Illustration - Geschäftsmänner mit großen Köpfen
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Psychologie Selbstsüchtige Menschen bestrafen Großzügigkeit

24. August 2023, 13:52 Uhr

Es ist eine gängige Annahme, dass das Handeln von Menschen von sozialen Zwängen und gesellschaftlichen Erwartungen beeinflusst wird. Aber was, wenn wir frei entscheiden können? Dann bevorzugen wir offenbar diejenigen, die uns charakterlich ähneln, selbst dann, wenn uns das schadet. Das zeigt eine neue US-Studie, nach der selbstsüchtige Menschen egoistisches Verhalten belohnen, Großzügigkeit jedoch bestrafen. Suchen wir uns also Menschen, die sind wie wir selbst?

Gleich und gleich gesellt sich gern, sagt ein gängiges Sprichwort. Und offenbar steckt darin viel Wahres: Forschungsergebnisse eines Teams der University of Illinois legen nahe, dass wir das Verhalten belohnen, das unserem eigenen ähnlich ist. Und zwar selbst dann, wenn wir dadurch Einbußen verzeichnen. Das heißt, so schreiben die Psychologinnen und Psychologen, dass unser eigenes Verhalten mehr Gewicht haben kann als die Einstellungen und Verhaltensweisen anderer.

Auf Grundlage unseres eigenen Verhaltens beurteilen wir andere

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass womöglich nicht die sozialen Normen der Hauptfaktor für Entscheidungen in Wettbewerbs-Szenarien sind, erklärt Erstautor Paul Bogdan von der University of Illinois. Die vorherrschende Meinung sei bisher gewesen, dass Menschen auf Grundlage dessen Erwartungen entwickeln, was sie als typisch kennen. "Wenn alle um mich herum egoistisch sind, werde ich lernen, Egoismus zu akzeptieren und mich entsprechend zu verhalten", sagt Bogdan. Doch offenbar ist es genau anders herum, bilanziert der Forscher. "Wir zeigen, dass die Beurteilung des Verhaltens anderer Menschen davon abhängt, wie wir uns selbst verhalten."

Zwei Männer und eine Frau stehen auf einer Treppe und lächeln in die Kamera.
Die Forschenden der University of Illinois wollten wissen, was unsere Entscheidungen bedingt. Bildrechte: L. Brian Stauffer

Um herauszufinden, welche Faktoren die Erwartungen und das Verhalten tatsächlich steuern, hat das Forschungsteam eine Reihe von Experimenten durchgeführt. Kern des Ganzen war ein sogenanntes Ultimatumspiel. Dabei macht ein Spieler dem anderen zunächst ein Angebot über die Aufteilung eines vorgegebenen Geldbetrags. Im Fall der US-Studie waren das 10 Dollar. Der zweite Spieler kann das Angebot anschließend ablehnen oder annehmen. Bei einer Ablehnung des Angebots bekommt keiner der beiden Spieler Geld. Sie könne auch, erklären die Forschenden, als Form der Bestrafung angesehen werden – selbst dann, wenn beide Spieler verlieren würden.

Egoisten reichen egoistische Angebote

Euro-Geldscheine und Münzen
Das Experiment des Forschungsteams war ein Spiel um Geld. Bildrechte: IMAGO/Zoonar

Die Forschenden wollten nun herausfinden, wie die Probandinnen und Probanden auf die Vorschläge ihres Gegenübers reagieren. Einige von ihnen neigten dazu, großzügig oder zumindest fair mit der ihnen angebotenen Summe zu sein. Andere wiederum hätten versucht, so viel wie möglich von dem Geld für sich zu behalten und auf Kosten des anderen Spielers zu profitieren, bilanziert das Forschungsteam.

Die großzügigen Personen neigten demnach nun dazu, auch nur großzügige Angebote anzunehmen. Die Egoisten hingegen seien auch mit egoistischen Angeboten zufrieden gewesen und zwar sogar dann, wenn ihnen der Egoismus des anderen Spielers finanziell schadete, so die Forschenden. Die Probandinnen und Probanden wechselten zwischen den beiden Rollen des Spiels, sodass der Zusammenhang zwischen der eigenen Einstellung eines Spielers und seiner Bewertung der anderen untersucht werden konnte.

Wir trauen vor allem Menschen, die sind wie wir selbst

Weitere Experimente des Teams zeigten, dass sich großzügige und selbstsüchtige Menschen in einem Punkt nicht unterscheiden: Unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis neigen sie eher dazu, Menschen zu vertrauen, die sich so verhalten wie sie selbst. Egoistische Personen würden zwar mit einer großzügigen Person mehr Geld verdienen, sagt Bogdan, "aber ein egoistischer Mensch spielt lieber mit jemandem, der sich so verhält wie er."

Menschen mögen wirklich andere, die ihnen ähnlich sind – in einem erschreckenden Ausmaß.

Paul Bogdan, University of Illinois

Dieses Ergebnis stützte auch die Auswertung von Daten einer früheren interkulturellen Studie. In der wurde festgestellt, dass Menschen manchmal andere für ihren Egoismus oder ihre Großzügigkeit in einem Gemeinschaftsspiel bestrafen, bei dem es um die gemeinsame Nutzung von Ressourcen geht. Dabei hätten ebenfalls die Menschen, die zu Großzügigkeit neigten, eher Egoismus bestraft und diejenigen, die ihr eigenes Wohlergehen in den Vordergrund stellten, bestraften eher die Großzügigkeit, so die Forschenden.

Eine Gruppe handle allerdings besonders drastisch: Diejenigen Personen, deren Verhalten sich im Laufe der Zeit von großzügig zu egoistisch änderte, neigten eher dazu, so das Forschungsteam, Großzügigkeit zu bestrafen und Egoismus zu belohnen – allerdings erst, nachdem sich ihr eigenes Verhalten geändert hatte.

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Mitautor Florin Dolcos meint, die Ergebnisse könnten helfen, das Phänomen der sozialen Angleichung zu erklären. "Vielleicht gibt es Gruppen egoistischer Menschen, die andere egoistische Menschen eher akzeptieren, und um Teil dieser Gruppe zu sein, zeigen Neulinge möglicherweise das gleiche Verhalten", erläutert er.

Link zur Studie

Bogdan, Paul C. et al: Social Expectations are Primarily Rooted in Reciprocity: An Investigation of Fairness, Cooperation, and Trustworthiness. In: Cognitive Science, Volume 47, Issue 8 (2023). DOI: https://doi.org/10.1111/cogs.13326.

(kie)

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