der Kampagne für weitere Auffrischungsimpfungen im Fall neuer gefährlicher Virusversionen hauptsächlich für die über 60-Jährigen einen großen Unterschied machen würde.

Nicht berücksichtigt haben die Forschenden die Effekte für das Gesundheitssystem, die durch das gleichzeitige Auftreten von mehreren Erregern entstehen können, etwa von Influenza oder RSV. Gerade RSV kann einen großen Einfluss auf Kapazitäten in den Kliniken haben, da das Virus zu ähnlichen Zeiten im Jahr auftritt, wie Sars-CoV-2 und zugleich mit kleinen Kindern aber eine andere Altersgruppe gefährdet. Im Herbst 2022 hatte das zu einer starken Belastung der Kliniken geführt. Danach sieht es in diesem Jahr laut den aktuellen RKI-Berichten aber nicht aus.

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5 Kommentare

Brigitte Schmidt vor 23 Wochen

und weiter noch etwas zum Inhaltlichen des Artikels:
Nach einiger Spekulation und für mich gefühlter Panikmache (Entschuldigung aber ich empfinde das so) kommt es zu einem versöhnlichen Ende:
"Danach sieht es in diesem Jahr laut den aktuellen RKI-Berichten aber nicht aus."
Naja, wir lesen das trotzdem mit Gewinn und Interesse.

Brigitte Schmidt vor 23 Wochen

In meinem Bekanntenkreis gibt es aktuell auch einige Fälle von Corona-Erkrankungen.
Allerdings weiß ich bei denen von einer weiteren Gemeinsamkeit, deren Nennung unter Umständen meinem Kommentar-Veröffentlichungswunsch entgegen steht.
Oder?

Lumberjack vor 23 Wochen

Zusammenfassung:
Das Virus ist harmloser geworden, das haben viele namhafte und seriöse Wissenschaftler vorhergesagt.
Die mRNA-Behandlung hat weder vor Infektion, Weitergabe noch vor schweren Verläufen geschützt, siehe dazu auch DIVI-Intensiv-Register mit dem Anteil "vollständig Geimpfter". (z.B. Nach dem aktuellen RKI-Wochenbericht sind 84% der Patienten auf der Intensivstation, von denen der Impfstatus bekannt ist, mindestens einmal geimpft. Die Impfquote in Deutschland liegt bei knapp 76%. 07.05.2022 RKI)